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Drogen

Nahm die tote US-Touristin aus Berlin mehr als zwei Pillen?

Im Fall der Berghain-Raverin, die an einer Überdosis starb, haben wir mit Staatsanwaltschaft und Polizei über den Ermittlungsstand gesprochen.
Drei Ecstasy-Pillen, Symbolbild: Willy turner | Wikimedia | Public Domain

An einem Samstagabend im Juni 2017 machte ein kalifornisches Ehepaar das, was so viele Touristen in Berlin machen: Sie stellten sich in die Berghain-Schlange. Ganz in Schwarz gekleidet gelangten die Frau und ihr Mann in den Club. Keine sechs Stunden später lag die Frau tot in einem Berliner Krankenhaus: Überdosis MDMA, zwei Pillen soll sie genommen haben. Der Journalist Alexander Osang hat ihre Geschichte Mitte März im Spiegel aufgeschrieben und dabei viele Fragen rund um den Fall offengelassen. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse.

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Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Todesermittlungsverfahren bereits eingestellt. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber VICE sagte, laufe aber noch ein Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, das in "Richtung USA" gehe.

Damit dürfte es sich bei dem Tatverdächtigen aller Voraussicht nach um den Freund des Ehepaares handeln, der mit den beiden in den Club gegangen war und für die Verstorbene mindestens zwei Ecstasy-Pillen auf der Clubtoilette gekauft hatte. Der US-Amerikaner soll Deutschland nach dem Unglück verlassen haben. So schreibt es zumindest der Spiegel. Doch es gibt Zweifel, ob die verunglückte Frau nicht sogar noch mehr als zwei Pillen konsumiert hatte.

Nahm die Touristin mehr als nur zwei Pillen?

Olaf Schremm, Leiter des Dezernats für Rauschgift- und Arzneimittelkriminalität des Berliner LKA, schreibt in einem Leserkommentar im Medienmagazin Übermedien, die bei der Toten festgestellten MDMA-Werte lagen "rund zehnfach über einer verträgliches Dosis". Es sei "zweifelhaft", ob diese Menge mit nur zwei Ecstasy-Tabletten überhaupt erreicht werden könne.

Gegenüber VICE wollte sich Schremm weder weiter zum Fall äußern, noch erklären, wie hoch eine "verträgliche" Dosis laut Berliner Polizei ist. Drogenberatungsstellen gehen davon aus, dass ernsthafte Nebenwirkungen schon ab 120 Milligramm MDMA auftreten. Sie raten deshalb auch dazu, sollte man sich entscheiden, Ecstasy zu konsumieren, mit höchstens einer Viertelpille zu starten. Viele der Pillen, an die Konsumenten heute gelangen können, enthalten bis zu dem Doppelten dieser Menge, einige wenige übersteigen sogar 300 Milligramm.

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Auch bei VICE: Die Wahrheit über Ecstasy


Den Kommentar auf Übermedien hat Schremm unter einem Artikel abgesetzt, der die Berichterstattung im Spiegel kritisierte. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) sagte dem Übermedien, dass seine Zitate im Spiegel aus einem sogenannten Hintergrundgespräch stammten, in dem der konkrete Todesfall überhaupt nicht thematisiert wurde. Auch LKA-Dezernent Olaf Schremm schreibt, sein Treffen mit Alexander Osang wäre ein "Hintergrundgespräch zum Thema Clubszene und Drogenproblematik" gewesen. Für gewöhnlich zitieren Journalisten aus solchen Gesprächen nicht.

'Spiegel'-Journalist schreibt an Serienverfilmung des "Mythos Berlin"

Wie Schremm und Lederer scheint auch den Spiegel-Journalisten Alexander Osang der Fall noch weiter zu beschäftigen. Derzeit arbeitet er mit der Filmproduzentin Lisa Blumenberg an einem neuen "Serienprojekt" über den "internationalen Mythos der deutschen Hauptstadt als Club- und Partyhochburg", schreibt das Medienmagazin DWLD.de. Osangs Spiegel-Reportage soll dafür die Grundlage liefern, die Handlung solle aber weit über den Fall hinausgehen und fiktiv bleiben. Blumenberg, die zuletzt die international hochgelobte Serie Bad Banks produziert hat, sagte DWLD.de, Berlin sei ein "cooler Sehnsuchtsort für junge Leute". Das ziehe vor allem die "verheißungsvolle und geheimnisumwitterte Clubszene" der Stadt an.

Erst am Osterwochenende waren drei Männer auf einer Party im Osten der Stadt zusammengebrochen und mussten notärztlich versorgt werden. Alle drei hatten Drogen genommen, ob es sich dabei auch um Ecstasy handelte, ist unklar. Die Polizei nahm keine Ermittlungen auf, wie eine Sprecherin zu VICE sagte.

Wie die Feiernden und Schluckenden nicht dem Mythos zum Opfer fallen (Stichwort: Eigenverantwortung der Konsumenten, Stichwort: Legalisierung von Drug-Checking, Stichwort: akzeptanzorientierte Drogenpolitik und bessere Aufklärung) hatte der Spiegel in seiner Reportage nicht thematisiert.

Wenn du schon einmal ambulant behandelt werden musstest, nachdem du Drogen genommen hast, – oder Freunde von dir – und mit dem Autoren über deine Erfahrung sprechen möchtest, erreichst du ihn per E-mail oder via Twitter.

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