FYI.

This story is over 5 years old.

News

Griechenlands einziges Gefängniskrankenhaus ist die Hölle

Das Krankenhaus des Athener Korydallos-Gefängnisses ist so überfüllt und die Versorgung dort ist so schlecht, dass die Insassen bei ihrer Einlieferung gleich alle Hoffnung fahren lassen.

->

(Alle Fotos aus dem Gefängniskrankenhaus kommen von dem Twitter-Account @kolastirio

Das Krankenhaus des Athener Korydallos-Gefängnisses macht Kranke noch kränker. Berichten zufolge fehlt es der Einrichtung—dem einzigen Gefängniskrankenhaus des Landes—an Ärzten, Krankenschwestern und Medikamenten. Ausserdem hat die völlige Überfüllung (ausgerichtet für 60 Gefangene, sind dort gerade um die 200 stationiert), erschreckenden Hygiene- und Lebensbedingungen verursacht, was zur Verbreitung von ansteckenden Krankheiten unter den Insassen geführt hat.

Anzeige

Seit ungefähr einem Monat weigert sich die Mehrheit der Gefangenen in dem Krankenhaus aus Protest gegen diese Bedingungen, Essen oder Medikamente zu sich zu nehmen. Im Februar wurden über den Twitter-Account Kolastirio Kordalou ('Die Hölle von Korydallos') Fotos und Videos verbreitet, die diese Lebensumstände sichtbar machen.

Ich habe Michalis angerufen, einen 44-jährigen Insassen, der seit vier Monaten in dem Gefängniskrankenhaus behandelt wird. Er hat mir erzählt, dass die Standards bei seinem letzten Besuch in Korydallos—zwischen 1998 und 2003—deutlich höher waren. „Damals gab es 16 oder 17 Patienten, vier in jedem Zimmer. Sobald man reinkam, wurde man medizinisch untersucht. Wenn man heute überhaupt irgendwann untersucht wird, dann ist es zu spät“, sagte er mir.

„Zum Beispiel gibt es hier einen 23-Jährigen“, fuhr er fort, „der ist hier schon seit einem Monat, ohne Untersuchung. Wir kommen mit einer Krankheit oder einer Behinderung ins Krankenhaus und verlassen es mit einem chronischen Leiden. Weisst Du, warum man nie von Todesfällen im Gefängnis hört? Weil sie alle, die kurz vorm Sterben sind, in öffentliche Krankenhäuser verlegen. Da wird der Tod dann aufgenommen.“

Michalis ist seit sieben Jahren HIV-positiv. Das letzte Mal wurde er wegen finanzieller Vergehen ins Gefängnis gesteckt. Diesmal sind es Drogen. Er sprach schnell und versuchte das Gezerre um die Telefonzelle des Gefängnisses ignorieren, um mir genaue Antworten zu geben. Ich fragte ihn nach den Lebensbedingungen im Krankenhaus.

Anzeige

„Ich lebe mit 19 anderen auf 25 Quadratmetern“, fing er an. „Insgesamt beherbergt das Gefängniskrankenhaus 209 Menschen, von 22 bis 84, die Tagespatienten ausgenommen. Die Mehrheit—170 Menschen—sind HIV-positiv.“

Er fuhr fort und erklärte mir, wie die Bedingungen die Gesundheit der Patienten direkt beeinflusst haben: „Tuberkulose und Hepatitis sind überall. Es gibt hier so viele Sorten Tuberkulose, dass der Virus mutiert ist“, sagte er. „Er ist so widerstandsfähig, dass er nicht mehr durch Medikamente eingegrenzt oder behandelt werden kann. Nachmittags sind nur ein Arzt und eine Krankenschwester da, um uns zu behandeln. Wenn mehr als zwei Leute gleichzeitig krank sind … bist du tot.“

„Wir dürfen nur morgens und abends eine Stunde im Hof spazieren gehen—22 Stunden sind wir weggesperrt. Wir können die Fenster nicht öffnen, weil die Zimmer so voll mit Betten sind. Deshalb haben wir diesen Hungerstreik angefangen. Und wenn es nötig wird, machen wir mit Hunger- und Durststreik weiter. Die Belegschaft ist auf unserer Seite—sie wissen sehr gut, dass sie auch in Gefahr sind, sie haben Familien, sie haben Kinder.“

Am Tag unserer Unterhaltung hatten die Insassen von Korydallos bereits den neunten Tag ihres Hungerstreiks erreicht. Jetzt haben sie auch aufgehört, ihre Medikamente zu nehmen. Während unseres Telefonats fragte ich Michalis, was er sich von dem Protest erhoffte.
„Wir verlangen Kontrolle, präventive Versorgung und mehr Platz“, sagte er. „Wir empfehlen, dass Patienten mit chronischen Leiden entlassen werden, nachdem sie zwei Fünftel ihrer Zeit abgesessen haben.“

Anzeige

„Auf der anderen Seite schlagen wir vor, dass Leute gegen Kaution freigelassen werden, wenn sie auf ihre Verhandlung wegen eines Verbrechens warten, dass weniger als zehn Jahre kriegt. Hier gibt es Leute, die auf eine Verhandlung warten, weil sie eine Flasche Wodka oder ein Fahrrad geklaut haben. Ist es sinnvoll, die hier zu behalten? Die sind einem Risiko ausgesetzt. Ausserdem sollten sie Menschen mit geringer Lebenserwartung die geringstmöglichen Strafen geben, damit sie zuhause sterben können.“

Das Justizministerium hat vorgeschlagen, die krankesten Insassen zu entlassen, aber die Gefangenen sagen, dass das auf lange Sicht nichts verändern würde. Und sie haben recht—es klingt sehr nach einer hohlen Geste, die von den echten Problemen ablenken soll. Abgesehen davon war die einzige Reaktion der griechischen Behörden die Entscheidung eines Staatsanwalts, Disziplinarmaßnahmen gegen alle Gefangenen einzuleiten, deren Fotos auf Twitter veröffentlicht wurden.

Obwohl die Bilder einen ungeschönten Einblick in die Bedingungen im Gefängnis geben, haben sie traurigerweise längst nicht so viel Empörung ausgelöst, wie die Verwalter des Accounts erhofft hatten; einem Aufruf zur Demonstration vor dem Gebäude sind nur zehn Personen gefolgt.

„Man darf trotzdem nicht vergessen, was für völlig neue Erfahrungen der Aufruf selber brachte“, sagte Afroditi Babasi—ein Mitglied der Initiative für die Rechte von Gefangenen—kurz nach dem Ende des kleinen Protests. „Zum ersten Mal haben die Gefangenen selbst die Gesellschaft zur Unterstützung und Solidarität aufgerufen.“

Letzte Woche hat die Spezielle Bericherstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) Liliane Maury Pasquier die griechischen Behörden aufgerufen, die Qualität der Versorgung im Krankenhaus zu verbessern. Babasi glaubt, dass mehr Leute vom Format Pasquiers sich früh genug melden werden, solange der Protest der Gefangenen von anderen Bürgerrechtsbewegungen, Initiativen und Organisationen aufgegriffen wird.

„Wenn das passiert“, sagte sie, „wird die nächste Versammlung eine enorme Teilnehmerzahl haben und den nötigen Druck auf die Regierung und die Ministerien ausüben, und die Forderungen der Gefangenen werden erhört werden.“