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It's still real to me, damn it!

It's still real to me, damn it! Die VICE Wrestling-Kolumne

Wrestling und VICE - gut geölter Scheiß!

Ho, ho, ho! Wieder mal ist Wochenende in Wien (gut, nicht nur hier, aber der Rest des Sturms hat keine Augen und ist mir daher halt ein bisschen wurscht) und wieder mal machen alle total auf AKTIV. Münder plappern, Titten kreisen, Fuffis fliegen und über allem liegt die Energie von Gewaltspaß und Partypussy. Aber nicht mit mir. Ich habe nämlich langsam genug vom ewigen Tun und deshalb beschlossen, mich stattdessen mal in Passivität zu üben. So mit die-anderen-machen-lassen und so.

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Und von euch will ich dafür bitte keine rollenden Augen sehen, nur weil euer Style euch verbietet, selbst mal die Hosen soweit runterzulassen, dass Wildfremde euch auf die Sacknaht sehen und ihr zugebt, was wir uns alle sowieso schon lange denken: Nämlich, dass die Passivität total an kulturellem Boden verliert, obwohl es in Wirklichkeit eine verdammte Kunstform ist, auch zwischen den Party-Highlights mit ein bisschen Klasse zu versumpfen. Passiv ist schließlich gut. Oder wann habt ihr in Zusammenhang mit Zukunft jemals von Aktivhäusern gehört? Eben. Passivhäuser sind der Scheiß. Zeit also, dem unterlegenen (und völlig missverstandenen) Handlungsmodus mal ein kleines Denkmal zu setzen.

Er ist immer online und trägt trotzdem nur frisch gebügelte Hemden: Jesus (rechts).

PASSIVSEIN 1: CHILLIN' WITH JESUS

Je länger ich in diese warmen, vom Pixelfeuer der Liebe entfachten Augen von Jesus schaue, umso mehr fühlt sich die Aussicht aufs Nichtstun an wie pures MDMA. Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was mein Traum von der konzentrierten katholischen Selbstkasteiung in Form von Chatten mit Jesus eigentlich mit Wrestling (oder auch Passivität oder überhaupt mit irgendwas) zu tun hat, und ich kann euch nur sagen: Ganz schön viel.

Zum einen ist Jesus für seine Fans genauso true wie Wrestling für die seinen. Zum anderen sind Wrestling und Jesus zwei ganz hervorragende Lehrbeispiele dafür, wie Passivität auf hohem Niveau aussehen kann. Im Fall von Jesus H. (= Harald) Christus heißt das: BDSM-mäßige Hingabe und Bündelung aller üblen Kräfte der Welt in der eigenen beschnittenen Schwanzsspitze. Sozusagen.

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Aber da mich Jesus außerhalb von schmutzigen Chatrooms (gibt es sowas überhaupt noch?) nicht so richtig interessiert und Wrestling einfach die besseren Superhelden hat (der Undertaker ist ein viel coolerer Untoter als Jesus Christus!), zeige ich euch lieber, wie unsre allerliebste Sports Opera mit dem Thema umgeht.

Wenn man sich auf Passivität nicht einlassen kann, ist man dann passiv gegenüber Passivität?

PASSIVSEIN 2: I CAN TELL FROM THE WAY YOU SELL

Im Wrestling gibt es ein altes Sprichwort, das besagt, die größte Kunst ist es, selbst einen Besenstiel im Ring gut aussehen zu lassen. Diese Fähigkeit, seinen Gegner ins rechte Licht zu rücken, nennt sich "Selling" – wie in: die Stärken des anderen gut verkaufen – und ist so etwas wie der Initiationsritus des Business'. Ein reflektierter Wrestler kann nur sein, wer gelernt hat, dass man Moves nicht einfach mit sich machen lässt, sondern es in Wahrheit harte Arbeit ist, Moves so aussehen zu lassen, als würden sie einen zerficken.

Insofern ist das Besenstiel-Gleichnis für mich die perfekte Analogie auf Passivität im Allgemeinen und zieht genau die Trennlinie zwischen "Ich mach heut Abend nichts, ich nehm mir lieber die Ingmar Bergman-Box vor" und "Warum ist es schon wieder dunkel, ich hab doch nur kurz Tumblr durchgescrollt".

Das härteste Video-Beispiel für richtig bordsteinbeißerisches Selling kommt – natürlich – aus Japan und zeigt relativ anschaulich, wovon zur Hölle ich eigentlich rede. Dort geht der Spruch mit dem Besenstiel anscheinend ein bisschen anders und hat nach einer ordentlichen Nippon-Behandlung plötzlich eher mit Sexpuppen zu tun, aber die Idee ist immer noch sichtbar, finde ich:

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Wie bei allem kann man es aber auch beim Selling übertreiben (ja, noch mehr) und damit das Konzept des unsichtbar-passiven Hilfestellers, der nur im Dienste des Flows handelt, ganz arg ad absurdum führen. Übertragen auf den Alltag wäre das dann wohl in etwa so, wie wenn man 36 Stunden lang einen lidspreizenden Cockwork Orange hinlegt und solange Bergman schaut, bis die Augäpfel vor Vertrocknung ganz rissig werden und drauf los bluten. Davon hab ich glücklicherweise kein Video. Von übermotivierten Selling-Momenten (inklusive Hulk Hogan vs. Shawn Michaels, oh the beauty!) aber schon:

Keine Ahnung, ob das alles irgendwie Sinn macht und ob ein paar biegsame Stuntmen mit agressiver Tanz-Attitüde mich dieses Wochenende wirklich von gröberen Exzessen da draußen abhalten werden. Aber zumindest gebe ich mir diesmal wirklich Mühe, es mit meinem alten Religionslehrer zu halten, der immer sagte "Du verpasst nur was, wenn du dauernd glaubst, dass du was verpasst" – und vielleicht ist es ja genau dieses "Living for the moment"-Motto, das man sich von all den motivierten Wrestlern abschauen kann. Ich glaube, ich sollte mir das Selling-Video gleich noch mal ansehen, nur diesmal mit Achtziger-Powermucke. Durchbeißen, reinhängen, nichtstun, überleben. Das ist zwar nicht exakt das Thema, um das es bei all dem Jesus-Scheiß geht, aber doch das Nächstbeste dazu, das man als Mensch wie ich, der keine gebügelten Hemden zum Surfen trägt, hinbekommt.

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Und zum Schluss, wie es sich gehört, die Synthese aus beiden Welten, die dann entsteht, wenn sich ein paar geläuterte Midwest-Fundis ihren Bible (Wrestling) Belt enger schnallen und beschließen, dass ein bisschen rustikal-rurales 'Rassling der beste Weg ist, um dem Heiland die gebührende Dankbarkeit zu zeigen. Irgendwas einfach. Ich bin dann mal weg, einen passiven Cocktail trinken. Aber nur einen. Mahalo!

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