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Woodstock ist eine Dragqueen

Abgesehen von einem gelegentlichen sehr-früh-morgendlichen mehr oder weniger verschmiertem Lidstrich, bevor ich bis oben hin zu mit Koks und allein durch Midtown-Manhattan laufe um eine offene Bar zu finden, schminke ich mich eigentlich...

Abgesehen von einem gelegentlichen sehr-früh-morgendlichen mehr oder weniger verschmiertem Lidstrich, bevor ich bis oben hin zu mit Koks und allein durch Midtown-Manhattan laufe um eine offene Bar zu finden, schminke ich mich eigentlich nie. Früher hatte ich weder Grund noch eine Gelegenheit Make-up zu benutzen. Ich habe mein hübsches Gesicht immer sauber gehalten, bis auf diese wenigen quadrophenischen Momente. Die meisten Leute glauben mir nicht, wenn ich ihnen sage, dass ich schwul bin (nicht einmal wenn ich es ihnen direkt sage). Ich denke sie werden mir nie wirklich glauben, außer sie sehen mich mal mit einem Schwanz im Mund (das sind auch dei Momente, in denen ich es wirkich glaube). Nach einer Weile fing es an, für mich keine Rolle mehr zu spielen, ob ich nun als Schwuchtel durchgehe oder nicht. Es wurde bedeutungslos. Ich weiß nicht genau, was das hiermit zu tun hat, aber irgendwie hat es das. Und jetzt zu dieser Make-up Sache. Gestern hat mich eine Mann zu einem Mädchen gemacht.

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Ich bin in Woodstock NY, mit meinem Freund (er ist eine Gelegenheits-Drag Queen) und er kennt die Kunst der Bühne. Er brachte etwas Make-up mit. „Nur für den Fall,“ meinte er „nur mal zum kucken, wie es aussieht“. Wir redeten darüber ein Fotoshooting zu machen, mit mir als Drag Queen, für das Cover eines ziemlich schrägen Magazin. Doch ich hatte immer Angst davor mich zu schminken oder Frauenkleider zu tragen. Aber an diesem Nachmittag, Gott weiss warum, sagte ich: „Ach komm, Scheiß drauf. Lass es uns machen. Irgendwo in meinem Kopf fühle ich, dass ich das tun sollte.“ Er sah mich an, als hätte ich gerade herausgefunden warum er sich manchmal verkleidet, warum er manchmal wilde Frauenkleider trägt oder andere pompöse Kostüme. „Du wirst sehen, dass ich das kann“ dachte ich herablassend.

Er hatte etwas Zubehör aus der Stadt mitgebracht, zusätzlich holten wir uns noch etwas aus einer Drogerie (plus eine Flasche Wein für neun Dollar um Hemmungen weg zu bekommen). Wir suchten überall nach falschen Wimpern, fanden aber keine. Deswegen wurde ich schon richtig zickig, bei meinem ersten Kosmetik-Kaufrausch, aber ich denke das ist verständlich, da oben haben die Leute diese natürliche Hipness und deshalb brauchen sie kein Make-Up. Das hier sollte sowieso nur eine relativ einfache Veränderung werden, statt einem großen und chaotischen Bühnen-Outfit, aber es gab mir das Gefühl, zu wissen, was ich brauchte. Auch wenn ein richtiger Make-up Artist es besser zusammengestellt hätte.

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In der Küche, der Raum im Haus mit dem besten, zumindestens schmeichelhaftesten Licht, setzte ich mich rückwärts auf einen Klappstuhl und mir gegenüber mein grinsender Freund. Wir waren beide sehr aufgregt. Er fing mit dem Schminken an und ich habe sofort gemerkt wie angenehm es sich anfühlte, als er begann auf meinem Gesicht rum zu tupfen. Wie die Hände meiner Mutter, die mich zärtlich berühren. Das Auftragen der verschiedenen Make-up Schichten fühlte sich sehr liebevoll an und jede erfüllte ihren Zweck. Das Zeug für die Augen schmerzte ein wenig. Aber dann, wie ein Beruhigungsmittel, der kleine Puderpinsel auf meinem Gesicht, das erinnerte mich an seidig-dünne Schamhaare (obwohl ich bei Blow Jobs eher passiv bin).

Es war ein 15 Minuten-Job.

Ich trug ein weisses Shirt unter einer einer blauen Sportjacke (klingt scheiße), also zog ich mein Shirt aus und die Sportacke über meine nackte Brust. (Ich trage zur Zeit eine ziemlich schwuchtelige Halskette mit einem großen Anhänger in Form  einer antiken italienischen Briefmarke, um meinen Körper zurück nach Italien zu schicken wenn ich tot bin. Direkt daneben hängt ein Medaillion von St. Christopher. Letzte Nacht begann ich auf der rauhen Seite des Medaillion Streichhölzer anzuzünden. Ich  habe mal gesehen, wie ein Typ in einem Film das gemacht hat und es sah irgendwie heiß aus. Mein Freund stimmte mir zu „Ja, dass sieht ziemlich heiß aus.“ Der einzige Nachteilt beim Anzünden von Streichhölzern an dem Medaillion, das man um den Hals trägt, ist der ständige Geruch nach Schwefel. Ich sagte nur: „Das ist so dämonisch. Ich liebe es.“) Ich fühle mich gut, nackt unter einer Sportjacke. Ich habe mich noch nie so gut nackt unter einer Sportjacke gefühlt.

Ich hatte noch nicht in einen Spiegel geschaut. Ich wollte das lieber alleine tun. Mein Freund versuchte mir ins Bad zu folgen, doch ich machte ihm die Tür vor der Nase zu. Ich konnte sie nicht abschließen, so hielt ich meinen Fuß dagegen. Mein Freund hat dagegen gedrückt, aber ich hielt meinen Fuß fest gegen die Tür. Ich stand vor dem Spiegel und schaltete das Licht an.

Wenn du jemals etwas schlechtes über das Rollling Stones Cover Some Girls gesagt hast, dann solltest du mich jetzt nicht ansehen. Es war ein ausgezeichnetes Cover, kannst du dich daran erinnern? Ich fand ich sah aus wie ein Mädchen von diesem Cover. Ich trug keine Perücke (wir haben meine Haare schwarz angesprüht) aber ich hob mein Kinn vor dem Spiegel und ich fand ich sah aus wie eine Jagger-Frau. Gianca Jagger. Ich fasste mir zwischen die Beine und berührte mich selbst und quietschte vor Freude. Ich dachte an einen Freund aus D.C., ich würde eigentlich keinen Zusammenhang zu ihm sehen, aber ich möchte ihn nicht verpetzten, aber das ist genau sein Ding. Es fühlte sich wie die Geste einer Frau an aber ich könnte auch falsch liegen. Bis jetzt habe ich noch keine Frau gesehen, die sich zwischen die Beine fasst und dabei quieckt. Ich begann meine Lippen und meine Wangen zu verziehen. Dann lies ich sie wieder locker. Dann wiederholte ich es. Ich beugte mich vor und versuchte es aussehen zu lassen als hätte ich Titten.

Ich drehte mich um und schaute über meine Schulter in den Spiegel. Ich hasste immer mein Profil. Aber ich mochte es, wenn es geschminkt ist. Ich fand mich schließlich schön von meiner schlimmsten Seite. Ich zog meine Jacke etwas enger um meinen Hals. Gänsehaut breitete sich über meinen Armen aus, ein plötzliche elektrische Kälte, die meinen Rücken hoch schoss bis zur Spitze meines Kopfes. Es fühlte sich wie eine kleine Schändung an.