
Im Nahen Osten gibt es immer noch eine ganze Menge solcher kleiner, obskurer Glaubensgemeinschaften, die alle nach ähnlichem Muster entstanden sind: Irgendwo schart ein spiritueller Führer eine Anhängerschaft um sich und verkündet eine Lehre, die etwas zu sehr von der dominierenden Religion seiner Gegend abweicht. Meistens dauert es nicht lange, bis die Gemeinschaft der Ketzerei bezichtigt wird und sich in einer möglichst unzugänglichen, abgelegenen Gegend verstecken muss. Die nächsten paar Jahrhunderte verbringt sie in der Isolation dann damit, ihre Lehre immer komplizierter und abwegiger zu machen, so dass ihre Nachbarn sie endgültig für fehlgeleitete Irre halten, die aber sehr guten Ziegenkäse machen können.Die Jesiden haben sich vor allem in den Bergen des Nordiraks niedergelassen, wo es nach manchen Schätzungen bis zu einer halbe Million von ihnen gibt. Besonders viele haben sich in den Bergen um die Stadt Sindschar (kurdisch: Shengal) angesiedelt, die ca. 110 Kilometer von der Großstadt Mossul in Richtung der syrischen Grenze liegt.

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Trotzdem haben die Jesiden kaum Hilfe von Seiten des irakischen Staats zu erwarten, dessen Armee selbst genug Probleme hat, die ISIS am Sturm auf Baghdad zu hindern. Die Peshmerga verzeichnet zwar seit vorgestern erste Erfolge bei der Rückeroberung der verlorenen Gebiete. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind immer noch sind rund 40.000 Jesiden auf dem Berg Sindschar eingekesselt. Bei 40 Grad Celsius verstecken sie sich hier vor den Islamisten. Jeden Tag verdursten mehr Kinder und Alte im öden Bergland, während die Nahrungsmittel immer knapper werden.
Bis jetzt sieht es auch noch nicht so aus, als würde die internationale Gemeinschaft ihnen zur Hilfe kommen, obwohl jesidische Wortführer auf der ganzen Welt verzweifelt versuchen, auf den drohenden Genozid an ihren Glaubensbrüdern in Sindschar aufmerksam zu machen. Unicef und ein paar Hubschrauber der irakischen Armee versuchen, die Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu versorgen. Aber die Familien brauchen vor allem Schutz vor den Todesschwadronen der ISIS.Sollten die Peshmerga sie nicht schnell genug freikämpfen, haben die Jesiden wenig Aussicht, dass ihnen jemand anderes militärisch zu Hilfe kommt. Obwohl man in dem Gelände mit ein paar gezielten Luftschlägen auf die Positionen der ISIS eine Menge erreichen könnte, ist es unwahrscheinlich, dass die Amerikaner unter Obama sich auf eine derartige Intervention einlassen. Immerhin werden die Peshmerga wohl schon unter der Hand von den USA bewaffnet, um ihnen einen Vorteil gegen die ISIS zu verschaffen. Ob diese Hilfe für die Jesiden auf Berg Sindschar jedoch rechtzeitig genug kommt, werden die nächsten Tage zeigen.#ISIS to the 40,000 people of #Sinjar "Choose between dying of thirst on the mountains or get slaughter by us" pic.twitter.com/DkH9xhLZGM
— ShiaⒺAli (ر) (@kassamally) 7. August 2014