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Anti-Apple Street Art zeigt die Kinderarbeit hinter deinem iPhone

Der finnische Sprüher Sampsa will mit seinen Schablonen eine Kampagne gegen die Ausbeutung der Zinnminen initiieren.

Alle Bildrechte liegen bei Sampsa

Dein nächstes Smartphone wird wahrscheinlich einige Hundert Euro kosten, aber die eigentlichen Kosten fangen bei diesem Preis erst an. Allein die Beschaffung des Rohmaterials kann das Leben eines Kinderarbeiters in einer Zinnmine in Bangka, Indonesien, zur Hölle machen.

Das ist auch die Message des finnischen Street-Artists Sampsa – den manche als „Banksy von Finnland bezeichnen“ – , die er allen Smartphonebesitzern mit seiner neusten politischen Streetart-Kampagne verdeutlichen will.

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Diese Kampagne ist ein Resultat der Nachrichtenflut über Konfliktmineralien in deinem neuen Telefon oder Tablet. Große Elektronikanbieter wie Apple und Samsung beziehen das Zinn als Lötmetall aus Mienen auf der Bangka Insel. Diese inoffiziellen Förderstätten machen Gebrauch von Kinderarbeit, sie zerstören die Umwelt der Region und sie sind so gefährlich, dass polizeilichen Schätzungen zufolge jede Woche ein Arbeiter zu Tode kommt.

Ein Drittel des weltweiten Zinnaufkommens stammt aus Bangka. Rund die Hälfte davon geht an die Elektronikindustrie. Daher stehen auch namenhafte Gerätehersteller zusehends in der Kritik, vor allem der geheimniskrämerische Elektronikriese Apple, der die zwielichtigen Verbindungen innerhalb seiner Versorgungskette immer noch nicht offengelegt hat.

Sampsa erzählt mir, dass sein Interesse an diesem Thema nach der Lektüre eines Businessweek-Artikels entstand, in dem die erbärmlichen Arbeitsbedingungen in Bangkas Mienen geschildert wurden. Später diskutierte er über das Problem bei einem Bier mit einem amerikanischen Freund.

„Es endete damit, dass der Freund den Tod der indonesischen Minenarbeiter mit ‚das ist doch deren Problem‘ kommentierte,“ berichtete er mir via E-Mail. „‚Sie müssten selbst für bessere Rechte kämpfen‘, hieß es. Als ich diesen Typen fragte, ob er denn weiterhin Produkte von Apple kaufen würde, sagte er ‚na sicher, ohne zu zögern‘. Da wurde mir klar, dass die Fähigkeit zur Empathie langsam aus dem menschlichen Bewusstsein verschwindet. Für diesen Typen waren fünf Tote pro Monat ein annehmbarer Preis für seine geliebten Apple-Produkte.“

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Der Street-Artist Sampsa nimmt in seinen Arbeiten Apple voll ins Visier, speziell geht es ihm um den verstorbenen Steve Jobs, der ein Geschäftsmodell auf dem Markt etablierte, dass auf „geplanter Obsoleszenz“ basiert – auf Produkten also, die eine kurze Lebensspanne haben, und die den Konsumenten ständig dazu veranlassen, sich die neuste Version zu kaufen, um up-to-date zu bleiben. Sampsa argumentiert, dass Apple seine Versorgungskette so ausgerichtet hat, dass sie der Idee der geplannten Obsoleszenz entspricht und die dabei entstehenden Kollateralschäden ignoriert. Das „Obsolescence is King“ Kunstwerk ist ein Versuch Steve Jobs´ Ikonenstatus zu zerstören. Es soll verdeutlicht werden, dass sein Vermächtnis in der Methode der geplanten Obsoleszenz besteht.

„Ist Apple das einzige Unternehmen, das von dem „Billigzinn“ aus Bangka profitiert? Ganz sicher nicht,“ sagt der Künstler. „Waren Apples Bedarf und die harten Reglementierungen seiner Versorgungsketten Faktoren, die die desaströsen Arbeits- und Umweltbedingungen auf Bangka verschlimmerten? Ganz sicher! Hat das Topmanagement von Apple über den Fall Bangka Bescheid gewusst? Klar. Darauf kannst du deinen Hintern verwetten. Vieles ist schon ab 2007 an die Öffentlichkeit durchgesickert.“

Der Druck vieler Umweltaktivisten hat dazu geführt, dass die wichtigsten Smartphonehersteller Stellungnahmen an die Öffentlichkeit herausgegeben haben. In diesen Statements heißt es oft, dass die Unternehmen über die Konfliktmineralien innerhalb ihrer Versorgungsketten Bescheid wussten, und dass sie diese Angelegenheit mit großer Sorge betrachten. Was speziell Apple angeht, so bewahrt das Unternehmen aber bis heute Stillschweigen.

