Ein interaktiver Avatar: Eine Frau mit einer schwebenden VR-Hand in ihrem Mund
Screenshot einer Virt-a-Mate-Szene
Tech

Diese Typen bauen Avatare von Exfreundinnen und Prominenten – und haben Sex mit ihnen

"Dank Foto2Vam fühle ich mich so, als würde ich einen Handjob von meiner Ex bekommen", schreibt ein begeisterter User.

Du kannst im Internet Penisse in verschiedenen Formen kaufen – oder Schambehaarung, Brüste und Zungen. Allesamt deinen individuellen Wünschen und Vorlieben anpassbar. Für das Gesicht fütterst du einen Algorithmus mit einem Porträtfoto deiner Wahl. Das Programm erledigt den Rest. Und fertig ist der 3D-Avatar von einem Menschen, der so vielleicht auch im echten Leben existiert. In ein anderes Programm geladen kannst du mit dieser Person Virtual-Reality-Sex haben. Ihre Zustimmung brauchst du dafür nicht.

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Auf Community-Seiten wie Reddit, Patreon und anderen basteln und verkaufen anonyme User 3D-Avatare von Stars und anderen real existierenden Menschen. Die Figuren können in Echtzeit in jede erdenkliche Position bewegt, animiert und angepasst werden. Du kannst mit ihnen interagieren und sie jenseits der Grenzen der körperlichen Realität manipulieren.


VICE-Video: Avatar Sex – Wie Pornostars für VR gescannt werden


Bislang ist das alles noch ziemlich plump. Im Gegensatz zu den aufwendigen Deepfake-Videos, die im Internet kursieren, dürfte niemand die 3D-Modelle, die VICE im Zuge seiner Recherchen gesehen hat, für Abbildungen echter Personen halten. Allerdings sind wir technologisch nicht mehr weit von fotorealistischen 3D-Modellen echter Menschen entfernt. Die nötigen Tools und Programme sind inzwischen so simpel, dass auch Durchschnitts-User sie bedienen können.

Einige dieser Programme automatisieren einen großen Teil der Arbeit, für die vor einigen Jahren noch das Spezialwissen eines ganzen Teams von Designerinnen und Designern in Gaming- und Spezialeffekte-Studios nötig war. Wenn diese Studios einen realen Menschen nachbilden wollten, mussten sie um Erlaubnis fragen. In der Hobbyszene interessiert das niemanden.

"Ich erfülle damit meine sexuellen Fantasien oder baue sexuelle Situationen mit meinen Ex-Freundinnen nach", schreibt ein User in einem Subreddit zum Programm Virt-a-Mate. Die Software, meistens kurz VaM genannt, ist extra dafür gemacht, um pornografische VR-Spiele und Simulationen zu erstellen. Es können auch 3D-Modelle des beliebten 3D-Tools DAZ importiert werden. Ein weiteres Programm, Foto2Vam, modelliert anhand von Fotos das Gesicht des 3D-Avatars.

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"Dank Foto2Vam fühle ich mich so, als würde ich einen Handjob/Footjob von meiner Ex bekommen, die mich lächelnd dabei anschaut. Oder ich lasse mich von einer anderen Ex auf dem Boden vor dem Spiegel in umgekehrter Reiterstellung reiten … die Möglichkeiten sind endlos", schreibt er.

Ein anderer User schreibt, dass er mit Foto2Vam Ex-Freundinnen bei sexuellen Handlungen rendere. Je mehr und je bessere Fotos man habe, desto besser werde auch das 3D-Modell.

"Von jetzt an sollten wir unsere Freundinnen immer darum bitten, aus verschiedenen Winkeln für Fotos zu posieren, mit neutralem Gesichtsausdruck und Frontalbeleuchtung, damit wir sie in VaM importieren können", schreibt er. "Oh, und ich spiele gerne etwas mit der Realität und gebe ihnen Brustimplantate, etc. ;)"

In einem VaM-Channel des Gaming-Messengers Discord erklärt ein User, dass niemand einen davon abhalten könne, mit dem Programm Figuren nach reellen Vorbildern, insbesondere Personen des öffentlichen Lebens, zu erstellen:

"Alle holen sich auf alle einen runter, das ist die Natur des Menschen. Das kannst du nicht verhindern, solange du dich nicht komplett ausklinkst, dich nirgends blicken lässt und niemand weiß, dass du überhaupt existierst. Das ist unsere Welt und unsere Freiheit. Sie können uns nicht vom Wichsen abhalten, niemand kann das", schreibt er.

