FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

In der besten romantischen Komödie des Sommers geht es um einen 18-Jährigen, der sich in einen alten Mann verliebt

Bruce LaBruce bringt einen neuen Film raus. Und wir erwarten nichts weniger als einen Skandal!

Foto: mit freundlicher Genehmigung von Bruce LaBruce

Liza Minnelli sagte mal, dass es drei Arten von Liebesgeschichten gibt: „Mann trifft Frau, Mann verliert Frau und Mann holt sich Frau.“ Diesen Sommer fügt die Ikone der Homo-Szene dieser Regel einen weiteren Typ Liebesgeschichte hinzu: Junger Mann verliebt sich in alten Mann. In Gerontophilia, der neuen romantischen Komödie von Bruce LaBruce, geht es um den 18-jährigen Lake, der sich in Mr. Peabody verliebt—ein 81 Jahre alter Bewohner des Altenheims, in dem Lake arbeitet.

Anzeige

Zwischen den beiden entsteht eine sexuelle und romantische Beziehung. Fans und Kritiker kennen LaBruce für seine expliziten Underground-Filme, zum Beispiel L.A. Zombie, aber die Liebschaft zwischen Lake und Mr. Peabody kommt nie verstörend oder schockierend rüber. Durch die witzigen Szenen im Altenheim und in einer Schwulenbar wird die Beziehung zu einer der bewegendsten Kino-Romanzen des Jahres.  Diesen Monat habe ich per Skype mit LaBruce gesprochen—er war selbst jahrelang Kolumnist für VICE. Dabei diskutierten wir über den Film, seine neue Kunstshow mit dem Thema „Promi-Parfüm“ und einen wirklich existierenden Teenager, der Beziehungen mit zwei berühmten, alten Männern führte.

VICE: Wie kamst du zu der Idee für diesen Film?
Bruce LaBruce: Marcus Ewert, einer meiner Freunde aus San Francisco, war im Alter von 17 oder 18 in Beziehungen mit William Burroughs und Allen Ginsberg. Seine Geschichte interessierte mich wirklich sehr, denn diese Beziehungen liefen getrennt voneinander ab und waren irgendwie Liebesbeziehungen. Er hatte so viel Respekt vor der Weisheit und der Courage der Beiden, dass sich das Ganze zu einer romantischen und sexuellen Beziehung entwickelte. Deswegen dachte ich mir: „Ich habe eine Film über Stricher gemacht—schwule Stricher, des Geldes wegen. So läuft es nicht immer.“ Meiner Erfahrung nach sind die Beziehungen zwischen alten Männern und Strichern ziemlich oft viel komplexer. Die Senioren geben ihnen viel mehr. Sie kümmern sich um sie, auch emotional. In unserer Gesellschaft gibt es anscheinend nicht mehr viel Ehrfurcht vor den älteren Menschen, warum nicht also sexuelle Ehrfurcht?

Anzeige

Denkst du, dass sowohl das hohe als auch junge Alter negative Seiten hat?
Absolut. Ich kann mich mit beiden Charakteren identifizieren. Ich erinnerte mich an mein 18. Lebensjahr zurück und daran, wie es damals war—für mich sehr traumatisch. Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen und meine sexuelle Orientierung war ein großes Problem, es gab nämlich viel Homophobie. Wenn wir an Mr. Peabody denken, dann wissen wir, was uns in der Zukunft erwartet. Das macht einem irgendwie Angst: Er wurde von seiner Familie verlassen, in ein Heim abgeschoben, bekommt zu viele Medikamente, wird fertig gemacht und er ist auch verletzlich. Beides hat also Nachteile.

