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Reisen

Mein Date mit der Awtomat Kalaschnikowa

Waffen töten keine Menschen, nur Menschen töten Menschen. Aber ab und an löst sich ein Schuss auch von alleine und bringt dann jemanden um.

Gutmenschen und alle mit einem übersteigerten Moralempfinden dürfen ab hier gerne aufhören zu lesen, denn ich selbst zähle mich nicht zu diesen Gruppen und nehme deshalb auch keine Rücksicht auf euch.

Es gibt wohl keine Waffe auf der Welt, die ikonischer ist als die Kalaschnikow. Seit ihrer Einführung 1947 gab es keinen Konflikt auf diesem Planeten, in dem sie nicht zum Einsatz kam. Sie ziert das Wappen von prosperierenden Ländern wie Mosambik, Simbabwe und Osttimor, und die vier Minarette der Umm-al-Qura-Moschee, der größten Moschee Bagdads, sind dem Lauf einer AK nachempfunden. Trotz ihres Status als Ikone muss gesagt werden, dass man bei der Kalaschnikow von einer grässlichen Massenvernichtungswaffe sprechen muss. Kein Gerät, das die Menschheit jemals konstruiert hat, hat mehr Elend und Verderben auf der Welt angerichtet als dieses Stück Metal, das auch dann noch Feuer und Tod spuckt, wenn man mit einem Panzer darüber rollt. Ich kenne die verheerende Wirkung von Waffen. Ich weiß, dass ihre Kugeln faustgroße Austrittswunden reißen und dabei alles in ihrem Weg in rosa Nebel verwandeln. Ich weiß zudem auch, wie ungut es sich anfühlt, wenn über den eigenen Kopf hinweg Kugeln fliegen. Ich kenne das Elend, das sie auf dieser Welt verursachen und mir ist das alles bewusst, aber ich bin kein Hippie. Wenn man mir also eine Waffe in die Hand drückt und mir die Möglichkeit gibt, selbst den Abzug zu betätigen, um eine Zielscheibe zu perforieren, dann stellt sich für mich kein moralisches Dilemma, sondern nur die Frage: Wie viele Kugeln habe ich im Magazin? In Riga, Lettland, bot sich mir diese Chance. Obwohl es auch dort nicht absolut legal ist, einfach ein Sturmgewehr in die Hand zu nehmen, öffnen sich durch die ein oder andere Barzahlung einige Waffenschränke. Der Waffenschrank, den ich mir aussuchte, gehört Svetlana (Name auf ihren Wunsch von der Redaktion geändert), einer Schützenkönigen der früheren UdSSR, die an mehreren Olympiaden teilnahm und die mir nun in einem Bunker unter einem Fußballplatz für umgerechnet 50 Euro verschiedene Waffen in die Hand drückte. Von Pistolen der Marke Makarow über die Glock bis zu Pump Action Shotguns und eben auch der AK bekommt man bei ihr gegen Bezahlung alles.

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Auch wenn es nicht komplett legal ist, aber wer um alles in der Welt ist denn schon bitte dumm genug, diese ausgebildete Scharfschützin aus ihrem mit Munition und automatischen Waffen gefüllten Betonbunker herausholen zu wollen?

Als erstes streckt mir Svetlana die Makarow entgegen, die Pistole russischer Bauart, die der Walther PP nachempfunden wurde, der Weapon of Choice von James Bond. Das kalte Metall in meiner Hand fühlte sich irgendwie gut an, doch als ich versuchte, Kimme und Korn in Einklang zu bringen und die Zielscheibe, die einen Entführer mit seinem wehrlosen Opfer zeigte, ins Visier zu nehmen, bemerkte ich, dass ich am Abend zuvor wohl den einen oder anderen Wodka zuviel hatte. Die Waffe schwankte in meiner Hand, oder vielleicht war es auch immer noch ich selbst, der schwankte, aber bevor ich das analysieren konnte, drückte ich bereits den Abzug. Funken und Patronenhülsen flogen aus dem Stück Metal in meiner Hand, während ich ohne wirklich darüber nachzudenken, ein gesamtes Magazin in Richtung des Typen mit seiner Skimaske und seiner blonden Begleitung pumpte. Leider traf ich bereits mit meinem ersten Schuss die Geisel direkt in ihr Auge. Es herrschte betretenes Schweigen.

Als nächstes war die Glock an der Reihe. Ebenfalls eine Waffe im Kaliber 9mm, aber komplett aus Plastik gefertigt. Diese in Deutschland produzierte Pistole wird vor allem von amerikanischen Polizisten und der deutschen GSG9 eingesetzt und liegt sehr leicht in der Hand. Man hat nicht einmal das Gefühl, eine Waffe zu halten, sondern eher ein Spielzeug. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie dachte ich mir, während ich ein weiteres Magazin leerte und kaum einen Rückstoß spürte: „Was für eine Mädchenwaffe.“

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Mehr Testosteron versprühte dann jedoch die Remington 870, eine Pump Action Shotgun, die mir von Svetlana mit den Worten „Hasta la vista, Baby“ überreicht wurde. Betätigt man bei dieser Kanone den Abzug, dann explodiert um einen herum die Welt. Es ist ohrenbetäubend laut und der Rückstoß so gewaltig, dass man dadurch ein Hämatom an der Schulter davonträgt.

Schließlich stand die Königsklasse an. Die Awtomat Kalaschnikowa Modell 101. Die aktuelle Exportversion der klassischen AK im Kaliber 5,56 x 45 mm NATO. Eine extrem gruselige, doch gleichzeitig auch elegante Waffe. Sie liegt trotz ihrer 3,4 Kilo ergonomisch an der Schulter und ohne sie jemals zuvor in der Hand gehabt zu haben, weiß man, wie man sie zu bedienen hat. Sie ist simpel und auf das Notwendigste reduziert. Ein langer Sicherungshebel, den man mit der gesamten Hand bedienen muss und der gleichzeitig für die Auswahl der Feuermodi zuständig ist, befindet sich an der rechten Seite. Darüber liegt der Hebel, mit dem das Gewehr mit dem AK-typischen „Kratscccchhhhh“ durchgeladen wird. Der Abzug hat keinen Druckpunkt, man muss ihn vollständig durchdrücken, bevor die Kugeln wie Donnerschläge mit 700 Metern pro Sekunde aus der Mündung schießen. Ich bete natürlich dafür, dass ich niemals in eine Notlage gerate, in der ich aus anderen Gründen als zum reinen Zeitvertreib eine Waffe in die Hand nehmen muss, geschweige denn, diese auf eine Person richten, da ich ja sowieso danebenschießen würde, doch wenn demnächst irgendwo auf dieser Welt ein feiernder Pöbel aus Freude mit AKs in die Luft ballert, dann wünsche ich mir eine Einladung zu dieser Party.

Fotos: Grey Hutton