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Drogen

Wer steuert Deutschlands Drogenbeauftragte?

Eine Frau im Dienst der Cannabis-Lobby?
Collage mit Foto von imago | Rainer Unkel​

Vor ein paar Wochen hatte sich Deutschlands Drogenbeauftragte Marlene Mortler im Stern darüber beschwert, dass Deutschlands Kiffer eine Art digitalen Krieg gegen sie führen. Sie jammert über "Mortler absetzen" T-Shirts und die dazugehörige Facebook-Seite und darüber, dass eine mittlerweile abgelaufene Petition auf Change.org mit über 10.000 Unterschriften ihren Rücktritt forderte. Auf Facebook habe sogar eine Seite zu ihrer Hinrichtung aufgerufen, die nach Verhandlungen mit dem Betreiber wieder offline ging. Gegenüber derZeit klagte die CSU-Frau sogar über die "brutale Argumentation der Hanflobby, die sie in 13 Jahren Berlin noch nie erlebt habe".

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Wie man in den Wald hineinruft …

Jedoch ist die CSU-Frau selbst nicht unbedingt diplomatisch, wenn es um den Dialog mit Regulierungsbefürwortern geht. So rät sie Thomas D. Von den Fantastischen Vier 2015, seine durchaus differenzierte Meinung zu Cannabis besser nicht öffentlich zu äußern, und fragt, ob er zu viel gekifft habe. Georg Wurth vom deutschen Hanfverband nennt Mortler einen "Zocker und Spieler", ohne vorher selbst persönlich angegriffen worden zu sein. Sie geht seit Jahren auf keins der zahlreichen Gesprächsangebote seitens der, wie sie sagt, "Hanflobby" ein und entzieht sich so dem direkten Austausch sachlicher Argumente. Keine Interviews, keine Treffen, kein Podium, nicht mal eine Diskussion via Skype—Frau Mortler redet eben nicht mit ihren drogenpolitischen Gegnern, sondern lieber über sie.

Aber wie zum Teufel kommt sie darauf, eine "Hanflobby" führe Krieg gegen sie? Als offizielle Interessenvertretung von Konsumenten, Grow- und Headshops ist der Deutsche Hanfverband (DHV) zwar sehr umtriebig, hat aber im Vergleich zu anderen Lobby-Organisationen ein kaum erwähnenswertes Budget. Die Aufnahme in den exklusiven Kreis von Pharma-Firmen, Autoherstellern und anderen Wirtschaftsgrößen adelt Deutschlands Kiffer schon ein wenig, stehen ihnen trotz jüngster Erfolge doch bei Weitem nicht die Mittel derer zu Verfügung, die sonst so im Bundestag Klinken putzen und, anders als die angeblichen Graslobbyisten, auch Gehör finden.

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Heimlicher Seitenwechsel?

Oder ist vielleicht alles ganz anders und gibt es vielleicht doch eine finanzkräftige Hanflobby, die Frau Mortler beauftragt hat, mit ihrer radikalen Haltung den Legalisierungsbefürwortern immer mehr Anhänger in die Arme zu treiben? Ein kurzer Check einiger ihrer Statements zu Cannabis in den vergangen Jahren stützt diese These.

Würden ein generelles Werbeverbot für Alkohol und ein einheitlich hoher Steuersatz auf alkoholische Getränke dem [Alkoholmissbrauch von Jugendlichen] nicht besser vorbeugen?
Mortler: Glauben Sie, Ihr Kind sagt, wenn Sie ihm alles verbieten: 'Ja, Mama, du hast recht.'? Unser Land will und kann kein Verbotsstaat sein. Kinder und Jugendliche müssen überzeugt werden – durch Aufklärungsarbeit und Vorbilder.

Cannabis ist aber verboten, und da glaubt man an den Erfolg?
Mortler: Cannabis ist eine illegale Droge.

(aus einem Interview von Januar 2015 in der Apotheken-Umschau)

Mortler zur Forderung von 120 deutschen Strafrechtsprofessoren, die Cannabis-Gesetzgebung zu reformieren:

"Das ist für mich eine Art Freibrief, wie zu Zeiten der antiautoritären Erziehung, wo man am Ende festgestellt hat, alles erlauben führt im Grunde genommen auch nicht zum Ziel."

