Die detaillierte Handyauswertung hilft in fast keinem Verfahren wirklich weiter
Bei der Handyauswertung des BAMF werden unter anderem Textnachrichten und Anruflisten ausgewertet, um Anhaltspunkte auf die Herkunft eines Geflüchteten zu bekommen | Bild: imago | Jens Jeske
Allein für Handyauswertung, Sprachanalyse und Transliteration sollen bis 2019 über 16 Millionen Euro fällig werden | Grafik: Motherboard
Der BAMF-Vizechef führt die Öffentlichkeit mit hohen Zahlen in die Irre
In den Antworten auf die Kleine Anfrage hält sich das Bundesinnenministerium eine Hintertür offen, um abweichende Zahlen erklären zu können. Die Daten, die sie in der Kleinen Anfrage angibt, könnten "unterzeichnet" sein, heißt es dort. Auf Nachfragen von Motherboard zu diesen Widersprüchen antwortete eine Pressesprecherin des BAMF, die Angabe von 27.000 Geräten beziehe sich "auf die technischen Auslesevorgänge". Die Zahlen aus der Antwort des Bundesinnenministeriums dagegen würden sich auf das Auslesen und das folgende Erstellen eines Ergebnisberichts beziehen. Die dafür relevanten Zahlen würden "aus dem Asylverfahren gewonnen", so das BAMF.Die detaillierten und nach den verschiedenen Dienststellen und Monaten sortierten Daten in der Antwort auf die Kleine Anfrage spiegeln offenbar möglichst genau die tatsächliche Aktenlage aller Geflüchteter wieder. Die Zahlen, die Richter im Interview nennt, klingen eher nach jenen Daten, die sich aufgrund der Zählweise für eine IT-Erfolgsgeschichte eignen."Die Handyauswertung trägt kaum dazu bei, falsche Identitäten aufzudecken."
Viele Handys werden ausgelesen, ohne jemals ausgewertet zu werden. Die Auswertung muss zuvor ein Volljurist genehmigen | Grafik: Motherboard
Laut den nun veröffentlichten Zahlen des BAMF passierte dies in diesem Jahr in nur zwei Prozent der tatsächlich in Asylanträgen verwendeten Handyauswertungen. Das entspricht hochgerechnet weniger als 60 Fällen. Eine für das BAMF ziemlich unangenehme Zahl. Schließlich investiert die Behörde auch deshalb seit zwei Jahren massiv in die IT-Systeme, um herauszufinden, ob Geflüchtete falsche Angaben über ihre Herkunft machen.Wenn ihr Informationen über die IT-Systeme des BAMF habt oder selbst davon betroffen seid, könnt ihr die Autorin per E-Mail kontaktieren . Motherboard wird auch in Zukunft weiter zu dem Thema recherchieren und berichten.
Die verschiedenen Standorte des BAMF nutzen die Technik zur Handyauswertung sehr unterschiedlich häufig. In Gießen wurden von Januar bis Ende Oktober 2018 fast 1.500 Geräte ausgelesen, in Berlin nur zwei | Datenvisualisierung: Motherboard || Karte: Leaflet | © OpenStreetMap contributor
Dialektanalyse: Zwei Minuten, die zum Problem werden können
Die Sprachanalysesoftware wurde seit September 2017 an den Standorten des BAMF ausgerollt | Grafik: Motherboard
Name und Gesicht sollen die Identifizierung sicherstellen
Auf dem Chip des Aufenthaltstitels sind Lichtbild und Fingerabdrücke von Asylsuchenden gespeichert | Bild: BAMF
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Laut BAMF-Vize Markus Richter habe das BAMF für die Software "alle Telefonbücher des arabischen Raums ausgewertet". Aus der Antwort des Innenministeriums geht hervor, dass das System mit etwa einer Milliarde Namen aus der ganzen Welt gefüttert wurde. Bei den arabischen Namen, für die sich das BAMF interessiert, sind es aber wesentlich weniger: "20.000 reelle Namen" pro Herkunftsland seien enthalten.Auch hier sieht die Bilanz der IT-Systeme also nicht so rosig aus, wie es auf den ersten Blick wirkt. Denn hinzu kommt, dass die Qualität der Ergebnisse immens schwankt: Während bei Syrern oder Irakern Erfolgsquoten von 85 bis 90 Prozent erreicht würden, seien es bei den Maghreb-Staaten – Mauretanien, Algerien, Tunesien, Libyen, Marokko und Westsahara – nur noch 35 Prozent. Schließlich hätte die Namensauswertung in einem Viertel aller Fälle, in denen die Software eingesetzt wurde, die Angaben der Asylsuchenden gestützt, bei 34 Prozent habe es Widersprüche gegeben, beim Rest seien die Ergebnisse nicht verifizierbar oder ohne Ergebnis geblieben.
Der damalige Innenminister Thomas de Maizière ließ sich die IT-Systeme des BAMF im Dezember 2017 vorführen | Bild: imago | Jens Jeske