Keiner der User, die in den Foren und Kanälen darüber sprachen, 3D-Avatare von realen Personen zu erstellen, antwortete auf unsere Anfragen. Einige löschten ihre Posts, nachdem sie von uns kontaktiert worden waren.

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Ein Beispiel für eine interaktive Virt-a-Mate-Szene mit einer Standard-Figur von einem der bekannteren Designer in der Community

Die Welt der maßgeschneiderten 3D-Pornos

An sich sind 3D gerenderte Pornos nichts Schlimmes. Seit Jahrzehnten erschaffen Menschen mithilfe von Computergrafiken pornografische Inhalte. Second Life hat immer noch eine große Community, in der sich alles um Sex dreht, Gaming-Modder ziehen regelmäßig Computerspielfiguren aus, verwandeln Inhalte in Pornos. Seiten wie Pornhub sind voll mit 3D-gerenderten Pornovideos.

Aber VaM und die dazugehörige Community, inklusive des 7.600 Mitglieder umfassenden Subreddits, sind anders. Nirgendwo ist es so leicht, einen 3D-Avatar zu erstellen, der wie eine real existierende Person aussieht, und diesen mit anderen zu teilen.

User können mit diesen 3D-Modellen Standbilder und Videos erstellen oder mit ihnen per Virtual-Reality-Headset und smartem Sexspielzeug Sex haben. Die Fleshlight Launch zum Beispiel massiert den Penis des Nutzers synchron zum Geschehen im Video.

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Screenshot von einem Video-Tutorial für VaM-User. Mit den Schiebern lassen sich die Brüste der Figur anpassen

Der Weg zum eigenen 3D-Porno ist nicht schwer. Auf Seiten wie Renderotica, einem Marktplatz für Comics und 3D-Pornos, kann man einzelne Körperteile und sogenannte Morphs kaufen. Das sind voreingestellte Bewegungsanimationen. Laut Wiki gibt es Morphs für Orgasmus-Gesichtsausdrücke, "große Eier" und Lippen-Morphs für "deine Blowjob-Sammlung".

Die Verwendung des Aussehens echter Personen ohne deren Einwilligung ist ein umstrittenes Thema in den 3D-Render-Porno-Communitys.

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"Es gibt in den Foren immer wieder Anfragen à la 'Hey, wenn ich dir ein Foto von meiner Frau oder Freundin gebe, könntest du dann ein Modell machen, das wie sie aussieht?'", sagt 3D-Designer Davos zu VICE. Davos verkauft extreme Fetisch-Accessoires und Szenen auf Renderotica.

"Niemand will dafür verantwortlich sein, wenn jemand seinen Hass oder seine Rache an einer echten Person auslebt", sagt Davos. "Ich persönlich sehe das so: Es ist OK, wenn du den Namen änderst und in Kauf nimmst, von einem bösen Anwaltsbrief gestoppt zu werden."

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Werbung für eins von Davos' Produkten, "The Morgue". Die Objekte sind mit DAZ 3D-Modellen kompatibel

Ein anderer Designer menschlich aussehender 3D-Modelle bestand darauf, dass es in der VaM-Community nicht nur um Pornos gehe – und auch nicht nur darum, echte Menschen nachzubauen.

"VaM ist nichts anderes als jedes andere Spiel für Erwachsene. Und es ist eins der weniger kontroversen Projekte dieser Art, eine Art Sandbox, die es Usern erlaubt, ihre eigenen Fantasien zu erschaffen", sagt er.

Interaktive VR-Pornos mit Prominenten

Im VaM-Subreddit ist es verboten, Bilder und Videos zu posten, "die illegal, besonders anstößig oder unmoralisch sein könnten". 3D-Modelle von prominenten Personen hingegen sind explizit erlaubt, solange der Post keine echten Fotos oder ihre Namen beinhaltet. "Abkürzungen, Spitznamen und andere Namen sind vollkommen OK."

