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high

Wie ich von einem veganen Burger high wurde

Mitten am Tag fühlte ich mich, als wäre ich high, ohne dass ich dafür irgendwas genommen hätte. Bin ich auf dem besten Wege zu einer handfesten Panikstörung? Verliere ich den Verstand? Bin ich reif für die Psychiatrie?

Der ganze Spuk begann an einem Montagnachmittag. Ich saß in meinem Büro und überarbeitete einen Text, als mich plötzlich ein seltsames Gefühl von Schwindel beschlich. Es fiel mir immer schwerer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Meine Sicht war getrübt, meine Gedanken fahrig. Ich ging in der Hoffnung, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, an die frische Luft, aber dieses Gefühl ließ nicht nach, und wurde sogar noch intensiver. Meine Beine fühlten sich schwer an, es kribbelte in meinen Armen und mein Mund wurde staubtrocken.

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Ich ging auf die Toilette, um einen Schluck Wasser zu trinken. Bei einem Blick in den Spiegel stellte ich fest, dass ich nicht so schlimm aussah, wie ich mich fühlte. Ich war nicht etwa bleich, so wie ich es bei einem drohenden Kreislaufzusammenbruch erwarten würde. Lediglich meine Augen waren etwas blutunterlaufen und wässrig, wie bei einer leichten Erkältung. Mich beschlich ein nervöses Gefühl, da offensichtlich irgendetwas mit mir nicht in Ordnung war und es keine Anzeichen der Besserung gab.

Als sich diese Nervosität langsam aber sicher zu einer Panik steigerte, packte ich schnell meine Sachen und machte mich auf den Heimweg. Dort angekommen versuchte ich, meiner Situation irgendwie Herr zu werden. Ich trank Wasser, legte mich hin und versuchte, etwas zu schlafen, da mich zu den bisherigen Symptomen auch noch eine recht starke Müdigkeit überkam.

Aufgrund meiner Angst, dass etwas Schlimmes mit mir passiert, war das allerdings absolut unmöglich. Ich dachte, dass ich die Panik am besten unter Kontrolle kriegen kann, wenn ich einen ausgedehnten Spaziergang an der frischen Luft mache. Ich torkelte also einigermaßen benommen durch den nahen Stadtpark und suchte anschließend einen Freund von mir auf, der Psychologe ist. Ich erhoffte mir nicht nur freundschaftlichen Beistand in meiner momentanen Situation, sondern auch eine mögliche Erklärung für meinen Zustand. Tatsächlich führten der Spaziergang und ein längeres Gespräch dazu, das panische Gefühl weitestgehend vergessen zu machen. Was blieb, war nur ein Gefühl von Schwere in den Beinen und Leichtigkeit im Kopf. Fast schon angenehm, wie ein leichter Alkoholrausch. Mein Freund meinte, dass ich wahrscheinlich eine Panikattacke hatte. Das kann schon mal passieren, gerade in stressigen Situationen.

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Am nächsten Tag war der Vorfall fast vergessen. Ich merkte keinerlei Symptome mehr und konnte mich generell nur noch verschwommen an die ganze Situation erinnern. Bis mich eine Woche später wieder das gleiche intensive Gefühl überfallsartig am Schreibtisch überkam.

Bin ich auf dem besten Wege zu einer handfesten Panikstörung? Verliere ich den Verstand? Bin ich kurz davor, eine Psychose zu entwickeln, und reif für die Psychiatrie? Das waren Fragen, die ich mir stellte und die meinen Alltag und meine Lebensfreude doch ein wenig trübten. Immerhin kenne ich einige Leute, die mehr oder weniger plötzlich eine schwere psychische Störung entwickelt haben.

Dann kurze Zeit später: Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, extrem trockener Mund und Panik—das gleiche Programm wieder von vorne. Diesmal rief ich umgehend eine Freundin von mir an, was mir half, die Panik relativ schnell unter Kontrolle zu bringen. Der Zustand der Verneblung hielt jedoch den ganzen Nachmittag und Abend an.

Zweimal innerhalb von einer Woche einen solchen Anfall zu erleiden, das konnte doch nicht gut sein. Ständig hatte ich die Sorge, dass der nächste Anfall unmittelbar bevorstand. Jedes kleinste körperliche Signal wertete ich als erstes Anzeichen.

Wahrscheinlich wäre das Ganze noch eine Weile so weitergegangen, wenn nicht in der Woche darauf wieder Burger-Tag gewesen wäre.

