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Aaron Swartz' tragischer Kampf mit dem Copyright

Aaron Swartz gilt als Wegbereiter von Reddit und Vorkämpfer der Open-Access-Bewegung. Leider zerbrach das Internet-Wunderkind an sich selber und beging vergangene Woche Selbstmord.

Letzten Freitag hat Aaron H. Swartz im Alter von 26 Jahren in seinem Appartement in New York Selbstmord begangen. Aaron Swartz war Vorkämpfer der Open-Access-Bewegung und hatte sich jahrelang für freien Zugang zum Netz und gegen Zensur eingesetzt.

Er war Rebell und Pionier zugleich, Mitbegründer des Start-Ups Infogami (das später in Reddit aufging) und Co-Autor des meistverbreitetsten RSS-Protokolls. 2010 sorgte Swartz zum ersten Mal für Schlagzeilen, als er über die Server des MITs fast 2 Millionen wissenschaftliche Artikel des Online-Archivs JSTOR heruntergeladen hatte. Laut Urheberrecht war der Vorgang illegal oder wie es andere ausdrückten 'leichtfertig', denn eigentlich hatten nur die Tochtergesellschaften und Mitarbeiter des MITs Zugang zu diesen Daten. Swartz hingegen war der Meinung, dass auch die Öffentlichkeit ein Recht auf dieser Informationen habe. Weder MIT noch JSTOR erhoben Anklage gegen Swartz, die Regierung lies ihn allerdings nicht so leicht davon kommen, klagten ihn in 13 verschiedenen Punkten an und drohte ihm sogar mit einer Gefängnisstrafe. Glaubt man seiner Mutter, litt Swartz sehr unter der Anklage und der Aussicht eventuell im Gefängnis zu landen. Er hatte wohl schon öfter über Selbstmord nachgedacht und letzten Freitag hat er es dann auch tatsächlich durchgezogen.

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 Im Juli 2011 wurde Swartz zum ersten Mal verhaftet und für sein Vergehen, was manch andere allerdings als Heldentat bezeichnen würden, angeklagt. Vom Amtgericht in Massachussetts wude Aaron in vielen weiteren Punkten angeklat (wie Überweisungsbetrug, Computerbetrug und rücksichtsloser Beschädigung von JSTORs Eigentum). Die Anklage wegen Sachbeschädigung wurde mit der entstandenen Verzugszeit begründet, die Swartz  während seiner Download-Aktion verursacht hatte. JSTOR behauptete des Weiteren, dass Swartz Eigentum im Wert von einiger Millionen Dollar geklaut habe. Ihm drohten im Fall einer Verurteilung bis zu 35 Jahre Haft und eine hohe Geldstrafe. Zu dieser Zeit äußerte sich Swartz nur noch sehr selten öffentlich zu den Vorwürfen, ITHAKA jedoch, die Non-Profit-Organisation hinter JSTOR, ließ immer wieder verlauten, dass sie sich mit Swartz geeinigt hätten und die Angelegenheit als abgeschlossen betrachteten. Man fragt sich also, warum die Strafverfolger weiterhin gegen Swartz ermittelten, obwohl ITHAKA die Klage hatte fallen lassen. Viele sind der Meinung, dass das FBI an Swartz ein Exempel statuieren wollte.

Vor seiner Download-Aktion (und bevor Swartz mit einem ähnlichen Massen-Download Aufmerksamkeit erregte) arbeitete er als Programmierer und war mit nur 14 Jahren als Co-Autor an der ersten RSS-Spezifikation beteiligt. Er war ein Jahr an der Stanford Universität eingeschrieben, brach sein Studium aber nach einem Jahr wieder ab, da ihm „die anderen Studenten nicht sonderlich intellektuell vorkamen und sowieso vollkommen uninteressiert zu sein schienen“. Statt die Uni zu beenden, gründete Swartz also seine eigene Firma Infogami, die von Y Combinator finanziert wurde. Durch seine Arbeit bei Y Combinator wurde er schließlich zu dem Team hinzugezogen, das die Website Reddit gründete. Und obwohl er nicht namentlich erwähnt ist, sehen viele in Swartz einen der Mitbegründer dieses Projekts. Erst vor kurzem hatte sich Swartz dann dem Kampf gegen SOPA / PIPA angeschlossen und die Aktivisten-Organisation Demand Progress gegründet. Daraufhin wurde er Partner des Zentrums für Ehtik in Harvard.

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Aaron war aber auch ein ausgezeichneter Schriftsteller und Redner. In „Who Writes Wikipedia“ kritisierte er auf seinem Blog, Raw Thought, das führende Online-Lexikon und 2011 hielt er bei der O'Reilly Tools for Change-Konferenz eine bissige Rede über dieses Lexikon. 2007 half er dabei, die non-profit Open Library zu entwickeln, die Informationen über alle Bücher sammelt, die jemals veröffentlicht wurden. 2012 wurde im New Museum in New York ein Projekt ausgestellt, an dem Aaron zusammen mit dem Fotografen Taryn Simon gearbeitet hatte. Zuletzt lebte er in Brooklyn und arbeitete als Programmierer für Avaaz.org.