Wieso ist Lake, der junge Mann in deinem Film, ein Rettungsschwimmer?
Jemand machte mich darauf aufmerksam—und daran habe ich selbst gar nicht wirklich gedacht—, dass der Film irgendwie genau andersrum abläuft wie Lolita, wobei der alte Mann die Rolle der Lolita einnimmt. Das Ganze ist eine komische Umkehrung von Pädophilie. Lake hält sich an Kreuzungen in Schulnähe auf, aber nicht für die Kinder, sondern für die alten Männer; er hängt in Schwimmbädern ab und bekommt einen Job in einem Seniorenheim. Einige Leute kehren das unter den Teppich und sehen sein Hingezogensein zu alten Männern nicht als Fetisch an, denn ihre Beziehung ist so schön und natürlich. Es ist irgendwie eine Verdrehung, aber immer noch ein Fetisch—das Ganze hat auch etwas Zwanghaftes an sich.

Anzeige

Hast du den Film absichtlich weniger sexuell als deine bisherigen Werke gemacht?
Ich würde nicht sagen, dass er weniger sexuell ist—die Sexualität wird nur nicht so explizit gezeigt. Dieses Mal erhielt ich finanzielle Unterstützung von den kanadischen Regierungsbehörden für Filmfinanzierung, also hatte die Produktion für mich ein größeres Ausmaß. Die Idee war, einen kommerzielleren Film zu drehen. Ich wollte ein Thema behandeln, das zu meinen bisherigen Werken passt—also heikel und irgendwie riskant. Da aber diesmal professionelle Schauspieler mitmachten, stand eine explizite Darstellung irgendwie außer Frage.

Dein aktuelles Kunstprojekt ist ein Promi-Parfüm namens „Obscenity“. Wie kamst du darauf?
Ich veranstalte des öfteren Kunstshows. Vor drei Jahren trug eines meiner Fotoshootings in Madrid  den Namen „Obscenity“. Es verursachte einen Aufschrei, denn da wurden Fotos von berühmten spanischen Künstlern und Persönlichkeiten gemacht und es ging um die Schnittpunkte von Religion und Sexualität. Es gab Proteste. Jemand versuchte, die Galerie in die Luft zu sprengen. Ich ließ etwas Gras über die Sache wachsen, aber die Idee des „Obscenity“-Parfüms behielt ich immer im Hinterkopf—es sollte eine Art Satire auf Promis sein. Jonathan Johnson, ein Freund von mir, ist Juwelier. Wir suchten schon lange nach einer Möglichkeit, zusammenzuarbeiten, also gestaltete er für mich den Flaschenverschluss—eine nackte Nonne. Grundlage hierfür war ein 3D-Bild seiner Frau. Ich fotografierte sie und ein schwarzes Model—sie war dabei als Nonne verkleidet, er als Priester.

Glaubst du, dass Promi-Parfüme ein Beispiel für heterosexuellen Camp sind?
Das kommt immer darauf an, wer sie rausbringt. Vor ein paar Jahren machte Alan Cumming ein Parfüm namens „Cummings“, was von seinem guten, schwulen Geschmack zeugte. Wenn das im heterosexuellen Bereich genau so hingekriegt wird, dann finde ich das toll—ein Beispiel hierfür wären die Chanel-Werbungen. Das genaue Gegenteil kann aber auch der Fall sein. Lady Gagas Parfüm ist heterosexueller Camp.

Obwohl Katholiken in der Vergangenheit deine Werke kritisiert haben, gibt es bei „Obscenity“ und im neuen Film viele Anspielungen auf diese Glaubensrichtung. War das Absicht?
Ich hab in vielen meiner Filme Anspielungen auf den Katholizismus gemacht. Im Laufe der Geschichte hat es immer wieder richtig perverse Heilige gegeben. Einige von ihnen sind sehr masochistisch und sexuell, zum Beispiel durch das Küssen von Christus Füßen oder das Saugen des Eiters aus den Wunden von Leprakranken. Ich finde es nur sehr interessant, dass sie als superreligiös gelten, aber gleichzeitig total sexuell agieren. Die meisten Leute würden einen 18-jährigen Jungen, der nur zum Ficken von alten Männern einen Job in einem Altenheim annimmt, nicht als Heiligen betrachten—ich schon.

Gerontophilia erscheint am 28. November auf DVD.