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Wie es die Präsidentschaftskandidaten mit der Religion halten

Wie religiös dürfen Präsidentschaftskandidaten sein? Welchen Einfluss hat ihr Glaube auf ihr Handeln? Und wie stehen sie generell zum Verhältnis von Staat und Religion?
Header via flickr via Michael Mayer | Kreuz / Hocheck

Im April, jedenfalls aber in einer Stichwahl im Mai, wählen die Österreicherinnen und Österreicher einen neuen Bundespräsidenten oder Bundespräsidentin. Dabei wird für einige Wähler auch die Frage nach dem Glauben der Kandidaten eine Rolle spielen. Wichtiger wird aber für viele sein, wie sehr ein Kandidat seine religiöse oder nicht-religiöse Überzeugung in die Politik übersetzt.

Gerade wenn Religion als Privatsache begriffen wird, ist diese zweite Dimension, des Einflusses—egal ob persönlich oder organisatorisch—von Religion auf Politik der wesentliche Aspekt. Trotzdem darf die Theorie hier nicht unbeleuchtet bleiben, denn organisierte Religion ruht ja nicht wie irgendein Sportverein politisch anspruchslos in der Gesellschaft. Vor allem die großen Religionen sind mit eigenen Rechtssystemen und Handlungsanleitungen für das aus ihrer Sicht gedeihliche Zusammenleben ausgestattet. Sie stehen damit auch manchmal im Widerspruch zum gesetzlichen Rahmen.

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Noch immer gibt es praktisch keine Staaten, die tatsächlich dem Prinzip der Laizität (Trennung von Staat und Religion, Religion ist Privatsache) folgen. Die meisten Länder praktizieren ein synkretistisches Staatsreligionen-Modell, in dem Religion generell bevorzugt wird und die traditionelle(n) Religion(en) eine besondere Stellung haben. Österreich ist mit 16 anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und seinen gesetzlichen Binnenprivilegierung für die christlichen Religionen sowie weiteren Sonderrechten der römisch-katholischen Kirche ein prototypisches Beispiel dafür.

Wie stehen jetzt also die Kandidatin und Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten diesem System mit ihrer (religiösen) Weltanschauung gegenüber?

Zur Beantwortung dieser Frage sollen hier die sechs Bewerber für das Amt—Griss, Hofer, Hundstorfer, Khol, Lugner, Van der Bellen—anhand leicht auffindbarer Äußerungen verglichen werden. Sie sollen aber nicht auf einzelne, lang vergessene und möglicherweise zugespitzte Formulierungen reduziert werden; wichtiger sind Statements, die sich durch diverse Suchmaschinen leicht für den interessierten Wähler finden lassen.

Inhaltlich interessant sind dabei vor allem zwei Fragen: 1. Woran glaubt der Kandidat? Und 2. Welchen Einfluss hat es auf sein Handeln? Also: Wie steht er generell zum Verhältnis von Staat und Religion? Begreift er Religion als Privatsache, indem er Religion bewusst aus der Politik herausnimmt?

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Andreas Khol: Der Pragmatiker, der gern Hardliner wäre

Das ist Sehertreue. Andreas Khol geht jeden Sonntag in die Kirche, außer die Pressestunde hat einen guten Gast. — Martin Thür (@MartinThuer)18. Januar 2016

Wenn es um das Verhältnis zwischen Religion und Staat geht, hat sich Andreas Khol bekanntermaßen schon oft exponiert. Khol positioniert sich als katholischer Konservativer und bezeichnet sich auch selbst so. Der ehemalige Nationalratspräsident hat wiederholt sein Sendungsbewusstsein mit der Forderung zum Ausdruck gebracht, „Gott" möge in die Verfassung aufgenommen werden und zwar mit folgendem Hintergrund: „Für mich ist ganz klar, dass der staatliche Gesetzgeber gegenüber einer höheren Autorität verantwortlich ist."