Es überrascht kaum, dass vor allem 3D-Avatare von Stars in der Community geteilt werden. Schließlich sind qualitativ hochwertige Fotos von Prominenten im Internet leicht zu kriegen – und Menschen fantasieren gerne über Sex mit unnahbaren Personen des öffentlichen Lebens. VICE fand Dutzende 3D-Modelle von Personen wie Emilia Clarke, Natalie Portman, Emma Watson und Nicki Minaj. Auch wenn die Namen den Regeln entsprechend in den Posts selten genannt werden, sind sie schnell erkennbar – spätestens in den Kommentaren wird erwähnt, um wen es sich handelt. Fast alle 3D-Modelle, die wir sahen, waren von Frauen. Aber wir entdeckten bei der Recherche auch zwei von Männern: Joaquin Phoenix und Chris Pratt.

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Die Posts beinhalten in der Regel einen Link zu einer Filesharing-Seite, wo sich andere User das 3D-Modell runterladen können, um es selbst zu verwenden. Manche Designer verlinken auch ihre Patreon-Seite, über die sie Geld sammeln.

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Ein Screenshot von einem Video, mit dem ein Patreon-User seine VaM-Figur bewirbt, die einem Celebrity nachempfunden wurde

Studien zeigen, dass in den allermeisten Fällen Frauen das Ziel von Deepfakes und unautorisierten Pornos sind. Experten und Opfer sind sich einig, dass es, auch wenn die Darstellung nicht "echt" ist, hochgradig verstörend ist, sein Antlitz in Pornos zu entdecken, die ohne eigene Zustimmung entstanden und im Internet verbreitet werden. Es sei nicht wirklich anders als echte Rachepornos oder die ungefragte Verbreitung von Sextapes und Nacktaufnahmen und komme einem sexuellen Übergriff gleich.

Ein Designer, der seine Arbeiten per Twitter teilt – darunter auch ein 3D-Modell eines Stars, das er gefesselt und fast nackt mit weiß-durchsichtiger Flüssigkeit im Gesicht zeigt –, sagt, dass er seit 30 Jahren professionell 3D-Modelle und Figuren für Videospiele, Fernsehen und andere kommerzielle Zwecke erstellt.

"Ich mache die VaM-Looks und Szenen vor allem für mich selbst. Ich habe meine Arbeiten allerdings auch schon kostenlos mit der VaM-Community geteilt – manchmal die komplette Datei", sagt er. "Meine Hauptmotivation dahinter ist, Interesse für die Software zu generieren und erfahrenere Entwickler mit reinzubringen, die dabei helfen können, VaM zu einer robusten VR-Sandbox zu machen."

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Auch er habe 3D-Modelle von echten Personen aus seinem Bekanntenkreis gemacht, manchmal mit ihrer Erlaubnis – nicht alle davon sexueller Natur.

"Ich habe eine Ex-Freundin erschaffen, nur um ihr noch einmal am Tisch gegenübersitzen zu können. Für mich persönlich ist es nichts anderes, als eine Tonskulptur oder eine Zeichnung von schönen Erinnerungen und Gesichtern", sagte er. "Ich verbreite die Inhalte mit Personen aus meinem Umfeld nicht, weil ich selbst gerne anonym bleiben möchte."

Das gilt bei ihm allerdings nicht für Stars.

"Ich mache gerne Celebrity-Looks als Hommage, manche davon auch in sexuellen Situationen", sagte er. "Sexualität ist eine universelle menschliche Erfahrung, ich sehe da kein Problem."

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Werbung von der DAZ 3D-Website für Genesis 3

Mesh VR, die Firma hinter VaM, finanziert sich auch über Patreon. Der Gründer von Mesh VR, der sich im Internet MeshedVR nennt, sagte uns, dass er nicht sicher sei, wie viele Menschen VaM benutzen, das Projekt habe allerdings fast 8.000 Unterstützende auf Patreon.

Man wisse bei Mesh VR, dass mit der Software Figuren aus Filmen und Serien nachgebaut werden, um mit ihnen in VR zu interagieren. Das sei generell "OK", solange das Modell einer fiktionalen Figur wie zum Beispiel Batgirl nachempfunden sei. Man befürworte allerdings nicht, echte Menschen ohne deren Erlaubnis nachzubilden.

