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Warum unsere bankrotte Generation ‘Rick and Morty‘ liebt

‘Rick and Morty‘ ist eine Erfolgsserie, weil wir alle pleite sind.
Screenshot von Youtube: Rick and Morty Trailer von Adult Swim

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei VICE News

Es ist schwer, eine Serie zu finden, die unter jungen Zuschauern auf so breite Begeisterung stößt, wie Adult Swims Rick and Morty – die schräge, düstere und fast schon bewusstseinserweiternde Animationsserie über einen menschenfeindlichen Wissenschaftler, seinen eher dümmlichen Enkel und ihre weltverändernden Abendteuer, die immer einen seltsamen Touch von Nihilismus haben. Aber es ist genau dieser Nihilismus, der die Show so interessant macht.

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Rick and Morty ist oft erschreckend gewalttätig und die Familiendynamik ist geprägt von einer makaberen Umkehr der klassischen Gefühlsdusel-Romantik des alten Fernsehens: Stattdessen fiebern wir mit Charakteren mit, zu deren Alltag Scheidungen und Selbstmord gehören.

Allerdings wird die Serie nicht nur von allen gefeiert, sondern ist auch ein unglaublicher finanzieller Erfolg. Besonders bei jungen männlichen Amerikanern war die erste Staffel beliebter als jede andere Serie im Fernsehen. Genaugenommen ist sie so erfolgreich, dass schon diesen Sommer die dritte Staffel herauskommt. Auch bei einer Merchandising-Tour standen die Fans stundenlang vor einem Van Schlange, der die Form von Ricks Körper hatte.

Es gibt zwar keine schlüssige Erklärung, was die Serie so populär macht, aber sie scheint mit ihrer absurden Brutalität und der gleichzeitigen Liebenswürdigkeit eine gute Abwechslung für die Zuschauer zu sein.

Die Produzenten Dan Harmon und Justin Roiland lieben es, alte Science-Fiction-Klischees in neue, oft bizarre Formen zu bringen. Man könnte sagen, Harmon hat die Formel für gute Sitcoms gefunden – auch seine etwas unbekanntere Serie Community verdient eindeutig mehr Zuschauer. Roiland, der anfangs eher Harmons Schützling war, wurde schnell zu seinem Partner, als er in einem Workshop die Titelcharaktere Rick und Morphy erfand – und für beide auch gleich die Synchronstimmen machte.

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Für eine Show mit hodenbesetzten Aliens ist Rick and Morty überraschend realistisch.

Immer wieder geraten Rick und Morty in völliges Chaos und zerstören fast den Planeten Erde (neben anderen Planeten). Einmal springen sie in eine andere Dimension, in der ihre Doppelgänger gerade erst bei einem schrecklichen Unfall verstorben sind; einmal durchkreuzen ihre nahezu allwissenden Haustiere ihre Pläne, die Menschheit zu versklaven. Doch in den unwahrscheinlichsten Wegen kommt letztendlich alles wieder in Ordnung.

Aber für eine Show mit einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von hodenbesetzten Aliens ist Rick and Morty überraschend realistisch, wenn es um die Reaktionen seiner Titelfiguren auf kosmische Tragödien geht. Hier werden die beiden schnell nachvollziehbar und beschreiten sogar rührend ehrliche Wege.

"WAS IST MEIN SINN?", fragt einmal ein Roboter, der von Rick nur zu dem Zweck entwickelt wurde, ihm die Butter zu reichen. "Du gibst uns die Butter", antwortet Rick.

Die Dilemmas in Rick and Morty sind lustig und absurd. Aber die Verzweiflung der Charaktere ist echt und authentisch – was der wahre Reiz der Serie sein könnte.

Das Finanzunternehmen Goldman Sachs bezeichnete die Generation Y als "Die Mietergeneration" und bezog sich dabei auf eine neue Studie, die einmal mehr aufzeigt, dass junge Leute weniger Häuser, Autos, aber auch Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen kaufen, als ihre Eltern.

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"Gier hat den Stellenwert von herkömmlichem Fernsehen zerstört", meint der TV-Analytiker Rich Greenfield. Die Zielgruppe von Rick and Morty denkt eben zweimal nach, ob sie sich einen Fernseher leisten will – geschweige denn ein Pay-TV-Abo.

Da junge Menschen immer geschickter darin werden, Online-Werbung zu umgehen, bekommt Product-Placement in Serien einen neuen Stellenwert für Firmen. Auch bei den geschickt eingebauten Product-Placements von Rick and Morty merkt man, wer tatsächlich die Zuschauer sind: junge Leute mit wenig Geld. Eine versteckte Autowerbung für Lexus wäre in Rick and Morty undenkbar – dafür tauchen aber mehrere Werbungen für Fast-Food-Ketten und Zerealien auf. Oder auch: Zeug für Leute, die keine Angst haben, unter der Brücke zu leben.

Vor ein paar Wochen veröffentlichte Adult Swim die ersten Folge der 3. Staffel als eine Art Anti-1.-April-Scherz (angekündigt war die gesamte Staffel, insofern haben sie uns zumindest ein bisschen verarscht). Darin gab es einige Witze über die Mulan-Sechuan-Sauce von McDonald's, die inzwischen nicht mehr erhältlich ist. Eine andere Pointe bezieht sich auf die Finanzkrise, wenn Rick es schafft, die interstellare Wirtschaft zum Einbruch zu bringen, indem er sich in die Server der Galaktische Föderation hackt – und vermeintlich neue Jobs im intergalaktischen Gastrobereich schafft.

Tragik plus Zeit ergibt Komik – aber wenn du keine Zeit hast, tun es auch Lichtjahre. Obwohl Rick der allwissende Guru der Serie ist, trifft Morty am besten die Moral der Serie, wenn er seiner Schwester erklärt: "Kein Leben hat einen Sinn, niemand gehört irgendwohin, alle werden sterben. Also, lass uns fernsehen."

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