Marlene Mortler 2006 zum damals geplanten Rauchverbot in Kneipen:

"Wer raucht, hört besser heute als morgen damit auf. Aber muss ich dieses Ziel mit einem Gesetz zu erreichen versuchen, das ein Klima der Angst erzeugt und Menschen gesellschaftlich ausgrenzt, die ein legales Produkt konsumieren?"

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Frau Mortler als eine Art Günter Guillaume im Bundesgesundheitsministerium? Ihr Auftrag: Die schrittweise Zersetzung des Cannabis-Verbots durch augenscheinlich radikale Lösungsansätze, die seit 40 Jahren nicht den gewünschten Erfolg bescheren und für die es selbst bei den eigenen WählerInnen wenig Verständnis gibt. Der Auftraggeber: Ein anonymer Vertreter der mächtigen Hanflobby, den es herauszufinden gilt. Doch sowohl das alteingesessene Grow!-Magazin als auch der Hanfverband bestreiten jedwede Unterstützung für die überzeugte "Cannabis-Gegnerin" aus dem Fränkischen: "Definitiv nicht", kommentiert die Grow!-Redaktion meine Anfrage, Georg Wurth vom DHV geht noch einen Schritt weiter: "Frau Mortler erhält keinerlei Zahlungen von uns für ihre Arbeit. Ich weiß auch nicht, wer dahinter steckt. Scheinbar bringt sie die Verbotsbefürworter aus eigenem Antrieb durch übertrieben unlogische Argumentation in Misskredit. Aber warum auch immer, sie macht das wirklich gut!"

Das Pharma-Untenehmen Bionorica ist Hersteller des Cannabis-Präparates Dronabinol und spendet regelmäßig an Mortlers Partei. Aber man kann man dem Unternehmen keine Bestrebungen in Richtung "Legalize it" unterstellen, bei Bionorica geht es ja ausschließlich um die medizinische Verwendung von Cannabis, die Bionorica-Chef Michael Popp zufolge "der nächste Blockbuster" werden könnte. Mit medizinischem Cannabis ist auch CSU-Frau Mortler offiziell einverstanden. Zumindest, seit das Ministerium, dem ihr Ressort unterstellt ist, aufgrund zahlreicher Niederlagen vor Gericht kaum eine andere Möglichkeit bleibt. So gerüstet kann sich die Drogenbeauftragte wieder ihrer Sache widmen und eine möglichst unglaubwürdige, phrasenhafte Position zur Aufrechterhaltung des Cannabis-Verbots präsentieren, damit die Umfragewerte zugunsten einer regulierten Abgabe immer schneller ansteigen und auch große Teile der Medienlandschaft während ihrer Amtszeit ernsthaft an ihrer Kernaussage zu zweifeln beginnen.

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Wer die Wahrheit sagt, wird gefeuert

In Großbritannien, wo die Regierung ein ähnliches Amt eingerichtet hat, machte einst David Nutt Schlagzeilen, als er eine Kehrtwende in der Drogenpolitik forderte, indem alle Substanzen unabhängig von ihrem rechtlichen Status nach ihrem Gesundheitsrisiko bewertet werden. Er wurde gefeuert, woraufhin sein Einfluss auf die Regierung und die Öffentlichkeit schwand. Das würde in Deutschland ebenso passieren, wenn eine Drogenbeauftragte Klartext redet. Zudem hat die Drogenbeauftragte zwar einen schönen Titel, aber wenig Entscheidungskompetenz. Da ist die Mortler'sche Taktik, Cannabis in den Fokus zu rücken, doch weitaus effektiver, wie die aktuelle Diskussion beweist. Deshalb sollten die Gegner und Feinde Mortlers ab jetzt innehalten, ihr ein "Weiter so" für den Rest ihrer Amtszeit mitgeben und hoffen, dass sie trotz der bösen, brutalen Kiffer noch bis 2017 durchhält.

Doch selbst wenn die Doppelagenten-These nicht stimmen sollte, hat Frau Mortler durch fachliche Inkompetenz, Unwissen und fehlendes Fingerspitzengefühl ihre politischen Gegner stärker gemacht, als sie es je waren. Dafür wird ihr eine zukünftige Hanflobby im Bundestag ewig dankbar sein.

Sachdienliche Hinweise, welche Hänflinge Frau Mortler eventuell unterstützen, werden gerne in den Facebook-Kommentaren entgegengenommen.


Titelfoto: Collage mit Foto von imago | Rainer Unkel