Was hinter dem Klischee steckt, dass Linkshänder viel besser in Mathe sind
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Was hinter dem Klischee steckt, dass Linkshänder viel besser in Mathe sind

Es gibt eine neue, großangelegte Studie – und Rechtshänder müssen jetzt ganz stark sein.

Leider ist es kaum möglich, einen Artikel über Linkshänder ohne Klischees zu beginnen, daher entschuldige ich mich im Voraus dafür, euch hier nur beispielhaft Leonardo Da Vinci, Aristoteles, Lionel Messi und Barack Obama als prominente Vertreter des linkshändigen Genius unterzujubeln. Meine Kreativität lässt zu wünschen übrig; bin halt auch nur ein schnöder Rechtshänder mit hessischem Abitur.

Aber stimmt es denn nun: Sind Linkshänder wirklich genialer als der Rest der Menschheit? Um die besonders unter Linkshändern beliebte Annahme auf solidere Füße zu stellen, haben fünf italienische Forscher untersucht, wie gut Linkshänder in Mathe abschneiden und ihre Ergebnisse im renommierten Frontiers in Psychology-Fachblatt veröffentlicht.

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Linkshänder oder Menschen, die beidhändig sind, machen zwischen 10% und 13,5% der Bevölkerung aus. Wer gerne mit links schreibt, dessen rechte Gehirnhälfte ist meist etwas ausgeprägter. Das bedeutet: Es fällt solchen Menschen generell leichter, sich plastische Modelle von Objekten vorzustellen und sie im Kopf zu drehen, Datensätze und Funktionen zu bearbeiten und weitere Skills, mit denen man in Mathe punkten kann.

Zentral dabei ist ein Nervenzellenbündel namens Corpus Callosum, das die beiden Gehirn-Hemisphären miteinander verbindet. Je besser die Konnektivität der beiden Hälften, desto schneller werden Informationen verarbeitet. Bei Linkshändern ist der Corpus Callosum oft vergrößert – möglicherweise auch, weil sich Linkshänder in einer rechtshänderdominierten Welt zurechtfinden müssen und ihre Hirne dafür unbewusst Strategien entwickeln.


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Doch an bisherigen Ergebnissen über Linkshändigkeit und Kognition gab es gleich mehrere Probleme: Die Theorie, dass Linkshänder häufiger besser in Mathe seien, kam durch jüngste Untersuchungen nämlich ins Wanken. Oft wurde in der Vergangenheit aber lediglich gefragt, ob die Testpersonen Linkshänder seien, statt genau zu untersuchen, welche Aufgaben sie mit welcher Hand erledigen.

Klar ist: Unter sehr guten Schachspielern, Pianisten und Mathematik-Wunderkindern finden sich ganz besonders viele Linkshänder. Aber kann man deswegen wirklich vorhersagen, dass ein Linkshänder vermutlich sehr klug und ein Mathe-As sein wird? Genau das wollte das Forscherteam herausfinden.

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Tatsächlich schnitten Linkshänder deutlich besser als der Rest des
Samples ab, wenn es um schwierige mathematische Aufgaben ging

In fünf Experimenten an italienischen Schulen mit insgesamt 2.314 Teilnehmern untersuchten die Kognitionspsychologen nun den Zusammenhang zwischen der Händigkeit und den mathematischen Fähigkeiten der Schüler. Die Probanden mussten Matheaufgaben bearbeiten, ein besonderer Fokus wurde auf Ableitungsaufgaben und Logiktests gelegt. Mal waren die Schüler noch jung und mussten vor allem addieren und subtrahieren, mal mussten Teenager über den Aufgaben brüten.

Tatsächlich schnitten Linkshänder deutlich besser als der Rest des Samples ab, wenn es um schwierige mathematische Aufgaben ging. Wurde dagegen nur ein bisschen Bruchrechnung gefordert, gab es keine nennenswerten Unterschiede. Bedeutet also: Die Beziehung zwischen Händigkeit und Mathe-Skills ist komplex und ist beeinflusst vom Geschlecht und Alter – gut schlugen sich zum Beispiel heranwachsende Jungs –, und dem Aufgabentypus.

Diese Differenzierung der Ergebnisse wurde erst möglich, weil die italienischen Forscher schon bei der Abfrage der Händigkeit angefangen haben, zu relativieren: Statt in zwei Kategorien fragten die Autoren die Schüler detailliert nach ihrer Lieblingshand für verschiedene Tätigkeiten wie Malen, Tennisspielen, Anziehen und Schreiben. So entstand eine Skala statt einer Dichotomie; manche Schüler können also linkshändiger sein als andere.

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Wer auf dieser Skala sehr weit rechts stand, also die rechte Hand für so gut wie alles benutzte, schnitt deutlich schlechter in allen Matheaufgaben ab als die anderen Schüler.

Und auch das andere Extrem konnte in dieser Studie keinen Vorteil herausschlagen: Wer wirklich alles mit links macht, dem fielen die Testaufgaben auch nicht leichter als anderen Kindern. Die Ergebnisse lassen sich also nicht linear – je linkshändiger, desto genialer – interpretieren.

"Es scheint wichtig, anzumerken, dass Nicht-Linearität auch bei anderen bekannten psychologischen Phänomenen auftritt, etwa bei Entscheidungsfindung, Vergesslichkeit und Lernfähigkeit", schreiben die Autoren im Diskussionsteil der Studie.

Das Ergebnis: Gott sei Dank ist alles mal wieder nicht so einfach wie gedacht. Zusammengefasst lässt sich also sagen: Ja, die Händigkeit beeinflusst kognitive Fähigkeiten – zumindest als Indikator dafür, wie gut verbunden beide Hirnhälften sind.

"Der bloße Vergleich zwischen Rechts- und Linkshändigkeit ist ungenügend, um zu beschreiben, wie die Händigkeit und die Mathefähigkeiten miteinander interagieren", versucht die Studie Rechtshänder zu trösten. Trotzdem: besser in Mathe sind sie eben generell doch, die Schweine.

Offenlegung: Dieser Text wurde von einer Rechtshänderin geschrieben, einem Rechtshänder redigiert und von einer Linkshänderin gegengelesen.