Diese Aussage kollidiert natürlich mit dem Fundament der Demokratie, die in Artikel 1 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes normiert ist: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Bedeutet das, Khol könnte ein Problem mit Demokratie an sich haben? Wahrscheinlich nicht, denn er weiß sich natürlich zu winden: „Nicht alles, was der Nationalrat als Verfassungsgesetz beschließt, kann in einer naturrechtlichen oder vom kategorischen Imperativ geprägten Ordnung Bestand haben. Es ist zwar Recht im Sinne der Bundesverfassung, aber ob es Recht im Sinne einer über die Zeit hinausgehenden Ordnung sein kann, ist in jedem Fall zu prüfen. Und daher erinnert die Gottesanrufung den Verfassungsgesetzgeber an seine Grenzen."

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Auch wenn er als Staatsmann und ehemaliger Nationalratspräsident seine Grenzen sehr gut kennt, sind seine privaten Ansichten zur Religion dazu geeignet, weitere Einblicke in seine Gedankenwelt zu geben: Natürlich glaubt er an Transsubstantiation (muss er ja), aber nicht an die Hölle (müsste er aber). Auch mit den Zehn Geboten hat er seine liebe Not und den Zölibat würde er abschaffen. Khol vermittelt also gerne den Hardliner, der er vermutlich gar nicht ist, weil er doch einen relativ pragmatischen Zugang zu Glaubensinhalten und dem Verhältnis von Staat und Religion hat.

Irmgard Griss: Die private Anti-Missionarin

Irmgard Griss bezeichnet sich selbst ebenfalls als katholisch. Konkrete Aussagen zu ihrem Glauben lassen sich aber nur schwer finden. Wohl aber gibt es Äußerungen zum Verhältnis von Staat und Religion von ihr, die auch (dank Neuwal.com) auf Soundcloud nachzuhören sind. Grundwerte sieht sie in der Menschenrechtskonvention. Religion bezeichnet sie als Privatsache. Sie ist zwar katholisch, aber nicht missionarisch, denn „Religion darf nicht das Verhalten im öffentlichen Bereich bestimmen".

Das klingt soweit nach einem sehr modernen Verständnis, fraglich bleibt nur, wie weit der Status Quo mit den, von ihr getätigten Aussagen für sie selbst zusammenpasst.

Ein wenig befremdlich ist die Feststellung über ihren Vater und dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus: „Als Katholik war er gegen die Nazis immun." Das ist natürlich nicht nur gewagt, sondern eine Verklärung der Rolle der katholischen Kirche in dieser Zeit. Aber da zu diesem Zitat der weitere Kontext fehlt, sollte es an dieser Stelle wohl auch nicht überbewertet werden.

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Nobert Hofer: Der Protest-Christ

Nobert Hofer ist wohl auch Christ, denn als Ehrenritter deschristlichen St. Georgs-Ordens, wäre alles andere erstaunlich. Trotzdem hat er, wenn man kath.net Glauben schenken darf, die Mitgliedschaft bei der römisch-katholischen Kirche 2009 aus Protest zurückgelegt, weil Teile der Kirche Kritik an der FPÖ übten.

Auch in einem Interview in der ZIB2 geht er weiter auf Distanz zu Religion (2011): „Die Politik hat die Aufgabe, den Staat in Ordnung zu halten und sich nicht einer Religion zu verschreiben." Doch das klingt aufgeschlossener als es vermutlich ist—denn diese Aussage traf er im Kontext des Islam. Wer der eigentliche Herr im Haus bleiben soll, deckte er unlängst in der Wiener Zeitung auf: „Deshalb will ich das Kreuz weiter in den Klassenräumen hängen sehen."

Alexander Van der Bellen: Der Austritts-Agnostiker

Langsam kann man imo aufhören, — Thomas Knapp (@knapp)13. Januar 2016

Alexander Van der Bellen ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten und bezeichnete sich selbst als „Agnostiker" (2010). Offensichtlich hat er in den letzten Jahren zumindest seine Einstellung zur organisierten Religion wieder überdacht, denn er spekulierte öffentlich und mehrfach über einen Wiedereintritt. Seine Formulierungen sind durchaus interessant und laden zur kreativen Auslegung ein: „Ich schätze die Arbeit der Diakonie sehr und Bischof Bünker auch. Aber wenn Ärger über meinen Innsbrucker Pfarrer ein fadenscheiniges Argument für den Austritt war, wäre es ein falsches Motiv, wegen einer Person einzutreten. Ich bin da hin- und hergerissen."

