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Reisen

Grüße aus Kabul

Unser Heiliger Krieg hatte gestern ja einen lebhaften Start. Wir wurden von Kindern getriezt, von Polizisten bedroht, haben eine noch warme Beretta angefasst und ein Stück Selbstmordattentäter auf dem Boden gefunden.

Unser Heiliger Krieg hatte gestern ja einen lebhaften Start. Wir wurden von Kindern getriezt, von Polizisten bedroht, haben eine noch warme Beretta angefasst und ein Stück Selbstmordattentäter auf dem Boden gefunden.

Letzte Nacht hielt sich der Rest der Stadt bedeckt, weil ein weiterer Anschlag erwartet wurde. Alle Ausländer waren in ihren Hotelzimmern, aber wenn du nur drei Wochen in einem Ort wie Kabul hast, dann willst du keine Minute verschwenden. Also gingen wir im bekanntesten chinesischen Restaurant der Stadt, dem Golden Key, essen.

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Sasa

Vielleicht ist einer der Gründe, warum das Golden Key Kabuls beliebtestes chinesisches Restaurant ist, dass das einzige andere, das noch geöffnet hat, keine Speisekarte hat und man nur auf Mandarin bestellen kann. Das ist ein wenig merkwürdig für jemanden, der in Kabul ein Lokal hat, aber für uns war das okay, weil wir so die Gesellschaft einer entzückenden jungen Dame aus Shanghai namens Sasa genießen durften. Entzückend und mutig. Letztes Jahr wurde ein Typ in Weste (so nennt man im Kabuler Straßenslang Selbstmordattentäter) am Eingang aufgehalten und ein Jahr davor ging zwei Türen weiter eine Bombe hoch, die die Fenster aus dem Golden Key raus gesprengt hat.

Das hält Sasa nicht davon ab, ein feines China-Restaurant zu führen. Henry hatte Hühnchen mit Sesamsoße und ich den Hummer mit langen Bohnen. Zu den Gerichten gab es Heineken vom Schwarzmarkt und als Nachspeise Grapefruit mit unter der Hand verkauftem Johnnie Walker. Alles perfekt gekocht. Lecker.

Sasas Wachmänner

Das Geschäft läuft für Sasa zur Zeit nicht so gut. „Ich mache mir Sorgen," sagt sie. „Normalerweise schlagen die Taliban nicht in Kabul zu. Dieses Jahr schlugen sie aber schon ein paar Mal zu und deshalb mache ich mir Sorgen."

Aber Sasa sitzt nicht einfach nur rum und macht sich Sorgen, sie hat das Golden Key in eine Festung verwandelt. Keine Weste kommt hier ohne einen bitteren Kampf rein. Erst mal musst man durch drei verstärkte Stahltüren durchkommen, die von Sasas loyalen Sicherheitsleuten bewacht werden. Wenn jemand von oben angreift, hat Sasa einen unterirdischen „Sicherheitsraum", wohin man sich für Desert und Karaoke zurückziehen kann. Zu guter Letzt gibt es noch ein paar wilde Kätzchen, die im Gastraum wohnen. Sie bilden eine raffinierte Kombination aus süß und tödlich.

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Der "Sicherheitsraum"

Sasas Sicherheitsmänner wohnen auch im Restaurant. Wenn du sie um ein Foto bittest, geben sie dir sofort ihre Knarre zum Posen. In Kabul sind Waffen wie Babys - die Besitzer gehen davon aus, dass du sie anfassen und halten willst.

Sasa ist schon seit sieben Jahren hier. Wenn man sie fragt, ob sie noch länger bleiben will, dann sagt sie: „Wir schauen, wir sehen. Dieses Jahr mache ich mir Sorgen."

In China bringt der Name „Golden Key" Glück. Für Sasa hoffen wir, dass das Restaurant seinem Namen gerecht wird.

Der Autor, samt Waffe

FOTOS: HENRY LANGSTON & CONOR CREIGHTON