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Geschlechtsumwandlung

Frauenfußball im Iran: Wenn nur noch die Geschlechtsumwandlung bleibt

Acht Spielerinnen der iranischen Frauen-Nationalmannschaft sollen eigentlich Männer sein. Ein möglicher Grund: Weil Homosexualität im Iran noch immer kriminell ist, wagen viele Männer den Schritt zur Geschlechtsumwandlung.
Foto: imago/ActionPlus

Momentan erschüttert ein Skandal den iranischen Frauenfußball. Nach Angaben des saudischen Nachrichtensenders al-Arabiya und Mojtabi Sharifi, einem Offiziellen, der eng mit dem iranischen Fußballverband zusammenarbeitet, sind acht Spielerinnen des Nationalteams nach international geltenden Regeln keine Frauen. Vier von ihnen seien bereits suspendiert worden. Der Grund: Einige von ihnen befinden sich angeblich im Prozess einer Geschlechtsumwandlung, die noch nicht vollständig abgeschlossen sei. Ein Thema, das schon 2010 aufkam, als ein gegnerisches Team das Geschlecht der damaligen Torfrau anzweifelte.

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Laut dem Vorsitzenden des iranischen Frauenfußball-Verbandes, Ahmad Haschemian, bestünde für die vier suspendierten Spielerinnen die Möglichkeit auf Rückkehr ins Nationalteam, sobald die Operation vollständig abgeschlossen sei.

Schon 2014 ordneten die Behörden unangekündigte Geschlechtstests für Frauennationalteams und Profispielerinnen unterschiedlicher Sportarten an, die in Zukunft aufgrund der erneut aufgetretenen Problematik angeblich intensiviert werden sollen. Denn angesichts der Vorwürfe sieht sich der iranische Fußballverband nun erneut mit der Frage konfrontiert, ob er wissentlich „Spielerinnen", die biologisch gesehen noch Männer sind, im Nationalteam der Frauen eingesetzt hat.

Doch wieso sind Geschlechtsumwandlungen im Iran so häufig?

Nach der islamischen Revolution 1979 trat die Prozedur aus dem Schatten der Illegalität. Von da an war es Iranern, die im falschen Körper geboren wurden oder unter sexuellen Entwicklungsstörungen leiden möglich, ihr Geschlecht frei zu wählen. Eine Entscheidung, die trotz ihrer Legalität auch heute noch im starken Kontrast zu den ansonsten strikten Scharia-Gesetzen steht, unter die auch Punkte wie das gesetzliche Verbot von Homosexualität und vorehelichem Sex zählen.

Für viele Homosexuelle ist der operative Wechsel des Geschlechts deshalb momentan noch der einzige Ausweg in ein einigermaßen normales Leben. Denn im Gegensatz zu Homosexualität, die im Iran noch immer als etwas Kriminelles gilt, ist Transsexualität in der iranischen Gesellschaft als eine „heilbare Krankheit" angesehen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf könnte man daraus schließen, dass auch die kürzlich „enttarnten" Spielerinnen der Nationalmannschaft, diese Hintertür genutzt haben könnten.

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Laut einer Schätzung des iranischen Gesundheitsministeriums entschieden sich allein zwischen 2006 und 2010 1.366 Personen für eine Geschlechtsumwandlung. Doch die Prozedur ist ein Prozess, der bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen kann und meist mit einer Hormontherapie eingeleitet wird.

Fußball im Iran zählt zu einer der beliebtesten Sportarten unter jungen Frauen. Doch auch im Sport, sind auch sie noch immer von Unterdrückung betroffen. Zum Beispiel ist es ihnen aufgrund von religiösen Bestimmungen untersagt, Fußballpartien des anderen Geschlechts im Stadion zu besuchen. Auch die rigorosen Kleidervorschriften während der Spiele, die ohne Zuschauer stattfinden, sind ein Zeichen des Ungleichgewichts zwischen Mann und Frau in der iranischen Gesellschaft. Auch in internationalen Turnieren sorgte diese Kleidung in der Vergangenheit für Probleme. So wurde die iranische Mannschaft aufgrund ihrer Hijabs, den langärmligen Trikots und Hosen beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2012 von der FIFA ausgeschlossen. Doch die Liebe zum Sport scheint dennoch ungebrochen und die Frauenfußball-Szene im Iran entwickelt sich stetig weiter. Das zeigte uns allein diese eindrucksvolle Darbietung der Frauen-Futsal-Mannschaft während der Asia-Games in Malaysia, die der Welt eine Lehrstunde in Sachen Team-Play gab.

Trotz allem tauchen—gerade wenn es um die Nationalmannschaft geht—immer wieder neue Schlagzeilen auf, die leider noch immer viel zu häufig eben nicht nur sportlicher Natur sind. Neben den aufgekommenen Vorwürfen bezüglich des Geschlechtes, wurde Anfang des Monats bekannt, dass der Spielführerin der iranischen Mannschaft von ihrem Ehemann verboten wurde, an den Asia-Games teilzunehmen. Angeblich weigerte er sich, die nötigen Papiere für ihren Reisepass zu unterschreiben, denn er war der Meinung, dass sie sich lieber um ihren gemeinsamen Sohn kümmern sollte, der gerade eingeschult worden war.

Letztlich kann man sagen, dass die Praxis, Männer in einer Frauenmannschaft mitspielen zu lassen, im internationalen Vergleich natürlich nicht gerade fair ist, doch gleichzeitig sorgt dieser Skandal dafür, dass der mediale Fokus erneut auf die ungleichen Bedingungen für Frauen und Homosexuelle im Iran gelenkt wird. Und das ist auch gut so. Er verdeutlicht, dass sich der Iran nicht nur sportlich, sondern auch in Sachen Menschenrechten noch weit von einer gleichberechtigten Gesellschaft bewegt und es noch vieles zu tun gibt.

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