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Popkultur

Amazon um einen Haufen Kohle bescheißen – Der neueste Millennial-Trend?

"Für die meisten Menschen sind 230.000 Dollar viel Geld, den Börsenkurs von Amazon dürfte das aber nicht beeinträchtigen."
Stockfoto eines Millennials und Amazon-CEO Jeff Bezos
Links: Ein Stock-Millennial | Foto: Uwe Krejci | Getty Images || Rechts: Jeff Bezos | Foto: Alex Wong Getty Images

Mag sein, dass der CEO das Charisma eines Bond-Bösewichts ausstrahlt. Die Arbeitsbedingungen in den Warenhäusern sind wirklich unzumutbar und, ja, das Unternehmen ist definitiv schuld am schleichenden Tod des Einzelhandels. Aber verdammt: Amazon ist einfach so unfassbar praktisch. Keine Kassenschlangen, alles da und 24/7 geöffnet, ohne dass du deinen Hintern aus dem Bett bewegen musst. Eine weitere Annehmlichkeit Amazons, das äußerst kundenfreundliche Umtausch- und Rückgaberecht, wird aber momentan von einer Gruppe Cyber-Krimineller ausgenutzt.

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Natürlich musste sich der Onlineversand auch in der Vergangenheit mit Betrugsfällen rumschlagen. Aber die Häufung in letzter Zeit suggeriert, dass der Marktführer ein besonders beliebtes Ziel geworden ist. Bei den Gewinnen, die Amazon einfährt, wirken selbst sechsstellige Summen verschwindend gering.


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Joseph Sides aus Boca Raton, Florida, dürfte das auch so gesehen haben. Der 24-Jährige muss sich jetzt vor einem Gericht wegen Überweisungsbetrugs, Postbetrugs und bandenmäßigem Postbetrug verantworten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, Waren fälschlicherweise als beschädigt, defekt oder nicht zugestellt reklamiert und dafür Ersatz oder den Einkaufspreis erhalten zu haben – ohne die beanstandeten Gegenstände wieder zurückzuschicken.

Sides soll Amazon auf diese Weise um rund 230.000 US-Dollar, etwa 200.000 Euro, in Elektrogeräten – darunter Spielkonsolen, Zubehör und eine GoPro-Kamera – betrogen haben. Möglich wurde das durch gefälschte Kundenkonten mit entsprechenden E-Mail-Adressen, gefälschten Lieferadressen und eine Reihe nichtgenannter Komplizen. Sides soll 501 falsche Amazon-Konten erstellt haben, mit denen er zwischen März 2016 und Juni 2018 bei insgesamt über 1.200 Bestellungen 821 erfolgreiche Anträge zum Warenaustausch, Erstattungen oder anderen Zugeständnissen stellte.

Erst vergangenes Jahr bekannte sich ein Paar aus Indiana vor Gericht schuldig, Amazon um 1,2 Millionen US-Dollar geprellt zu haben. Sie hatten 2.700 Umtauschwaren ergaunert, vor allem Elektrogeräte. Der Mann wurde zu 71 Monaten Gefängnis verurteilt, die Frau zu 68 Monaten. Die Höchststrafe für Joseph Sides Betrügereien liegt bei 20 Jahren, je Betrugsfall.

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In gewisser Weise, sagen Experten, seien die Amazon-Scams lediglich eine Weiterentwicklung des klassischen Kaufhausbetrugs: "Früher hätte man was in einem Kaufhaus geklaut, wäre damit zu einer anderen Filiale der gleichen Kette gegangen und hätte den Gegenstand dort zurückgegeben", sagt Michael Benza, ein Strafrechtsdozent der Case Western Reserve University. "Es ist die gleiche Masche, nur digital."

Laut Benza fallen diese Art von Betrügereien normalerweise nicht auf, bis sich die Reklamationen ungewöhnlich hoch stapeln.

"Für die meisten Menschen sind 230.000 Dollar viel Geld, den Börsenwert von Amazon dürfte das aber nicht beeinträchtigen", sagt er. "Wenn allerdings eine sehr große Kundengruppe bei Amazon damit anfängt, geht dem Unternehmen viel Geld flöten. Ich kann mir vorstellen, dass Amazon sich hier eingeschaltet hat, um Cyber-Kriminellen eine Warnung zu schicken."

Der Jurist vermutet, dass Amazon den Ermittlern Daten zur Verfügung gestellt hat, um Sides zu überführen. Zwar äußerte sich ein Unternehmenssprecher nicht, aber die Ermittler erwähnten in ihrer Pressekonferenz, von der Firma unterstützt worden zu sein. "Trotz seiner gefälschten E-Mail-Adressen und zahlreicher Versandadressen konnte Amazon ihn ausfindig machen", erklärt Benza. "Irgendwas an seinem Vorgehen muss dem Händler aufgefallen sein."

Laut Anklageschrift waren zahlreiche E-Mail-Adressen unter Sides Namen eingerichtet worden. Darüber hinaus verwendete er Geschenkkarten, Prepaid-Kreditkarten und Debit-Karten für die Zahlung. Wahrscheinlich, um seine Identität zu verschleiern. Paketdienste wie UPS ließ er die Gegenstände dann an Filialen und modifizierte Adressen schicken, wo er und seine Komplizen die Pakete in Empfang nahmen. Anschließend soll Sides die Waren auf eBay, Craigslist und anderen Online-Plattformen weiterverkauft haben.

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Rod Soto, Forschungsleiter des Cybersecurity-Unternehmens Jask, sagt, die Online-Rückgabe-Masche sei mittlerweile eine der am schnellsten wachsenden Betrugsformen im Internet. "Es gibt ein paar besonders ausgeklügelte Gruppen, die im Darkweb Programmier-Skripte kaufen, mit denen sie das Erstellen von falschen Profilen automatisieren und bestimmte Waren verfolgen können", sagt Soto. "Es ist viel einfacher, eine Person zu fassen, als 30 Menschen, die zu unterschiedlicher Zeit Bestellungen aufgeben und sie an verschiedene Adressen, manchmal auch in unterschiedliche Länder schicken lassen."

Cybersecurity-Experte Tom Kellerman sagt, dass es wegen der falschen E-Mail-Adressen und anderen Identitäts-Verschleierungstechniken nicht immer einfach sei, erfolgreich gegen die Diebe im Netz vorzugehen. "Weniger als fünf Prozent der Cyber-Verbrechen kommen vor Gericht", schätzt er. "Wir sehen allmählich immer mehr kriminelle Organisationen, die künstliche Intelligenz nutzen, um die Analyse-Tools und Algorithmen von Amazon zu umgehen."

Trotz allem dürften die zahlreichen Betrugsfälle das Unternehmen kaum jucken. Im Juli erst gab der Versandhändler einen Gewinn von 2,5 Milliarden US-Dollar für das zweite Quartal 2018 bekannt – das mit Abstand beste Ergebnis in der Firmengeschichte.

"Was Amazon selbst angeht, so ist der Versandhandel nicht die Haupteinnahmequelle des Unternehmens. Mit Amazon Web Services wird das große Geld gemacht ", sagt Soto. "Die Firma kalkuliert geringe Verluste durch Betrug oder Missbrauch seiner kulanten Umtauschregelung ein. Diese werden auch von der gigantischen Menge an Verkäufen dort aufgefangen."

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