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Zuerst Pornos, jetzt Extremismus: Großbritannien weitet seine Web-Zensur aus

Britische Beamte bekommen von Google Zugang zu einem speziellen „Super-Flagger“ um extremistische Videos auf YouTube als unangemessen markieren zu können.
Bild: Shutterstock/Piotr Adamowicz

Die britische Regierung weitet ihr Arsenal an Online-Werkzeugen aus, mit dem sie so ziemlich alles zensieren möchte, was ihr nicht genehm ist. Die neueste Maßnahme geht über die bestehenden, kontroversen und inzwischen im großen Stil angewendeten Provider-Filter hinaus—die schon länger ihren verdienten Spott abbekommen. Der jüngste Schritt zielt diesmal nicht auf Pornographie sondern auf Extremismus. Und diesmal arbeitet die Regierung nicht mit den Internet-Provider sondern mit Google zusammen.

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Die Financial Times berichtet, dass der Technologiegigant britischen Sicherheitsbeamten spezielle Erlaubnisse erteilt hat, um YouTube-Videos zu „flaggen", also als unangemessen zu markieren. Der Status als „Super-Flagger" erlaubt es den Behörden Inhalte auszuwählen, die das Unternehmen dann sofort überprüft. Und die Beamten müssen sich auch nicht die Mühe machen einzelne Videos zu finden, sondern können gleich ganze Berge an Inhalten auf einen Schlag markieren.

In Frage stehen Videos, die die nationale Sicherheit gefährden könnten. Ein besonderer Fokus liegt auf dschihadistischen Inhalten rund um den Syrienkonflikt; als Reaktion auf die Bedenken, dass noch mehr britische Bürger sich dem Extremismus zuwenden könnten, während jetzt schon hunderte das Land für den Kampf in Syrien verlassen haben.

Großbritannien hat bereits seine Bemühungen verschärft mit legalen Mitteln gegen extremistische Inhalte vorzugehen, die gegen das Gesetz verstoßen. Die Financial Times berichtet, dass alleine in den vergangenen acht Wochen 8.000 Löschungen zugestimmt wurde—im Vergleich zu lediglich 21.000 Löschungen im Lauf der gesamten vergangenen vier Jahre.

Aber der Hauptunterschied zwischen diesen Aktionen und den neuesten Maßnahmen auf YouTube besteht vor allem darin, dass die betroffenen Videos nicht immer illegal sein werden.

Innen-Staatssekretär James Brokenshire gab gegenüber der Financial Times an, dass sein Büro bereits daran arbeite mehr zu tun, um gegen Inhalte vorzugehen, „die nicht unbedingt illegal aber definitiv geschmacklos sind, und die nicht dem entsprechen könnten, was die Menschen sehen oder empfangen wollten."

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Die Regierung möchte hier also einen entscheidenden Schritt weitergehen als bisher—was definitiv ein rotes Tuch für all diejenigen sein dürfte, die sich Sorgen um Privatsphäre und Internet-Freiheit machen. Google selbst dürfte dabei vermutlich vollständig im legalen Rahmen verbleiben mit seinen Entscheidungen, was es auf seinen Seiten erlaubt und was nicht—selbst wenn das auch hier angesichts seiner herausstechenden Web-Position einen faden Beigeschmack hat. Aber sollte die Regierung wirklich eine Entscheidungsgewalt oder ein Mitspracherecht haben, wenn sich die Inhalte im legalen Rahmen bewegen?

Es sollte betont werden, dass Google nach wie vor das letzte Wort darüber haben wird, ob es tatsächlich Inhalte löscht oder nicht—aber den staatlichen Beamten zu erlauben in diesem Ausmaß mitzumischen, könnte auch als Zeichen gedeutet werden, dass Google allmählich auf den Kurs der Regierung einschwenkt, die versucht Internet-Unternehmen mit an Bord zu bekommen auf ihrer Mission zu überwachen, was die Bürger sehen können und was nicht. Bei den bisherigen ISP-Filtern, die auch jetzt schon illegale extremistische Inhalte blockieren, gibt es immerhin noch die Möglichkeit die Sperren zu umgehen.

Noch beunruhigender ist jedoch, dass Brokenshire auch andeutet, dass sein Ministerium sich an weiteren neuen Methoden versuchen könnte. Er möchte herausfinden wie Suchmaschinen und Soziale Medien ihre Algorithmen ändern könnten, um die Darstellung von „geschmacklosen oder widerlichen" Inhalten einzuschränken. Eine solche Maßnahme dürfte von den Technologieunternehmen vermutlich ziemlich kontrovers aufgenommen werden und es würde jede Menge Fragen aufwerfen, was die Verantwortung von Web-Unternehmen angeht: Sollten sie zuständig sein für das Festlegen von Geschmack und entscheiden, was als „zu extrem" zu klassifizieren ist, selbst wenn es vollkommen legal ist? Oder sind sie nicht auch in der Pflicht sich für ein offenes Netz einzusetzen und das Maß an Regierungseinmischung zu begrenzen?

Während Google schon ein ähnliches Programm betreibt, mit dem es seine Suche frei von kinderpornographischen Bildern hält, bleibt auch hier noch das Problem, dass „geschmackloses" Material etwas ganz anderes sein kann, als Inhalte, die das Gesetz brechen—unabhängig von der Frage, wievielen Leute die Idee von extremistischen Inhalten im Netz nicht gefallen mag.

Und dann ist da immer noch das Problem der Effizienz. Wenn wir die bisherigen Regierungsbemühungen gegen Kinderpornographie einmal ernst nehmen und danach urteilen, dann dürften sich große Löcher in den neuen Ansätzen auftun. Der größte blinde Fleck wäre wohl fürs erste, dass neben YouTube auch noch andere Videodienste gibt.