FYI.

This story is over 5 years old.

Mixed Mediums

Ich habe ein Mädchen im Diskozelt bei der Station to Station-Eröffnung in New York gerettet

Ich habe einen laminierten Pass, auf den mein Name mit einem Edding geschrieben wurde. Aus irgendeinem Grund denken die Leute, dass ich wichtig bin. Die Menge teilt sich und lässt mich durch. Alle denken, ich würde an irgendeinem wichtigen Ort erwartet...

Foto von Ben Gottesman

Ich habe einen laminierten Pass, auf den mein Name mit einem Edding geschrieben wurde. Aus irgendeinem Grund denken die Leute, dass ich wichtig bin. Die Menge teilt sich und lässt mich durch. Alle denken, ich würde an irgendeinem wichtigen Ort erwartet. Dabei laufe ich nur in den Brooklyner Riverfront Studios herum und sehe mich ein bisschen um, auf der New Yorker Eröffnung von Station to Station: Ein öffentliches Kunstprojekt, realisiert von Levi’s®. Die Veranstaltung ist sehr voll, aber sobald die Leute meinen Pass und die Kamera, die ich mir über die Schulter gehängt habe, sehen, machen sie Platz für mich.

Anzeige

Ich stehe in der Kloschlange, als mir jemand vom Wachpersonal zuflüstert, dass es dort hinten noch eine andere Toilette gibt.

"Nicht für die Öffentlichkeit" sagt er mir. "Sie brauchen nicht zu warten."

"Hilft der Pass auch dabei, sich nicht an der Bar anstellen zu müssen?" frage ich ihn.

"Der Pass macht Sie nicht zu Gott."

Meine Macht ist also begrenzt.

Die Riverfront Studios liegen am rechten Ufer des East River, unter der Williamsburg Bridge, und Station to Station besetzt die Lagerhalle des Studios, sowie auch das asphaltierte Gelände mit Blick auf den Fluss und Lower Manhattan. Die Menge strömt zwischen Drinnen, wo sich die Bühne und die Bar befinden und Draußen, wo du bunte Zelte erkunden und in den East River spucken kannst, hin und her.

Ich komme ein bisschen zu spät zur Party und verpasse Olaf Breunings bunte Rauchbomben-Vorführung. Aber es dauert nicht lange, bis sich etwas anderes tut. Die Kansas City Marching Cobras platzen durch die verbliebenen Schwaden von Olafs Rauchshow, haben sich mit den passenden Uniformen aufgedonnert und werden von einem Dirigenten angeführt, der sich wie Joe Cocker bewegt. Er zappelt herum, pfeift und die Band folgt ihm. Das Interessanteste daran ist wahrscheinlich die Art und Weise, wie sich die Blaskapelle in den No Ages-Auftritt integriert. Ich habe No Age schon ein paar Mal gesehen. Das ist das erste Mal, dass sie mit einer Marschkapelle aus Kansas City zusammenarbeiten.

Anzeige

Foto von Ben Gottesman

Im hinteren Teil der Lagerhalle befinden sich ein paar Rundzelte. Eines davon wirkt ganz normal, aber das andere ist offen und man sieht nur das Gestell. Da ist kein Stoff, der es abdeckt. Drinnen ist eine Gruppe, die mit Nähmaschinen Texte und Logos auf die Rückenteile von Jeansjacken näht. Ihr Arbeitsplatz wird durch ein paar kahle Glühbirnen erhellt, die von der Decke hängen. Levi's verkauft die Jacken-Unikate dann im zweiten Zelt.

Die Zelte im Freien sind größer als die ersten beiden und mit bunten Primärfarben bemalt. Das Türschild an der einen bittet mich, meine Schuhe auszuziehen. Ich lege sie auf den Schuhberg und trete ein. Der Raum ist mit Spiegeln gesäumt und voller Nebel. In der Mitte steht ein breites Bett. Eine Diskokugel hängt von der Decke. Ich setze mich hin.