"Ich kenne Leute, die versuchen, echte Personen ohne Einwilligung nachzubauen", sagt MeshedVR zu VICE. "Für mich ist das eine heikle Angelegenheit und wirft viele juristische und ethische Bedenken auf. Aus diesem Grund habe ich mit Moderatoren in verschiedenen Community-Foren Regeln gegen das Erstellen von Ebenbildern echter Personen etabliert. Wenn jemand einen Nachbau seiner oder ihres Ex posten würde, würde ich darum bitten, dass dieser wieder entfernt wird. Auf meinem Discord-Server würde ich das selbst tun, da ich ihn als offiziellen VaM-Server verstehe."

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"Es wird immer Sachen in Randbereichen und Grauzonen geben, die man schwer unter Kontrolle bekommt."

Die Stars können selbst wenig dagegen ausrichten, als 3D-Avatar für VR-Sex nachgebaut zu werden. Wie Duncan Crabtree-Ireland, Geschäftsführer der US-amerikanischen Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA VICE sagte, könnten Schauspielerinnen zwar rechtlich gegen Verkäufer von 3D-Modellen vorgehen, die ihnen nachempfunden sind, einfach sei das allerdings nicht:

"Sie müssen einen Anwalt engagieren, eine Klage einreichen und die betroffene Darstellerin muss 10.000 US-Dollar ausgeben, um gegen jede Person klagen zu können. Es ginge definitiv effektiver."

Ganz unterbinden lasse es sich ohnehin nicht. "Es wird immer Sachen in Randbereichen und Grauzonen geben, die man schwer unter Kontrolle bekommt."

"Natürlich machen die Leute das."

John Danaher, Co-Autor des Buches Robot Sex: Social and Ethical Implications, sagte zu VICE, dass solche Bilder und Nachbildungen als eine Form der Rachepornografie gesehen werden könnten, wenn sie ohne Einvernehmen kreiert oder geteilt werden.

"Ist das etwas, das die andere Person möchte? Haben beide Seiten etwas davon? Ich finde nicht, dass irgendjemand derartige Nachbauten erstellen sollte, ohne die echte Person um Erlaubnis zu fragen", sagt Danaher. "Jeder, der so eine Abbildung von sich selbst machen möchte, sollte dabei in Erwägung ziehen, dass die Nachbildung irgendwann gestohlen, geteilt und zu böswilligen Zwecken genutzt wird."

Kyle Machulis programmiert Open-Source-Software, mit der sich Sexspielzeuge kontrollieren lassen. Er stieß auf die VaM-Community, weil sie seine Tools verwendete, um VaM mit einem automatisierten Masturbator für Männer zu verbinden. Wenn eine Figur in VaM ihre Hand an einem virtuellen Penis hoch und runter bewegt, stimuliert der Launch den echten Penis des Nutzers synchron zum Bildgeschehen.

Machulis fragte die User im VaM-Subreddit, wie genau sie den Sex-Simulator einsetzen. Die Antworten hätten ihn etwas überrascht, sagt er.

"Die Tatsache, dass ich erstaunt darüber war, dass Leute ihre Ex-Liebschaften damit nachbauen, sagt wahrscheinlich mehr über mich und meine Naivität als über die Community", sagt er. "Natürlich machen die Leute das. Sie visualisieren Erinnerungen, die in ihre Neuronen eingebrannt sind. Sie füttern die Schnipsel in ihrem Hirn mit auditiver, visueller und möglicherweise haptischer Realität."

Einige Menschen in dieser Community sagten uns, dass sie 3D-Avatare von echten Menschen machen, weil es für sie ein Art Katharsis sei. Manche begründeten es mit ästhetischen Vorlieben. Fast immer waren es die Körper von Frauen. Danaher sagt, es sei potenziell ungesund, sich so sehr an seiner Vergangenheit festzuklammern. Aber die Menschen in der Community sagten zu VICE, dass Programme wie VaM ihnen ermöglichten, in der Zeit zurückzureisen oder zu einem bestimmten Gefühl, das sie anderweitig nie wieder erreichen könnten.

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