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Bis so guet

Rentner greifen zur Knarre

Die Alten werden in unserer Gesellschaft irgendwie nicht mehr gebraucht und drehen deshalb auf ziemlich dramatische Weise durch.

In letzter Zeit fällt auf, dass Rentner reihenweise durchdrehen. Da erwürgt einer seine Ehefrau im Streit, ein anderer ballert Polizisten über den Haufen, bevor er sich tagelang ein Katz und Maus Spiel mit den Einsatzkräften gibt, ein dritter tapeziert vor 1500 Zuschauern einen Altar mit seiner Gehirnmasse.

Von Selbstmordfahrten auf Parkplätzen über Attentate auf Politiker bis hin zum schlichtem Kollektivselbstmord aus wirtschaftlicher Not, ist die Palette der Ü60-Verzweiflungstaten in Mitteleuropa recht breit. In diesem Kontext sind Unternehmungen wie „Rent-a-Rentner" als gutgemeinter Versuch zu verstehen, der sicher auch was bringt, wenn auch nur ein Rentner das Vetterli Gewehr deswegen im Schrank lässt und halt mit Kindern in den Zoo, statt bewaffnet auf einen Kirchturm spaziert.

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Wir in Zentraleuropa finden nun mal Jugend super. Alter, Tod und Zerfall dagegen nicht besonders. Wir versuchen jung zu bleiben, den Jungen Zeug zu verkaufen und jung sind unsere Helden in „Film und Fernsehen". Dumm ist deshalb, wenn du nicht mehr jung bist. Dann bist du nämlich nicht mehr die „Kernklientel". Zuerst will dich kaum noch jemand ficken, später bist du (Rentner) eine Belastung, die dem jungen dynamischen Arbeitstätigen auf der Tasche liegt. Du fällst also fast gleichzeitig aus beiden Houellebecqschen Hierarchien: Sexualität und wirtschaftlicher Erfolg.

Zu einem meist etwas späteren Zeitpunkt pinkelst du dich dann in unregelmäßigen Abständen selbst voll oder du hast Bettflucht, Alzheimer, überall und immer Schmerzen, den grauen Starr und Ähnliches. Drogen machen dich bestenfalls normal oder bringen dich um. Ich stelle mir das jedenfalls so vor: Es ist wie andauernd krank sein und dazu einen extrem üblen Kater haben, aber im Quadrat (das auf Englisch "square" heißt und dir damit auch gleich die Antwort auf die Frage mitliefert, was du im Kern deines Wesens ab 60 wirklich bist).

Gleichzeitig werden die Alten immer mehr und besser versorgt. Sie sind „rüstiger", leben länger und das auch noch aktiver. Man rüstet die Rentner also auf und setzt sie dann in eine Umwelt, in der sie eigentlich niemand will. Die Rente ermöglicht selten mehr als ein Existenzminimum, keine Weltreisen. Kaum ein Arbeitgeber schätzt Jahrzehnte Berufserfahrung über Jugend, weil der Beruf sich eh alle paar Jahre der technischen Entwicklung anpasst, zudem sind junge Mitarbeiter belastungsfähiger und billiger. Aus denselben Gründen sind auch Rentner-Meinungen nicht besonders gefragt; was bringt es uns zu wissen wie man dieses oder jenes vor der Entwicklung des Internets gelöst hat? Nichts, denn das Internet ist ja da. Du hast eine lehrreiche Geschichte aus den Kriegsjahren auf Lager? Cool, ich google das mal. Nickelodeon und Tagesschulen nehmen den „ausrangierten" Semestern dann auch zunehmend die direkten familiären Aufgaben ab. Kurzum: Die mitteleuropäische Gesellschaft „baut" nicht mehr auf die Alten, begehrt sie wenig und hat kaum Interesse an deren Meinung. Sie werden also genau soweit wieder hergestellt, dass sie bei vollem Bewusstsein mitbekommen, dass sie total ungewollt sind. Nicht weil sie grundsätzlich nicht mehr fähig wären, sondern einfach weil sie alt sind. Logisch knallen die durch.

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Uns bleiben also eigentlich nur zwei Lösungsmöglichkeiten um diesem andauernden Amokpotenzial des Lebensherbstes zu begegnen: Entweder wir integrieren unsere Alten wieder in unsere Kultur oder Soylent Green. Bis dahin feiern wir das Leben und die Jugend an folgenden Gelegenheiten:

Donnerstag:

Geht`s ins Hive ausnahmsweise schon um 18 Uhr, da findet die Vernissage von Sven Marquardt (Fotograf und Türsteherlegende vom Berghain) statt. Danach spielt Forrest (2020 Vision/London) an der Neon.

Freitag:

Schauen wir uns am Z am Park nach einer geeigneten Sitzgelegenheit für unsere Grosseltern um.

Danach geht's „Auf und davon" in die Zukunft mit Peter Kruder.

Samstag:

Gehen wir ans Vorstadtsounds-Festival mit: "My Name is George", "The legendary Lightness", „Jimi Jules Live" und vielen anderen.

Und/oder du gehst essen, idealerweise beim infamen „Störkoch" Vale Fritz, dieses Wochenende ist er in Schaffhausen.

Und ja wir verlosen Tickets dort, wo sie gebraucht werden, einfach eine Mail mit dem Titel „Soylent Green" und einer Begründung an: till@viceland.ch