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So denken alte Menschen über die Jugend

Wir haben Senioren gefragt, ob sie Vorurteile gegenüber der Enkelgeneration haben, was sie heute anders machen würden und welches Alter perfekt wäre, um ewig zu leben.
Foto: Pedro Ribeiro Simões | Flickr | CC BY 2.0

Ich bin 22 und wahrscheinlich in der sprichwörtlichen Blüte meines Lebens, oder zumindest nah dran. Ich habe den Großteil meines Lebens noch vor mir, mir stehen absurd viele Möglichkeiten offen und am liebsten würde ich für immer in dieser Lebensphase irgendwo zwischen Uni-Abschluss und den paar wenigen, selbst gewählten Verpflichtungen hängen bleiben. Aber ist jung sein im Nachhinein wirklich so toll, wie wir währenddessen alle denken?

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Ich habe mich mit zwei Damen in einem Wiener Pensionisten-Wohnhaus über genau diese Frage unterhalten. Ich wollte wissen, wie Menschen mit Lebenserfahrung die heutige Jugend und ihre eigene, längst vergangene Jugendzeit sehen—aber auch, was sie im Laufe der Jahre dazugelernt haben und in welchem Alter sie gerne ewig leben würden. Und ich habe inzwischen das Gefühl, die beste Zeit kommt erst, wenn ich alterstechnisch bei meiner Mutter angekommen bin.

VICE: Glauben Sie, dass die heutige Jugend verdorben ist?
Frau Huber (73): Nein, nein, nein.
Frau Kreil (73): Also ich glaub das überhaupt nicht.
Frau Huber: Natürlich gibt es wie überall Ausnahmen—die hat es immer gegeben und die wird es immer geben. Aber wer wirklich denkt, dass die Jugend verdorben ist, der tut mir Leid.
Frau Kreil: Ich habe sogar das Gefühl, dass meine Enkelkinder fast lieber und herzlicher sind, als meine Tochter es je war.
Frau Huber: Mein Enkelsohn hat eine ganz entzückende Art und ist sehr liebevoll. Und er gibt mir auch immer noch ein Bussi, obwohl er schon ein Teenager ist. Als er mich das erste Mal hier im Wohnhaus besucht hat, hat er allen Damen, die da gesessen sind, die Hand gegeben. Da war ich sehr überrascht.
Frau Kreil: Ja, aber der ist auch gut erzogen.

Also ist an dem Vorurteil, dass Senioren die heutige Jugend schlimm finden, nichts dran?
Frau Huber: Also über die Jugend lass ich wirklich nichts kommen. Im Gegenteil, ich nehme die Jugend in Schutz, denn nicht einmal habe ich da schlechte Erfahrungen gemacht.
Frau Kreil: Ich habe auch noch eine entzückende Geschichte zu erzählen. Ich habe früher im vierten Bezirk in der Nähe vom Theresianum gewohnt und bin in einem bodenlangen Nerzmantel an der Karlskirche vorbei gegangen. Auf den Stufen zur Kirche sind ein paar Buben mit ihren Skateboards herum gefahren, worauf ich ihnen entgegen gegangen bin und einer von den Buben haarscharf an mir vorbei gefahren ist. Dann hab ich zu einem von ihnen gesagt: „Ihr rollts da erstens auf einer Kirche herum und zweitens—aber das wissts ihr nimmer—wurde die Kirche von Fischer von Erlach erbaut." Dann kommt der Anführer der Truppe her und sagt: „Bitte, ich weiß schon, wer der Fischer von Erlach war. Natürlich weiß ich das—ein Barock-Baumeister." Das hat mich sehr überrascht. Man muss einfach nur höflich sein, dann geht alles.
Frau Huber: Ja, und man muss als Erwachsener auch einfach mit gutem Beispiel voran gehen. Wenn ich Jugendlichen höflich entgegen komme, werden sie auch höflich zu mir sein. Das ist auch alles eine Frage der Erziehung. Auch in der Straßenbahn machen mir die Jungen ohne ein Murren Platz, wenn ich sie höflich darum bitte.

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Wenn Sie jetzt noch einmal jung wären, würden Sie irgendetwas anders machen?
Frau Kreil: Ich würde schon vieles anders machen.
Frau Huber: Ich auch.
Frau Kreil: Das klingt immer entsetzlich, aber ich würde nie wieder so jung ein Kind bekommen und heiraten. Wenn du Mutter bist, gibt es einfach kein Zurück mehr, egal, wie alt du bist.
Frau Huber: Ja, also manches würde ich auch anders machen. Ich war zum Beispiel in der Erziehung meiner Tochter sehr streng—vielleicht manchmal zu streng.
Frau Kreil: Das hab ich mir auch schon oft gedacht. Da muss ich mich anschließen. Aber die Zeiten waren damals auch anders, das muss man auch dazu sagen.

Wären Sie gerne noch einmal jung?
Frau Huber: Jung möchte ich wirklich nicht mehr sein, nein. Klipp und klar nein.
Frau Kreil: Jedes Lebensalter ist schön. Egal, ob du ein junges Mädel bist, oder nicht. Aber das schönste Alter ist eigentlich um die Vierzig herum. Da weißt du schon, was du willst.
Frau Huber: Das ist nicht ganz unrichtig.
Frau Kreil: Ja, ich würde auch nicht mehr so richtig jung sein wollen, aber so zwischen 40 und 45 wäre super. Da hast du noch keine Wehwehchen, du weißt, wo es langgeht im Leben, du hast Sicherheiten. Aber so krampfhaft wie sich manch andere jünger machen wollen—das versteh ich überhaupt nicht. Viele verschweigen ja ihr Alter. Aber da bin ich lieber lachend 73, als 65 und schon fertig mit der Welt.

Verena auf Twitter: @verenabgnr


Foto: Pedro Ribeiro Simões | Flickr | CC BY 2.0