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„Sich eingestehen, dass man über die Todesfälle genau Bescheid wusste, dass dabei Kinder umkamen, dass die Natur kosequent ausgebeutet wurde, – während man die eigenen Zulieferer mit Peitschenhieben am Laufen halten wollte – würde bedeuten, dass man viel zu viel von der Strahlkraft des geliebten Image einbüßen müsste,“ urteilt Sampsa.

Wenn die Preise über Nacht fielen, hätten die Telefonhersteller viel mehr zum Problem zu sagen als jetzt, behauptet der Künstler. Jede größere Veränderung im Verhalten der Unternehmen würde auch eine Veränderung im öffentlichen Diskurs bewirken und genau hier will Sampsa mit seiner Street-Art Kampagne ansetzen. Sampsa will berühmte Street-Art Künstler aus aller Welt zusammenbringen und mit ihnen gemeinsam eine Ausstellung in London organisieren. So will er, das Problem der Konfliktmineralien ins öffentliche Bewusstsein holen.

„Es gibt Zig-Millionen von Street-Artists und hundert Mal mehr Internetuser, die uns bei unserer Arbeit zusehen werden,“ sagte er, „Ich glaube, wir können den öffentlichen Diskurs bezüglich dieses Problems um Einiges zuspitzen.“

Sampsa hat sich mit der Umweltgruppe „Friends of the Earth“ zusammengetan. Diese Gruppe hat den ideologischen Angriff gegen die Smartphonehersteller stark vorangetrieben. So heisst es in einem Bericht von „Friends of the Earth“, der die Situation in Bangka schildert, wie folgt: Der Schlick der Stahlwerke, der ins Meer gelangt, zerstört das Korallenriff und das Seegras, die Hauptnahrungsquelle der dort lebenden Schildkröten. Außerdem werden Fischbestände dezimiert, so dass die Fischer ihre Lebensgrundlage verlieren. Bauern können kein Getreide mehr anbauen, weil der Boden nach Waldrodungen, die für den Minenaufbau vorgenommen werden, übersäuert hinterlassen wird.“ Der Bericht fordert die Regierung dazu auf, Druck auf die Unternehmen auszuüben, damit diese ihre Versorgungsketten sauber halten.

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Street-Art kann helfen, behauptet Sampsa. Die Bilder von Kinderarbeitern oben und unten sind ein gutes Beispiel. Sie spielen mit zwei Szenarien. Ein Bild zeigt die Zukunft des Kindes, auf einer stürmischen, sich ins Ungewisse windenden Straße der Kinderarbeit. Auf dem anderen Bild sieht man ein Kind mit Hemd und Krawatte. In der Brille spiegelt sich groß das Apple-Logo. Dieses Kind hat das Wissen der Zinnminen verinnerlicht. Es betet um Vergebung für seine Sünden, die darin bestehen, die geliebten Apple-Produkte in einem Bewusstsein der eigenen Schuld zu vergöttern,“ sagte er.

Viele Künstler sehen Kunst als eine Art Aktivismus für sich selbst, sagt Smapsa, doch das ist nicht genug. „Wenn du dich selbst als politischen oder sozial engagierten Künstler wahrnimmst, dann mach dir doch ein bisschen mehr Mühe und gib dem, was du ausdrücken willst, eine Form.“

Das erklärt auch warum Sampsa Familien auf Bangka dabei unterstützen will, Entschädigungen für den Verlust ihrer Angehörigen oder ihrer Lebensgrundlage einzufordern. „Friends of the Earth“ plant ebenfalls den entstandenen Schaden auf Farmen und im Korallenriff so weit wie möglich zu beseitigen. Die Organisation will, dass große Konzerne zukünftig von den humanitären und ökologischen Auswirkungen ihrer Geschäfte und Unternehmungen Bericht erstatten.

Sampsa hat auch einige Ideen. „Vielleicht sollte jeder auf der Welt mit einem Smartphone in der Tasche etwas spenden,“ sagt er. Einen Dollar, einen Yen, einen Peso oder eine Euro. Eine Person, die den großen Unternehmen durch ihr Verhalten zeigt, dass das, was sie machen, nicht mehr akzeptiert wird. Und man stelle sich vor, solche Unternehmen wie Apple, die 400 Milliarden schwer sind, würden das Gleiche, das Zweifache, das Dreifache oder auch das Zehnfache dazugeben.“

„Ich glaube, dass wenn überhaupt irgendeinen Wandel in unserer Zeit erreicht werden kann, dann muss dieser von uns initiiert werde – den Konsumenten.“