Allem Anschein nach war Swartz also ein zukunftsweisender Kopf der Bewegung zum öffentlichen Zugang zum Netz. Glaubt man seinen Angaben, war Swartz aber vor allem deswegen bei der Übernahme von Reddit involviert, weil er die Richtlinien für den offenen Zugang zu Informationen erweitern wollte und Reformen für ein besseres Hochschulwesen durchsetzten wollte. In seinem 2008 veröffentlichten „Guerilla Open Access Manifesto“ werden seine Überzeugungen noch deutlicher: „Es ist einfach nicht möglich, dass ganze Bibliotheken gescannt werden und nur bei Google zugänglich sind. Genau so unerhört ist es, dass wissenschaftliche Artikel nur der elitären Bildungsschicht zugänglich gemacht werden.“

Man kann nur schwer sagen, inwieweit die Anschuldigungen und die Anklage letztendlich an Aarons Selbstmord Schuld sind. Er hatte wohl schon öfters öffentlich über seine Depressionen gesprochen und zugegeben, wie sehr ihm die Anschuldigungen zusetzten. 2007 schrieb er:„Nach draußen gehen um ein wenig Frischluft zu schnappen oder sich drinnen gemütlich aufs Sofa zu legen, das macht es auch nicht besser. Es macht einen nur noch trauriger, weil man merkt, dass man es nicht genießen kann und nicht die gleiche Freude wie andere empfindet. Alles wird nur noch schlimmer und du fühlst dich, als würden unsagbare Schmerzen durch deinen Kopf jagen, du zerstörst kontinuierlich deinen Körper und willst einfach nur abhauen. Das ist aber ja noch einer der ertragbaren Zustände.“ In einem Blog-Post am Samstag beklagten seine Familie und sein Partner, Taren Stinebricker-Kaufmann, seinen Tod nicht nur als persönliche Tragödie, sondern viel mehr als das Produkt eines kriminellen Justizsystems. Das Amtsgericht in Massachussetts und die Leute vom MIT hätten ihr Übriges zu Aarons Tod beigetragen. Der Staatsanwalt hätte ein Verbrechen, bei dem es keine Opfer gab außergewöhnlich hart belastet und anders als JSTOR, hatte sich MIT zudem geweigert für Aaron und die von ihrem eigenen Netzwerk so wertgeschätzten Prinzipien einzutreten.

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Nur wenige konnten sich erklären, wieso Swartz so erbarmungslos von der Staatsanwaltschaft verfolgt wurde, hatte er sich doch nicht zum ersten Mal mit der Regierung angelegt.  2008 veröffentlichte er etwa 20 Millionen Gerichtsdokumente, die er im Vorjahr aus der öffentlichen und von bestimmten Bibliotheken aus probeweise kostenlos zugänglichen Datenbank PACER heruntergeladen. Nach dieser Aktion war ihm zwar das FBI auf der Ferse, die Anklage wurde jedoch fallen gelassen (eine Version seines Projekts kann man noch immer hier finden). Es war zudem sicherlich auch nicht von Vorteil, dass Aaron oft mit Hackern aus Cambridge rumhing, vor allem da die Polizei es nicht erwarten konnte Bradley Manning zu überführen, der bewiesenermaßen mal einen Hacker Hang Out an der MIT besucht hatte.

Seit seinem Selbstmord empören sich immer mehr Leute im Internet über die Hacker-Hetzjagd der US Regierung. Internetsicherheit steht mittlerweile ganz oben auf Washingtons To-Do-Liste. Da die Polizei allerdings noch keine wirkliche Strategie hat, um den Hackern das Handwerk zu legen, gehen sie mit äußerster Brutalität gegen diese vor und verhängen drakonische Strafen. Lawrence Lessig, Rechtsexperte an der Universität Harvard ist einer der bedeutendsten Verfassungsrechtler der USA. Seiner Meinung nach  merzt zerstört das bestehende Urheberrecht jegliche Kreativität und akademische Freiheit. Aarons Fall bezeichnet er als ein modernes  Szenario, in dem der Kläger zu einem Bully mutiert. Lessig war einer der Mitbegründer von Creative Commons und war ein guter Freund von Aaron. Er kommentierte Aarons Selbstmord im Internet und schreckte nicht davor zurück, Aarons Strafverfolgung direkt verantwortlich zu machen:

Ein paar Tage vor seinem Selbstmord bewahrheitete sich ironischwerweise Aarons Vision: JSTOR verkündete, dass sie Tausende Artikel in ihrer Datenbank registrierten Usern zur Verfügung stellen würden.