"Touren ist wie Ernte": Schwarz-Weiß-Malen mit Trettmann
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Interview

"Touren ist wie Ernte": Schwarz-Weiß-Malen mit Trettmann

Nach dem Wahlkampf haben wir alle genug von Farben. Darum haben wir uns Trettmann vor seinem Wien-Gig gekrallt und uns von ihm straight sagen lassen, was gut und böse ist.

Es soll Menschen geben, für die Deutschrap und Trap nicht die Welt, auch nicht ein Viertel der Welt bedeutet, sondern für die all das nicht der neue Punk ist. Ich gehöre zu ihnen. Als mir aber im September jemand "Grauer Beton" zeigte, das erste Video von #DIY, dem wenig später erschienenen Album von Trettmann, hat sich meine Wahrnehmung ziemlich stark verschoben. In dem Video: Lyrische und wohltuend Ironie-befreite Texte, die von der Jugend im Plattenbau erzählen. Dazu feinste Beats und perfekt abgestimmte visuelle Ästhetik – alles fittet.

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Dass so ein Produkt nicht aus dem Nichts kommen kann, war klar. Trettmann und seine "Fam", das Berliner Kollektiv Kitschkrieg, mit der er das Album produziert hat, sind nämlich alles andere als neu im Geschäft. Vor dem Album wurden schon drei gemeinsame EPs gemacht. Nachdem ich auch die ganzen anderen Hymnen von #DIY in den letzten Wochen von morgens bis abends geblastet hab, war ich darüber sehr froh. Trettmann feiert Dancehall und Reggae-Riddims außerdem nicht erst seit 2014, sondern schon seitdem ich ungefähr zwei Jahre alt war und die Hälfte seiner Fans wahrscheinlich noch gar nicht geboren.

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Aus vielen verschiedenen Komponenten mixt er heute etwas recht Feierbares, das ich gerne "Treggae" nennen möchte. Im Frühjahr war der Autotune-Adriano Celentano schon einmal in Wien und ich weiß bis jetzt nicht, wo ich an diesem Abend war. Ich wollte den Gig im Zuge der aktuellen Tour mit Joey Bargeld und Josi Miller an den Turntables also auf keinen Fall verpassen und habe Trettmann gebeten, mir vorher ein paar Fragen zu beantworten. Statt rauem Jargon gab es Schwarz-Weiß Malerei, statt mit Moët und Sativa haben wir mit einem von Tretti persönlich gemixtem Melonen-Pefferminz-Smoothie auf den Abend angestoßen.

Noisey: Ihr habt ja gerade einen ziemlichen Run und eine ausverkaufte Show nach der anderen. Gratulation dazu.
Trettmann: Dankeschön.

Gibt es auch Schattenseiten vom Tourleben?
Das Schlimmste ist der Schlafmangel, der sich zwangsläufig ergibt. Nach ner Woche merkst du: Uiuiui, ich bin so müde, dass ich plötzlich an den merkwürdigsten Orten einschlafe. Wenn die Stimme überpowert, weil die Monitorsituation mal nicht tight genug ist, ist das auch blöd, weil man der Zuhörerschaft ja ein schönes Konzert gönnen will.

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Und was ist das Beste am Touren?
Wenn man merkt, wie das Album sackt und die Leute von Tag zu Tag die Lyrics besser mitsingen können. Das ist wie eine Ernte: Man arbeitet das ganze Jahr und dann trägt es endlich Früchte. Überhaupt gibt es zur Zeit kein negatives Feedback mehr, das ist alles sehr schön.

Aber du machst auch nicht erst seit gestern Musik. Gab es da einen ganz dunklen Moment, bevor es dann so steil bergauf ging?
Ja definitiv, das verarbeite ich auch im Intro. Es gab den einen Moment, das war bei der Single mit Megaloh, die wir – also ich und Kitschkrieg – als Hit eingestuft haben. Dann haben wir überlegt, wie viele Shows wir gebookt bekommen, wie viele Dubplates wir aufnehmen und so weiter. Aber dann haben wir gemerkt, das macht alles keinen Sinn, die Rechnung geht nicht auf. Gleichzeitig kann ich aber nichts anderes machen außer Musik. Also habe ich nicht aufgehört.

Du bist also ganz offensichtlich Optimist.
Ganz klar, ja.

Was ist denn das Beste am DIY-Konzept?
Dir kann einfach niemand reinreden und du bist niemandem Rechenschaft schuldig. Jede Entscheidung bleibt im Team. Dieser Hussle, alles selbst zu machen, das war schon immer so. Früher haben wir Mixtapes gemacht, die von Tape Deck zu Tape Deck überspielt oder Klamotten selber genäht, selber Partys veranstaltet. Als wir nach einem Titel fürs Album gesucht haben, war #DIY logisch.