Es ist alles ziemlich ruhig. Von dem weinenden Mädchen mal abgesehen.

Sie sitzt auf dem Teppichboden, mit dem Rücken gegen das hochgesetzte Bett gelehnt. Ich hatte sie nicht gesehen, als ich reinkam. Ich erinnere mich an meinenumgehängten Pass und fühle mich irgendwie verpflichtet, ihr zu helfen. Große Macht bringt große Verantwortung mit sich, oder so was in der Art. Ich beuge mich über die Seite des Bettes hinweg und frage sie, was los ist. Sie sieht zu mir auf.

"Es ist so wunderschön hier, dieser ganze Ort ist wunderschön," sagt sie. "Und No Age spielt, Ariel Pink spielt und diese Band Suicide, von denen ich dachte, sie wären schon tot, spielt—und ich bin mit meinen Freunden aus Boston nach New York gekommen, aber ich habe sie verloren und ich weiß nicht, wo sie sind—und diese Diskokugel ist so hübsch und der Nebel ist so dicht, dass ich das Gefühl habe, in einer Wolke zu sein, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Wer bist du überhaupt?"

Anzeige

Foto von Ben Gottesman

"Ich bin River, ich soll über diese Party schreiben"

Diese Antwort reicht ihr aber nicht aus.

"Aber in echt jetzt."

"Ich bin in Oregon aufgewachsen" erzähle ich ihr. "Jetzt lebe in Brooklyn. Ich schreibe, spiele manchmal Musik. Wer bist du?"

Sie blinzelt. Da ist eine Last an meine neue Macht geknüpft. Ich kann das symbolische Gewicht des Passes an meinem Hals spüren. Einen großen Druck auf meiner Schulter.

Aber dann ist das doch nur meine schwere Kamera.

"Willst du mir helfen, ein paar Fotos zu machen, während wir deine Freunde suchen?"

Sie putzt sich die Nase. "Ich fotografiere ziemlich gut. Ich habe einen Tumblr-Account."

So kommt es, dass ein weinendes Mädchen aus einem Diskozelt Bilder für meinenArtikel macht.

Gemeinsam bahnen wir, das Mädchen namens Allie und ich, uns mit dem Pass unseren Weg bis zur Bühne und sehen uns YOSHIMIO + Hasham Akira und Ariel Pinks Haunted Graffiti an.

Videos werden auf drei Bildschirmen hinter den Bands gezeigt, während sie auftreten. Die Videos von No Age und YOSHIMIO sind sehr zug-lastig und sie sind Filmen wie Koyannisquatsi zu Dank verpflichtet, jedoch werden sie bei Ariel Pinks Auftritt ein bisschen bunter und lysergischer.

Ariel Pinks Haunted Graffiti ist Allies Lieblingsband. Schnell verschwindet sie in der Menge, mit meiner Kamera, die ihr um den Hals baumelt. Ich versuche, in ihrer Nähe zu bleiben, damit sie sich damit nicht davonmacht, aber die Menge ist zu beschäftigt, um sich darum zu kümmern, wie wichtig ich mit meinem laminierten Pass bin. Ich verliere sie aus den Augen. Der Pass macht mich nicht zu Gott.

Anzeige

Allie kommt nach dem Ende der Show zurück. Sie ist verschwitzt und grinst und hat diesen wilden Blick.

"Hast du gute Fotos gemacht?" frage ich sie.

"Die Musik war so gut und auch die Videos. Ich habe total vergessen, zu fotografieren."

Zwischen den Musikauftritten von Station to Station gibt es ein paar kurze Videokunst-Stücke. Allie vertieft sich komplett in den Film The Joy of Sex von Kelly Sears, der wie aneinandergereihte rotoskopierte Porno-GIFs wirkt. Sie versucht ein paar Fotos von dem Video zu machen. Keines davon ist brauchbar.