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Was soll denn das heißen? Er ist ungläubig, findet aber die Person Bünker und die Organisation so sinnvoll, dass er einen Eintritt überlegt? Oder war er doch immer gläubig oder ist es jetzt wieder und will sich eben nicht von Personen in der Organisation leiten lassen? Die richtige Antwort kennt Van der Bellen vielleicht selbst nicht. Jedenfalls ist es eine Position, die im Gegensatz zu den klaren Aussagen von Griss oder Khol und einer wahrscheinlich klaren Position von Hundstorfer, doch überraschend beliebig und inkonsequent wird.

Rudolf Hundstorfer: Das menschliche weiße Blatt

Womit wir beim letzten Kandidaten Rudolf Hundstorfer angelangt sind. Von dem gibt es punkto Religion so gut wie nichts zu finden. Der SPÖ-Kandidat ist laut Atheisten-Info konfessionsfrei und lässt seine Nicht-Gläubigkeit auch einfach Privatsache sein. Dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Agnostiker Religion indifferent gegenüber steht, beweist der noch amtierende Bundespräsident Heinz Fischer.

Fischer ist deklarierter Agnostiker, kennt aber keine Berührungsängste zur organisierten Religion und verleiht damit dem synkretistischen Staatsreligionen-Modell in Österreich unhinterfragt weitere Legitimation. Seine Unterstützung für das König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) ist auch als direkte Haltung zum Verhältnis von Staat und Religion äußerst kritikwürdig.

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Richard Lugner: Der Ex-Katholik wider Willen

Es wäre nicht Richard Lugner, spuckte die Yahoo!-Suche nicht auch stante pede etwas Verhaltensauffälliges aus. Es gibt einen Wikipedia-Eintrag mit dem Titel „List of Former Roman Catholics", die Lugner in der Kategorie „Debatable" mit folgendem Text führt: „Richard Lugner, excommunicated, he is a successful Austrian entrepreneur in the construction industry, and a Viennese society figure".

Anscheinend hat „Weihbischof" Andreas Laun den Baumeister 2007 exkommuniziert, weil in seiner Lugner-City ein Arzt Abtreibungen durchgeführt hatte. Lugner selbst sieht das laut SZ freilich anders: „Er sei Katholik, habe vier Kinder gezeugt und keines davon sei abgetrieben worden. […] Seine Treue zur Kirche sei trotz der Exkommunikation ungebrochen. ‚Ich bin Katholik', betonte ‚Mörtel'."

Dass Lugner diese Treue möglicherweise auch auf andere Teile des Christentums bezieht, legen diverse dokumentierte Kontakte mit der Scientology-Kirche nahe. Aber so wirklich überzeugend ist die Gläubigkeit eines Richard Lugner in keinem Fall. Man kann also davon ausgehen, dass ihm als UHBP diverse Metropoliten, Kardinäle, Imame und Ober-Rabbiner irgendwo am Estrich vorbeigehen.

Fazit

Natürlich muss sicher jeder für die Wahl sein eigenes Bild machen, aber wenn man die Ausgangsfragen (Woran glaubt der Kandidat? Welchen Einfluss hat es auf sein Handeln? Wie steht er generell zum Verhältnis von Staat und Religion?) stellt, dann findet man die klarsten und glaubwürdigsten Aussagen und Haltungen dazu bei Irmgard Griss und Rudolf Hundstorfer, wobei Erstere auch mit verbrieften Statements punkten kann.

Bei Van der Bellen muss man jedoch auch trotz seiner verschwurbelten, persönlichen Haltung keine Angst haben, dass Religion in seiner Politik eine Rolle spielt. Dasselbe gilt unter umgekehrten Voraussetzungen auch für Andreas Khol und natürlich Richard Lugner. Bei Norbert Hofer klingt die Distanzierung eher opportunistisch auf den Islam bezogen und wenig glaubwürdig im Hinblick auf christliche Kirchen.

Niko auf Twitter: @NikoAlm


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