Der Stern AB Aurigae​ in polarisiertem Licht. Forschenden ist es zum ersten Mal gelungen, die Geburt einen Planeten bildlich zu dokumentieren
Der Stern AB Aurigae in polarisiertem Licht | Bild: ESO/Boccaletti und andere
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Video: So wunderschön und furchteinflößend sieht die Geburt eines Planeten aus

Die neuen Aufnahmen des Sterns "AB Aurigae" sind nicht nur spektakulär, sie verraten auch mehr über kommende Planetengenerationen.

Ein solches Babyfoto hat es noch nie gegeben: Ein Strudel aus Gas und Staub wirbelt um das, was wohl ein neugeborener Riesenplanet ist. Dieses beeindruckende zusammengesetzte Bild könnte die erste direkte Dokumentation der spektakulären Geburt eines Planeten darstellen. So steht es in einer Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde.

Der Stern AB Aurigae befindet sich rund 520 Lichtjahre von der Erde entfernt und fasziniert die Wissenschaft schon seit Jahren. Er ist nämlich von einem dichten Ring aus Gas und Staub umgeben, meist als Scheibe beschrieben, was die perfekten Voraussetzungen für die Geburt neuer Planeten schafft – quasi eine Art kosmische Plazenta. Bei vergangenen Beobachtungen konnte man nahe des Sterns sogar spiralförmige Strukturen innerhalb der Scheibe ausmachen. Diese Strukturen deuten darauf hin, dass ein sich entwickelnder Planet vorhanden sein muss. Es kommt nur extrem selten vor, dass so etwas eingefangen wird.

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Ein Forschungsteam – angeführt vom Astronomen Anthony Boccaletti – wollte diese werdende Welt genauer untersuchen. Dabei seien laut der neuen Studie einige der "spektakulärsten Spiralen überhaupt" abgebildet worden.

"Wir haben uns auf diesen Stern fokussiert, weil wir bereits wussten, dass es da in Sachen Planetenentstehung viel zu holen gibt", sagte Boccaletti in einem Telefongespräch. "Uns war bewusst, dass der Stern von Gas und Staub umgeben ist. Außerdem wussten wir, dass sich bei der Scheibe in einer Lücke bestimmte strukturelle Spiralen befinden."

In der Wissenschaft geht man davon aus, dass diese Spiralen ein eindeutiges Anzeichen für die Interaktion zwischen entstehenden Planeten und dem Gas-Staub-Gemisch sind, das die Planeten sowohl umgibt als auch wachsen lässt. Die Masse der jungen Welten verursacht wellenähnliche Strukturen in der Gasscheibe, die schließlich zu Spiralen verzogen werden, wenn der Planet seinen Stern umkreist. Während der Babyplanet diese Spiralen formt, nimmt er gleichzeitig Gas in seinen wachsenden Körper auf.

"So häuft der Planet Gas an, es entsteht eine gigantische Hülle, so wie wir sie bei den Riesengiganten in unserem Sonnensystem – etwa Jupiter oder Saturn – sehen können", sagte Boccaletti. "Um eine solche Gasatmosphäre zu erschaffen, muss das Gas von irgendwo her auf den Planeten kommen." Hier funktioniere dieser Vorgang besonders gut.

Boccaletti und sein Team haben es sich zum Ziel gesetzt, diesen faszinierenden Vorgang so detailreich wie derzeit möglich abzubilden. Dazu nutzten sie ein spezielles Optiksystem namens Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet Research (SPHERE), das sich im Observatorium Very Large Telescope in Chile befindet. SPHERE wurde dafür gebaut, um nach Exoplaneten zu suchen – also Planeten, die andere Sterne als die Sonne umkreisen. Das System ist ausgestattet mit einem Koronografen, der das störende Licht der Zentralsterne ausblenden kann.

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Das Team bildete das AB-Aurigae-System mithilfe von SPHERE im Januar 2020 ab. Nachdem die Forschenden das grelle Sternenlicht entfernt hatten, lagen endlich die faszinierenden Bilder von der Umgebung eines entstehenden Planeten vor ihnen. Während der Planet selbst auf den Bildern nicht auftaucht, war es dem Team laut der Studie möglich, eine Windung zu erkennen, die in Modellen einer Planetenentstehung reproduziert werden kann.

Auf dem neuen Bild befindet sich diese Windung kurz unter dem Stern AB Aurigae, der den Mittelpunkt der wirbelnden Scheibe ausfüllt. Die Windung ist auf dem unteren Bild weiß eingekreist. Der blaue Kreis zeigt an, wo sich Neptun befinden würde, wenn es sich um unser Sonnensystem handeln würde.

Die Bilder vom AB-Aurigae-System, auf denen auch die Gas-Staub-Scheibe zu sehen ist. Forschenden ist es zum ersten Mal gelungen, die Geburt eines Planeten bildlich zu dokumentieren

Die Bilder vom AB-Aurigae-System, auf denen auch die Scheibe zu sehen ist | Bilder: ESP/Boccaletti und andere

In anderen Worten: Dem Team ist es zum ersten Mal gelungen, einen Blick auf die wahrscheinliche Stelle zu werfen, an der sich dieser Planet bildet. "In diesem Fall sehen wir den Planeten nicht", sagte Boccaletti. "Wir sehen dafür die Form, die der Planet auf der Spirale bildet – und das nennen wir Windung."

Zukünftige Beobachtungen von AB Aurigae bringen vielleicht neue Details zu diesem Babyplaneten hervor, zum Beispiel seine Masse oder seine Umlaufbahn. Boccaletti und sein Team wollen das System weiter untersuchen und so den Weg des Planeten um seinen Stern nachverfolgen und herausfinden, ob es sich bereits um eine voll entwickelte Welt handelt oder ob das Ganze gerade erst zu einem Planeten heranwächst.

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Innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden Beobachtungen des Sternsystems mithilfe von riesigen Sternwarten wie dem gerade in Chile gebauten Extremely Large Telescope (ELT) den Forschenden weiter dabei helfen, Schemas der Gasanlagerung in aufkommenden Riesenplaneten zu erstellen.

"Wir benötigen ein viel größeres Teleskop, um dem Stern noch näher zu kommen und die Spirale noch genauer beobachten zu können", sagte Boccaletti. "Wenn es uns gelingen würde, das Gas rund um den Planeten aufzulösen, würden wir wissen, welcher Dynamik das Gas folgt und wie es auf den Planeten fällt."

Solche Details über die Entstehung von Planeten könnten dabei helfen, noch andere Geheimnisse über diese Welten und deren umliegenden Systeme zu lüften. Und wenn man die aktuellen Aufnahmen von AB Aurigae als Maßstab nimmt, dann wird uns die Astronomie in Zukunft mit vielen spektakulären Bildern der nächsten Planetengenerationen versorgen.

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