FYI.

This story is over 5 years old.

The Moral Compass Issue

Spin Me Round

Hier sind unsere Reviews zu den wichtigen und beschissenen Neuerscheinungen für euren Plattenspieler.

NOEM

Panzer LP

This Charming Man

Vielleicht die freundlichste unfreundliche Band, die wir gerade hier im Land haben. Dank einer vorangegangenen EP-Veröffentlichung konnten wir deren miese Gesinnung schon etwas einwirken lassen, nun aber rollt der Panzer. Und zwar genau von der AmRep-Schule ausgehend in Richtung Jesus-Lizard-Terrarium, sämtliche Ampeln, Stoppschilder und hin und wieder auch winkende Passanten unter sich begrabend. Draußen ist alles verloren, drinnen schon lange, so die Quintessenz. Also stehen sie da, grinsend, lärmend, sich warme Wichse aus den Schwänzen drückend. Klar. Wer sollte sie auch daran hindern?

Anzeige

THERE’S A LIGHT THAT NEVER GOES ON

I HAD PLANS

The Perception of Beauty … LP

Unterm Durchschnitt

Ich merke gerade, die Aufnahmebereitschaft gegenüber Bands, die aus mindestens 20 verschiedenen Richtungen gegen klassische Songstrukturen schießen, so als seien sie die Verlängerung der abzulehnenden Ordnung, kommt einem dann doch mit dem Alter etwas albern vor. Die hier (natürlich gefühlsrauschend) agierenden Gitarristen scheinen nie denselben Song zu spielen. Sollte da eine interne Setlist-Verwechslung vorliegen, ist das bedauerlich für alle Beteiligten. Bei vorsätzlichem Konzept hingegen verwischt die Wirkung zwischen Verwirrung und Kopfschmerz.

AT THE JIVE-IN

HERO DISHONEST

Dangerous LP

Sabotage

Zwischen Neo-Dada, Zoophilie und fünf Wodka zu viel schwankendes Coverartwork, leichtfüßige Kritik am Kommunikationszeitalter („Spam Me Up, Scotty“) und sicher versenkte Referenzen („Birth, Sports Illustrated, Death“) fahren hier die halbe Miete ein. Die übrigen drei Punkte verdanken die Urheber dieses finnischen Gebräus aus Thrash, Punk, Schweinerock und Midtempo-Auszeiten der medialen Omnipotenz ihres Labels. Platte, CD und MP-Download bekommt man ja echt nicht alle Tage auf einmal serviert.

BILL GATES NOCH

DAS FIEBER

s/t LP

Das Fieber

Wird grauenhafte Musik veröffentlicht, dann beruft sich der Urheber gern entweder auf Krankheit oder Avantgarde. Fieber, die klingen wie eine ADHS-Kindergartengruppe bei der Musiktherapie, sichern sich vorsichtshalber gleich nach beiden Seiten ab. So als wollten sie entwaffnend die Hände heben und sagen: Jetzt schau doch nicht so entsetzt, du wusstest doch, worauf du dich einlässt!

Anzeige

RON JEREMY

THE AUSTRASIAN GOAT/HALLOWED BUTCHERY

Split 10"

Vendetta

Gründe, sich diese Platte anzuschaffen: Die nachapokalyptische Meditation über den immergleichen weinenden Akkord, den Austrasian Goat auf A2 bis ans Ende des Universums schallen lässt. Der Moment, in dem Hallowed Butchery auf B1 nach ausgiebig tieftönendem Eiergeschaukel sein Riffing plötzlich zärtlich gen Harvest beten lässt, ohne Neil Young diesmal wirklich zu covern. Gründe sind das allemal genug, doch sollten die Worte des Verlegers („Brauchste nich besprechen, die vakoof ik och so.“) ein gewisses Beschaffungstempo anmahnen.

BUTCH KENNSTEDIE

TEHO TEARDO/JG THIRLWELL

Santarcangelo 7"

Specula Records

Teardo aus dem Meathead-Umfeld auf der einen, Foetus auf der anderen Seite, die ihre Maschinen hier wie Echolote in eine Höhle bei Santarcangelo (Italien) richten. Bei einer so kontextgebundenen Veranstaltung ist es natürlich schwer, die Tonträgerdokumentation mit einer vergleichbaren Erkenntnistiefe auszustatten. Du wirst jetzt vielleicht sagen: „Höhle, mein Zwölfquadratmeterloch—wo ist da der Unterschied?“ Nun, probier es aus. Am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen, dass man dabei gewesen sein muss.

TOM SAWYER

BUM KHUN CHA YOUTH/QUASI ZOMBIE

Cliquenedition #1 7"

self released

Wenn jemand in diesem Land den Indie-Knigge auswendig aufsagen kann, dann Linus Volkmann. Ganz wichtig: Saloppes Desinteresse ausstrahlen. Volkmann schreibt beim Versand dieser Promo-7“„Das mit den Singles“ in die Adresszeile. Nicht minder wesentlich: Brisanz im Beiläufigen entwickeln und musikalischen Anspruch mit Macherschwung ausbremsen. Eine vorbildliche Demonstration auf A1. Auf der B-Seite echot es aus dem Dunstkreis. Natürlich alles DIY. Selten waren Bewahrmentalität und Wertkonservatismus so beweglich in den Hüften.

Anzeige

FRED ASTERIX

TERRIBLE FEELINGS

Impending Doom 7"

Sabotage/Lack of Sleep

Keine Umwege machender, in seinem Temperament bis zum Surfgitarreneinsatz gehender Pop-Punk, wie er derzeit tatsächlich nur aus Schweden kommen kann. Das wirklich besondere hierbei: Die Texte von Sängerin Manuela hallen so poetisch durch die Abgründe der Existenz, dass die Nachbarn in Norwegen blass genug vor Neid sein dürften, um direkt die Corpsepaint wegzulassen. Du siehst also, egal wie gut oder beschissen es dir geht, dieser affektive Allrounder ist immer die passende Begleitung.

C.G. JUNGCHEN