Hier in Jena gibt es einen kleinen, von Studenten betriebenen Imbiss, der vegane Burger verkauft. Lecker und gesund, mit frischem Salat und selbstgemachtem Brot. Anstatt Fleisch werden dort Burger-Patties aus Tofu, Kidney-Bohnen oder Hanf verkauft. Normalerweise entscheide ich mich aufgrund des leicht nussigen Geschmacks und des hohen Nährstoffgehaltes für die Hanf-Patties. An dem besagten Tag musste ich allerdings feststellen, dass weder die Hanf-Patties noch das selbstgemachte Hanf-Pesto zur Auswahl standen.

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Ich dachte mir noch nichts dabei und bestellte einen Bohnen-Burger mit. Beim Essen kam ich mit einer anderen Kundin ins Gespräch, die mir erzählte, dass sie und einige Kollegen kürzlich die Hanf-Burger gekauft hätten und dann im Büro „plötzlich total bekifft" gewesen seien. Sie sei so richtig breit gewesen, hätte einen total trockenen Mund gehabt. Mir wurde natürlich sofort klar, dass auch ich an den beiden Tagen mit den Anfällen Hanf-Burger verdrückt hatte.

Auf meinen Zustand hin angesprochen bestätigte mir der Burgerverkäufer, dass es sehr gut sein kann, dass mein Zustand von einem ihrer Hanf-Burger herrührt. Ich sei leider bei Weitem nicht der Erste, der diese Probleme hatte. Anscheinend haben mehrere Gäste ähnliche Symptome gezeigt. Als ich dem Burgerstand einige Wochen später einen weiteren Besuch abstattete, konnte ich dort den Untersuchungsbericht des Labors einsehen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Werte für THC, den wichtigsten Stoff für die psychoaktive Wirkung von Cannabis, deutlich unter den gesetzlichen Richtlinien lagen. Es kann also ausgeschlossen werden, dass irgendwo in der Produktionskette ein Fehler gemacht wurde und dadurch potentes Gras seinen Weg in den Burger gefunden hatte. Wie also kann die Erfahrung, die ich und einige andere Konsumenten gemacht haben, erklärt werden?

Auf erneute Nachfrage wurde mir gesagt, dass ein anderer Wirkstoff des Hanfs dafür verantwortlich sein könnte. Neben THC enthält Hanf eine ganze Reihe weiterer Cannabinoide, die ebenfalls eine Wirkung auf den menschlichen Körper haben können. Im Gegensatz zum THC seien diese jedoch nicht illegal. Dementsprechend gibt es keine Grenzwerte und es wird bei der Züchtung von Nutzhanf nicht darauf geachtet, in welchem Ausmaß diese Cannabinoide vorhanden sind. Dabei ist besonders Cannabidiol (CBD) interessant. Dieser Stoff hat ebenfalls eine psychoaktive Wirkung und ist vor allem für die sedierende, „breitmachende" Wirkung von Cannabis verantwortlich. Gut möglich, dass mein Zustand durch diesen Stoff ausgelöst wurde. Genau wird das aber nicht geklärt werden, da im Labor kein Test auf die CBD-Konzentration durchgeführt wurde (da nicht illegal).

Mittlerweile werden übrigens wieder sowohl Hanf-Burger als auch Hanf-Pesto verkauft. Allerdings soll jetzt ein Warnhinweis angebracht werden, dass Hanf eine medizinische Nutzpflanze ist und dass gewisse psychoaktive Wirkungen auch bei Nutzhanfprodukten nicht ganz ausgeschlossen werden können.

Am Anfang sei das ganz lustig gewesen, da sind die Betreiber des Imbisses noch davon ausgegangen, es handele sich um einen Placebo-Effekt. Doch als es immer mehr und mehr Kunden wurden, die sich über die potenten Burger beschwerten, war das Ganze plötzlich nicht mehr witzig.

Der Burgerverkäufer kann sich diesen Effekt nicht erklären. Zwar werden der Masse, aus denen die Patties hergestellt werden, auch Hanfblüten beigemengt (etwa 0,5 kg Blüten auf 10 kg Pattie-Masse), diese stammen jedoch ausschließlich von THC-armem Nutzhanf, der von EU-zertifizierten Händlern bezogen wird.

Ich fühlte mich wie in einem Dorf im Mittelalter, in dem versehentlich der ein oder andere Mutterkornpilz seinen Weg ins Bäckermehl gefunden hat. Von anderen Stammkunden erfuhr ich, dass fast alle eine ähnliche Erfahrung gemacht hatten. Die Wirkung ging dabei von „einem leichten Kribbeln in den Armen" über „ein kleines bisschen breit" bis hin zu „total dicht über mehrere Stunden". Anscheinend haben nicht alle Hanf-Burger-Konsumenten den Rausch als so unangenehm erlebt wie ich. Eine junge Frau verriet mir grinsend, dass sie sich viermal den Hanf-Burger gekauft hat und jedes Mal etwas davon gemerkt hat.