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Reisen

Grüße aus Kabul

Während es für unsere Leser so aussehen mag, dass Henry und ich uns hier in Afghanistan königlich amüsieren, ist unser Auftrag doch etwas tiefgründiger als nur schick essen zu gehen, Party zu machen und zu trinken, als stünde die Prohibition vor der...

Während es für unsere Leser so aussehen mag, dass Henry und ich uns hier in Afghanistan königlich amüsieren, ist unser Auftrag doch etwas tiefgründiger als nur schick essen zu gehen, Party zu machen und zu trinken, als stünde die Prohibition vor der Tür. Neben romantischen chinesischen Mahlzeiten unter dem Schutz von AK-47s und lauwarmen Bier wollten wir uns außerdem die humanitäre Situation im Land anschauen.

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Dieses Wochenende haben wir ein Minenräumtrupp in den Bergen um Kabul begleitet. In den 80ern, als die Russen hier noch an der Macht waren, wurden die Mujahedin in Schach gehalten, indem man einen Ring aus Minen um die Randgebiete der Stadt gelegt hat. Unsere Truppe hat den Auftrag, sie zu finden und zu entfernen.

Nach Kambodscha ist Afghanistan das Land, das am meisten mit Minen belastet ist. 550 Leute werden im Jahr von Landminen verletzt. Andere Überraschungen, die nicht explodiert sind, werden hier einfach wieder vergraben. Es gibt 7.000 Gefahrenzonen in Afghanistan, die meisten davon sind mit Stacheldraht und Schildern gekennzeichnet.

Das Problem ist, das man mit Gerümpel - Gerümpel wie Stacheldraht und Schildern - hier sehr einfach handeln kann. Das afghanische Volk ist so arm, dass sie ihre Kinder verkaufen. Du kannst noch so viele Schutzbarrieren aufstellen, die Leute sehen nicht die Warnung, sie sehen das Geld.

Minenräumen ist keine Luxusarbeit. Wir mussten 30 Kilo schwere Anzüge tragen und um 10 Uhr morgens waren es schon 36 Grad. Aber die Schichten sind super. Alle 30 Minuten darfst du eine Pause machen, um Stress abzubauen. Am Ende des Tages hatte ich mich in einen realitätsfremden Zustand von Benommenheit geraucht und gesonnt. Aber wenn man hier Vollzeit arbeitet, dann braucht man diese Pausen. Letztes Jahr hat einer aus der Truppe sein Auge bei einer Explosion verloren.

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Das Mine Action Coordination Centre von Afghanistan schätzt, dass das Minenproblem 2013 „kontrollierbar" ist, solange die Fördergelder fließen. Die Formulierung dieser Aussage ist nicht sehr beruhigend, und wenn man bedenkt, dass die Amerikaner das Land  bald verlassen werden und es dann bestimmt wieder in Chaos versinkt, kann man davon ausgehen, dass sich die Bauernkinder noch viele Generationen lang ihre Zehen an Landminen verbrennen werden.

In der Zwischenzeit sind sie damit beschäftigt, den Leuten beizubringen, wie man künstliche Gliedmaßen für Minenopfer herstellt. Wir haben eine Fabrik und ein Zentrum für Anpassung in Kabul besucht, wo jährlich 4.000 Ersatzkörperteile produziert werden.

Dort haben wir Nasir getroffen, einen afghanischen Soldaten, der beide Beine in einem Gefecht mit den Taliban verloren hat. Plastikbeine hin oder her, Nasir war nicht gerade konfliktscheu. „Was bringt eure Dokumentation mir?" fragte er. „Das hilft Afghanistan nicht weiter."

Als wir aus dem Krankenhaus rausgingen, trafen wir ein paar Kinder, die uns erzählten, dass sie Ausländer hassen.

„Wie würdet ihr euch fühlen, wenn euer Land eingenommen wird?", sagten sie.

Zehn Jahre Russland, fünf Jahre pakistanische Taliban und jetzt ein neues Jahrzehnt Amerikaner. Wir haben den Eindruck, dass viele Leute in Afghanistan sich wünschen, dass der Rest von uns einfach mal heimgehen würde.

FOTOS: HENRY LANGSTON

Hier sind noch Teil eins, zwei und drei der Grüße aus Kabul.