FYI.

This story is over 5 years old.

Restaurant Confessionals

Der schrecklichste Job: Tellerwäscher bei IKEA

„Anfangs haben wir versucht, noch ein bisschen Spaß auf Arbeit zu haben und uns mit Wasser aus dem Waschbecken bespritzt oder uns Essensschlachten geliefert. Diese Köttbullar sind von ihrer Größe und Form her einfach ideale Wurfgeschosse. Aber in der...

Willkommen zurück zu den_ Restaurant Confessionals_, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. _Heute erzählt uns ein Ex-Tellerwäscher von IKEA wie es wirklich ist, wenn man hinter jedem hinterherputzen muss—auch hinter sich selbst._

Fast jeder, den ich kenne, hatte während seiner Unizeit irgendwann einen beschissenen Nebenjob. Meistens wolltest du den Job eigentlich gar nicht richtig machen, aber du hast es trotzdem getan, weil du eh nichts Besseres gefunden hättest, selbst wenn du es versucht hättest. Einige sind sonntags im Morgengrauen aufgestanden, um auf einem Bauernhof zu arbeiten, andere haben den Tag damit verbracht, eine Hüpfburg keimfrei zu halten. Alles vollkommen OK. Das ist eine wichtige Etappe auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Aber vor allem hat man so auf jeder Party was zu erzählen.

Anzeige

Leider kann ich auf meine Studentenjobs nicht so froh zurückblicken. Eher das Gegenteil: Die Erinnerung allein löst bei mir Angst und Schrecken aus.

ARTIKEL: Der schwedische Screwdriver: Desinfektionsgel mit Orangensaft

Noch bis letztes Jahr habe ich an zwei Tagen die Woche bei IKEA Geschirr gespült. Manchmal habe ich zwei Tage hintereinander gearbeitet, also in einer 18-Stunden-Schicht. Das hieß dann zehn Stunden arbeiten und dann eine einstündige Pause. Das war gar nicht so schlecht, weil ich in nur zwei Tagen dasselbe verdient habe, wie einige meiner Freunde, die vier Tage die Woche gearbeitet haben. Wir hatten nicht immer sonntags auf, aber wenn, dann bekam ich den ganzen Tag den doppelten Stundenlohn. Das war schon geil. Deshalb kann man sich in Belgien glücklich schätzen, wenn man einen Nebenjob bei IKEA ergattert.Der einzige Nachteil: Du kannst nicht entscheiden, in welche Abteilung du landest. Und ich habe die Arschkarte gezogen und musste Geschirr spülen.

Die Spülküche ist wahrscheinlich der traurigste Ort im ganzen Einrichtungshaus. Es gibt ein einziges Fenster, das liegt aber so weit oben, dass man nicht mal bei der Arbeit rausgucken kann. Also vergisst man schnell, dass da draußen auch noch eine Welt ohne Geschirr existiert. Du hast nur ständig diese weißgeflieste Wand vor Augen, auf der im Laufe des Tages ein Gemälde aus Essensresten und Saucenspritzern entsteht.

Am schlimmsten ist dran ist derjenige, der scheuern muss. Dafür müssen die großen Bleche aus der Küche geholt werden, auf denen ganze Essen gekocht und aufgewärmt wurde. Ein Blech muss in einer Minute sauber sein, aber meistens klebt noch eine dicke Schicht Essen drauf.

Anzeige

Jeder in der Spülküche hat eine andere Aufgabe. Einer steht am Anfang des Fließbands und nimmt die Tabletts aus den Wagen, schmeißt restliches Essen und Servietten wegund stellt sie auf das Fließband. Das ist der wohl einsamste Job, weil der Arbeitsbereich durch eine Wand vom Rest der Spülküche abgetrennt ist. Nachdem die Tabletts durch ein Loch in der Wand dann zum Spülen kommen, wird das Geschirr systematisch sortiert. Einer nimmt Gläser und Tassen, ein anderer die Teller, der nächste die Suppenteller und so weiter. Als letztes kommt das Besteck vom Tablett, das ein großer Magnet greift und in einen Behälter mit warmem Wasser manövriert. Beim Sortieren des Geschirrs muss man darauf achten, dass man die Behälter rechtzeitig auswechselt: Wenn sie voll sind, müssen sie schnell in die Maschinen hinter einem und ein neuer leerer Behälter muss her. Das heißt, dass man immer hochkonzentriert und extrem schnell arbeiten muss, weil das Fließband die ganze Zeit läuft.

ARTIKEL: Horrorgeschichten aus der Küche: Blut, Eiter und Verbrennungen

Am schlimmsten ist derjenige dran, der scheuern muss. Dafür müssen die großen Bleche aus der Küche geholt werden, auf denen ganze Essen gekocht und aufgewärmt wurde. Ein Blech muss in einer Minute sauber sein, aber meistens klebt noch eine dicke Schicht Essen drauf. Man muss sie also mit sehr heißem Wasser abschrubben und durch den Dampf kann man nur schwer arbeiten. Wenn ein Blech für Kartoffelbrei verwendet wurde, ist das nicht so schwer, aber wenn Lachs darauf gegrillt wurde, ist das einfach nur schrecklich.

Anzeige

Die Arbeit am Fließband wäre viel ertragbarer, wenn man sich wenigstens mit seinen Kollegen unterhalten könnte, aber die vollautomatischen Spülmaschinen und das Fließband selbst sind so laut, dass das fast unmöglich ist. Man kann sich selbst nicht einmal denken hören, geschweige denn sich unterhalten. Angeblich gibt es wohl an der Decke Lautsprecher, aber während meiner Zeit dort habe ich nie irgendwelche Musik gehört. Nach einer Weile konnte ich das Gedröhne der Maschinen nicht mehr ertragen, also habe ich einfach lauthals gesungen, musste niemanden gefallen, meine Kollegen konnten mich ja eh nicht hören.

Diese Köttbullar sind von ihrer Größe und Form her einfach ideale Wurfgeschosse.

Anfangs haben wir versucht, noch ein bisschen Spaß auf Arbeit zu haben und uns mit Wasser aus dem Waschbecken bespritzt oder uns Essensschlachten geliefert. Diese Köttbullar sind von ihrer Größe und Form her einfach ideale Wurfgeschosse. Aber in der Spülküche vergeht einem auch wirklich jeglicher Spaß. Selbst wenn ich versucht habe, mir die Arbeit etwas witziger zu gestalten, hatte ich dadurch nur noch mehr zu tun, weil das Fließband die ganze Zeit lief und sich das Geschirr irgendwann gestaut hatte.

Um der endlosen Langeweile zu entfliehen haben wir unter anderem Gras geraucht. Fast alle Kollegen waren schon high, als sie zur Arbeit kamen. In der Spülküche ist es relativ egal, wie man aussieht und man muss sein Gehirn auch nicht großartig anstrengen. Und weil man auch keine großen Entscheidungen treffen musste, hab ich meist bis in die frühen Morgenstunden gefeiert und bin danach gleich zur Arbeit. Ein bisschen Speed und ich konnte monotonen Aufgaben in der Küche locker meistern. Eine gefährliche Angewohnheit.

In der Spülküche von IKEA sollten eigentlich nur Maschinen arbeiten, aber da solche Roboter bis jetzt noch nicht erfunden wurden, müssen eben Menschen ran. Für eine kurze Zeit habe ich das ertragen, weil es ja auch nur an zwei Tagen der Woche war. Den Rest der Zeit hab ich gern in der Uni verbracht. Kaum vorstellbar, wie unglücklich die Leute sind, die das als Vollzeitjob machen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf MUNCHIES NL.