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Sex

Eine Sexarbeiterin erklärt, wie Sex mit Pflegebedürftigen ist

Und was sie von der Forderung einer Grünen-Politikerin hält, dass Menschen mit Behinderung Sex auf Rezept bekommen sollten.

Screenshot aus Slutever: Die Welt der Sexualassistenz

Am Wochenende schlug Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, in der Welt am Sonntag "eine Finanzierung für Sexualassistenz" bei Pflegebedürftigen vor.

Schwerkranke könnten nach einem Modell aus den Niederlanden für Sex mit Prostituierten einen Zuschuss bekommen. Das solle für Menschen gelten, die per Attest nachweisen können, dass sie nicht in der Lage sind, sich selbst zu befriedigen.

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Für ihren Vorschlag hagelte es Kritik. Der Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg bezeichnete das Konzept als menschenverachtend: "Da geht es allenfalls darum, Menschen durch sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen zu wollen: Lasst die Alten Druck ablassen, dann sind sie pflegeleichter." Wenn er es so formuliert, klingt das ziemlich fies.

Aber Menschen mit Behinderung und Demente haben oft sexuelle Bedürfnisse, die sie nicht ohne Hilfe ausleben können. An diesem Punkt setzt die Arbeit der "Sexualassistentin" Sonja ein—sie befriedigt die Wünsche von Pflegebedürftigen gegen Bezahlung.

Sonja ist 54 Jahre alt und sammelt schon seit 29 Jahren Erfahrungen als "Sexualassistentin", als Prostituierte für Pflegebedürftige. Sie hat Kurse für den Umgang mit Autismus und Demenz belegt und bietet in ihrem Studio in Krefeld eine Mischung aus Gesprächstherapie und Befriedigung sexueller Bedürfnisse an. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.

Sonja, Foto: Gerhard Wollenhaupt

VICE: Wer kommt zu dir?
Sonja: Ich kümmere mich um die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, Demenzkranken, Autisten und Menschen mit Einschränkungen aller Art. Zu mir kommen zum Beispiel Männer und Frauen mit Lähmungen, die ihre Geschlechtsteile nicht erreichen können, aber auch solche, die im Alltag zu kontaktscheu sind, um sexuelle Erlebnisse zu haben. Der Jüngste ist 18, die Ältesten sind um die 80 Jahre alt. Ich gehe auf jeden Gast individuell ein.

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Wie läuft so eine Sitzung bei dir ab?
Es beginnt immer mit einem Gespräch, in dem ich herausfinde, was der Gast gerne möchte. Wenn jemand stumm ist, hindert es mich nicht daran, durch Lippenlesen seine Wünsche zu verstehen. Manche wollen nur gestreichelt oder massiert werden, andere möchten gerne Geschlechtsverkehr. Sie bekommen von mir, was sie wollen.

Und was wollen deine Gäste?

Im Großen und Ganzen unterscheidet sich ihre Sexualität nicht von anderen. Ich habe zum Beispiel auch viele Gäste mit Fetischen. Da möchte mal einer Handschellen angelegt bekommen oder ich soll ein bestimmtes Outfit anziehen. Was auch immer gut ankommt, sind Rollenspiele—da spiele ich mal die Tante, Mutter, Nachbarin oder Schwester. Mit Männern habe ich natürlich öfters Geschlechtsverkehr, bei Frauen benutze ich einen Dildo oder die Zunge.

Wie viel nimmst du für deine Dienste?
Für 100 Euro bekommen meine Gäste eine einstündige Sitzung.

Was hältst du von der Forderung der Grünen, dass Pflegebedürftige Sexualassistenz auf Rezept bekommen sollten?
Das Ausleben von Sexualität ist für mich ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken, auch für behinderte und ältere Menschen. Es kann nicht sein, dass alte Menschen ihre Sexualität im Altersheim an der Pforte abgeben. Sexualassistenz baut Menschen auf und hilft ihnen dabei, Ängste abzubauen und neue Partnerschaften einzugehen. Im Altersheim bekommen viele Pflegebedürftige noch nicht einmal Taschengeld. Sie können sich meine Dienste nicht leisten. Deswegen unterstütze ich den Vorschlag der Grünen.

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