Ich habe das Gefühl, dass du im Vergleich zu deinen Kollegen ein sehr anständiger Typ bist. Lieg ich da richtig? Was ist das Schlimmste, das Trettmann jemals angestellt hat?
Also das Allerschlimmste kann ich nicht erzählen.

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Die elektronische Musikszene Italiens:


Doch so arg?
Ja, haha. Ich erzähl euch das Zweitschlimmste: Ich hab mal 'ne Straßenbahn gecrasht. Ich war unterwegs und wollte Turnschuhe kaufen, musste aber noch Geld holen. Dann hab ich mir die zurücklegen lassen in dem Geschäft und bin dann mit meinem Auto über zwei rote Ampeln gefahren. Eigentlich fährt die Straßenbahn rechts, aber die zog nach links, dann bin ich da reingeknallt. Das Auto war dann um die Hälfte kürzer, aber es ist niemandem etwas passiert.

Woah! Glück gehabt.
Das Schlimme daran war, dass ich nicht geschockt war. Ich bin dann mit dem ADAC-Mann in die Stadt gefahren und hab mir die Sneakers noch geholt.

Foto von °awhodat°

In "Grauer Beton" erzählst du ja auch, dass Sneaker früher mehr wert waren als Millionen. Du bist in der DDR aufgewachsen, kannst du uns Kinder der Generation "Konsum" erklären, ob daran auch etwas positiv war?
Das ist auf jeden Fall komplex. Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich in einer nicht-materialistischen Welt aufgewachsen bin. Ich hab recht lange gebraucht, um zu begreifen, dass Geld über allem steht und es im Endeffekt keinen Weg daran vorbei gibt. Du kannst natürlich versuchen, dieses low life zu führen, aber es endet einfach immer in Sufferation. Insofern musst du einfach mitspielen. Diese Mangelwirtschaft macht aber auch erfindungsreich. Du machst dir mit Haushaltsband die drei Adidas Streifen selber und so einen Scheiß.

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Was ist eigentlich so geil an Adidas? Warum ist das deine "weapon of choice"?
Durch die ersten HipHop-Videos war das einfach schon so das Outfit, das man haben wollte. Und irgendwann habe ich die bei Adidas gefragt, ob sie mir nicht was geben wollen, für einen Videodreh. Dann meinten die: "Naja, deine Reach ist viel zu klein, aber nachdem du das schon immer trägst, geht das klar". Seitdem ist das ein so ein Family-Ding.

Wenn wir schon von Geld sprechen: Du hast die gesamte Werbung auf deinem YouTube Channel abgestellt, weil ein FPÖ-Spot vor einem deiner Videos geschalten wurde und verdienst somit auch nichts mehr damit. Ziemlich korrekt!
Das selbe ist mit der AfD auch passiert. Es ist durch die neuen Regelungen recht schwer geworden, die Werbung zu kontrollieren. Da gab es nur die Möglichkeit, sie ganz zu stoppen. Das ist für mich aber ehrlich gesagt kein Verlust. Es ist mir lieber, da Miese zu machen und dafür diesen Leuten keine Plattform zu geben.

Kommen wir von den bösen zu den guten Aspekte unseres Landes: Du warst mit RAF Camora auf Tour und hast jetzt wieder mit ihm zusammengearbeitet. Gibt es da noch andere österreichische Acts, mit denen du dir das vorstellen könntest?
Ich kenn vielleicht nicht so viele, aber ja, natürlich. Es kommt richtig viel guter Sound aus Österreich. Von Yung Hurn bis zu Crack Ignaz, und natürlich big-up Bilderbuch! Also, hallo! Da geht viel.

Wie sieht die Zukunft sonst so aus? Du hast ja schon so Prophezeiungen gemacht, die sich dann erfüllt haben. Wie zum Beispiel "Fizzle sagt, wenn wir so weiter machen, dann füllen wir im Winter Hallen.", und jetzt füllt ihr sie.
Ja, das ist komisch, wenn man vom Erfolg singt und dann stellt er sich ein. Aber ich kann nicht in die Zukunft schauen. Ich werde erstmal alles sacken lassen, was passiert ist.

Und was ist für Trettmann das Beste überhaupt?
Das Allerbeste ist oft eine Kombination aus mehreren Dingen: Herb, Mango, Äquatornähe und Liebe.

Ich bin immer froh, wenn ein Interview mit dem Wort Liebe endet. Danke!

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