Kurz bevor Suicide auf die Bühne gehen, gibt es eine Vorführung in der Mitte der Lagerhalle. Eine Frau steht auf Zehenspitzen, während zwei Männer auf Rollschuhen um sie herum tanzen. Mir gefällt es ziemlich gut, aber Allie sagt, es ist zu emotional, und wir gehen nach draußen.

Foto von Ben Gottesman

Suicide fangen an zu spielen. Wir sehen uns die Show an, halb im Lager und halb im Freien.

"Wo sind deine Freunde wohl hingegangen?"

"Irgendwohin," sagt sie.

Ich fange an, mir Gedanken zu machen, was passiert, wenn ihre Freunde nicht auftauchen. Ich habe schon Pläne für nach der Show, die nicht beinhalten, herauszufinden, wie man eine Fremde wieder zurück nachhause schafft.

"Wer bist du noch mal?" fragt Allie.

"Ich begleite den Station to Station-Zug ein Weile und schreibe darüber" erkläre ich ihr. Sie nickt, als ob sie es vergessen hätte und sich jetzt wieder erinnert. "Und ich soll auch fotografieren, wenn ich nicht gerade jemanden habe, der mit hilft."

Anzeige

"Hab ein paar gute Fotos für dich geschossen."

Jemand schreit aus Richtung Lagerhalle und als ich mich umdrehe, sehe ich eine Gruppe auf uns zulaufen. Sie haben alle Allies verschwitzten, wilden Blick.

"Was ist mit dir passiert?" fragt einer von ihnen Allie. "Wir waren alle zusammen indem Wolkenzelt, und dann warst du plötzlich nicht mehr bei uns."

"Ich saß in dem Diskoraum, und dann bekam ich einen Fotoauftrag und dann sah ich ein süßes Mädchen Schlagzeug spielen und dann war Ariel Pink unglaublich und dann stellte sich jemand auf die Zehenspitzen und ein paar andere fuhren mit Rollschuhen. Habt ihr das Sex-Video gesehen?"

"Das Sex-Video war super! Wer bist du?" fragt mich Allies Freund während er mich ansieht.

"Das ist—" sagt Allie während sie sich zu mir umdreht. "Wie war noch gleich dein Name?"

"Ich bin River. Ich bin Autor—."

"Ja, egal, ich sehe deinen Pass" antwortet der Freund. "Können wir gehen?"

Allie gibt mir die Kamera zurück. Ich schalte sie ein und blättere die Fotos durch. Es gibt nur so um die drei davon und alle sind schrecklich.

"Danke für deine Hilfe" sage ich ihr. "Ich schulde dir was."

"Im Levi's-Zelt gab es da diese wunderschöne Jeansjacke mit einem Büffel drauf. Dann wären wir quitt." Sie zeigt auf den Pass, der um meinen Hals baumelt.

Dann erkläre ich ihr: "Der Pass macht mich nicht zu Gott."

Im September 2013 wird ein Zug drei Wochen lang von New York City nach San Francisco fahren, dabei an neun Bahnhöfen, über das Land verteilt, Halt machen. Das Ganze wurde von Künstler Doug Aitken organisiert und Station to Station wird führende Akteure und Underground-Künstler aus der Welt der Kunst, Musik, Gastronomie, Literatur und des Films zusammenbringen, um an kulturellen Ereignissen und standortspezifischen Happenings teilzunehmen. Der Zug, der als bewegte, kinetische Lichtskulptur konzipiert wurde, wird einzigartige Inhalte und Erfahrungen für ein globales Publikum schaffen. Es handelt sich um ein Kunstprojekt für die Öffentlichkeit, das von Levi’s® realisiert wurde und als solches wird Station to Station Mittel durch Kartenverkäufe und Spenden aufbringen, um eine unkonventionelle Programmgestaltung in neun amerikanischen Partnermuseen zu gewährleisten. Macht jetzt mit unter Levi.com/makeourmark