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Bis so guet

Tötungsmaschine Radio

Es gibt wohl kaum eine Gerät, mit dem effizienter Kriege legitimiert, Völker verfolgt und Weltbilder indoktriniert worden sind, als das Radio. Früher stopfte man Andersdenkenden das Maul. Nun sind die guten Musiker dran.

Foto von rpm 1200

Ich bin kein Fan von kommerziellem Radio. Moderatoren, die dich von morgens bis abends voll labern. Die ständig den Zwang verspüren, Verkehrsmeldungen durchzugeben. Die Krisenmeldungen mit ihrer Gute-Laune-Stimme unterlegen. Die jubeln, wenn Heidi vom Arschzapfenwald beim Mitmachgewinnspiel ihre vergoldete Klobürste ergattert. Die sich brüskieren, wenn Miley Cyrus in ihrem neuen Clip die Zitzen eines brünftigen Dackelweibchens leckt. Die behaupten, einen Song nur einmal am Tag zu spielen. So etwas wie Flucht gibt es nicht. Radio läuft überall.

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Eigentlich ist das nicht unbedingt überraschend. Radiosender gibt es ja schon seit über hundert Jahren, warum also sollte jemand aufhören sie zu hören? „Ich höre ja alles gerne“. Der Standartspruch der Radiofans. Geschmacksneutrale Alleshörer! Man erkennt sie daran, dass sie auf auf die Frage; „auch Guildo Horn und André Rieu?“ das obligatorische; „nein, das nicht, aber das läuft ja auch nicht im Radio!“ einwerfen. Naja. Wahrscheinlich wird das Pack bald noch das letzte Musikfestival kommerzialisiert haben.

Foto von GuiGui Les Bons Skeudis

Vielleicht glauben sie, Musik entstünde unabhängig davon, ob man dafür bezahlt oder nicht. Womöglich sind sie einfach zu stumpfsinnig, um darüber nachzudenken. Wahrscheinlich ist es ihnen einfach scheissegal. Aber trotzdem: Alle wollen Musik. Hier, jetzt, alles. Zum Beispiel Spotify, die moralische Rechtfertigungsstätte des Musikhörens: „Ich bezahle ja 12 Franken im Monat!“ Für 12 Franken kriegt man zumindest hierzulande gerade einmal etwas Popeliges zu futtern.

Ein Warner Bros Musiklabel kann es verkraften, wenn einige auf das CD-Kaufen verzichten. Aber was ist mit den unabhängigen Künstlern, den unabhängigen Labels? Und ich bin mir sicher, jeder, der das liest, hört Musik, die nicht aus den Retortenpressen irgendwelcher LA-Labels stammt.

Dass das Radio ein wahres Wundermittel gegen soziales Unkraut wie etwa Minderheiten oder Individualisten wirkt, wusste man schon zu Zeiten Hitlers oder Stalins. Die Nationalsozialisten setzten das Radio gezielt  dafür ein, ihre antisemitische Propaganda ans gemeine Volk zu bringen, was letztlich viele Menschen das Leben gekostet hat. Das Radio war und ist eine Killermaschine. Was früher ein politisches Kampfgas war, ist heute kulturelles Pestizid. Und das Säuberungsdogma der Gegenwart heisst Massentauglichkeit. Trotz dem Fortschritt bleiben einige Probleme:

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Foto von Wikimedia

Foto von Carlisle Rejet

Zunächst neigt jeder zweite dazu, eine klassische Indie-Rockband in die Welt zu rufen, weil „der“ Musikhörer (ich meine den, den wir alle tief drin verabscheuen, wenn er zu uns spricht) sich in seinem Glauben, es gäbe zu wenig davon, immer neue Indie-Bands wünscht. Als Beispiel kann hier eine „Ich-klinge-genauso-wie-die-Arctic-Monkeys-Band“ genannt werden. Oder die Arctic Monkeys selbst, die eigentlich nur die „Smiths“ mit ein wenig Punk zusammengemischt haben. Zweitens fehlt die finanzielle Unterstützung durch Hörer, die letztlich notwendig ist, um musikalisch weiter Experimente durchführen zu können. Die Realitätsflucht der Hörer kann an zahlreichen Youtube-Kommentaren exemplifiziert werden: „I wish I was born in the 80s!“.

Aber wir wissen ja alle, dass wir da nicht dazu gehören. Trotzdem ein kleiner Vorschlag für den nächsten Feierabend: Statt über Spotify doch mal eine CD rein oder ein Vinyl auf den Plattenspieler hauen. Glaubt mir: Wenn man dafür bezahlt hat, hört man ein wenig genauer hin.

Damit eure Lieblingsbands nicht aussterben, könnt ihr auch dieses Wochenende wieder Vollgas geben:

Der Donnerstag demonstriert, dass nicht nur Unterwäsche knapp getragen werden sollte: Superknapp wird es bei der Kurzfilmreihe Kurz und Knapp im Treibhaus und Still Not im Raum der Knappheit; Arbenz. Wer mit der elenden, tristen Langweile seines knapp möblierten Heims aufräumen will, geht ans take a seat im Z am Park. Weniger Knapp, aber dafür einfach schön wirds am rue royal in der Rossi Bar. Wer auf all das keine Lust hat, gibt sich am besten musikalischen Badespass mit Pal Moddi Knutsen (Nor) und Sion Russel Jones (Wales; yeah bitches, walish fuckin Wales!) in der Grabenhalle. Oder das Kabelsalatbuffet; club d'essai in der Dampfzentrale.

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Am Freitag transformieren wir uns ins Wochenende: Offene Tür im Transform. Wenn ihr findet, Spass ist euch so wichtig, dass man die Sache verdammt nochmal endlich einmal ernst nehmen sollte, seid ihr genau richtig bei take your pleasure seriously im Südpol. Ist Spass etwas, was euch mittlerweile nur noch langweilt, bläst euch gefälligst das Hirn weg mit siedendem Schlamm und Slam im Sud. Ist euch das immer noch zu nahe am Erdboden, sprengt euch mit Opas Handgranatensammlung in die Luft oder in den musikalischen Hyperraum mit Coultrain im Kraftfeld. Und für trinkwütige Labertaschen empfehlen wir Shot Stories im Coq d'Or.

Samstags werden wir schon dermassen vom Wochenende ausgespuckt, es ist paradox; Total wild und total Paradox im Lux. Weil wir auf den Saint Paddies Day noch zwei Monate warten müssen und die Schotten den Iren bezüglich simpler Rumsauferei in Nichts nachstehen, feiern wir schottisches Komasaufen mit Whisky aller Art an der burns night im Mühletal. Wer die Ethanolorgie lieber mit seinem Fetish nach junger, alternativer, hochbrisanter oder hypergegenwartsmässiger Kunst befriedigt, geht ins a Roland for Oliver, in die Schwarzwaldallee oder in die Kunsthalle Luzern inklusive Eröffnungsfete. Wer nach all dem immer noch stehen kann, nimmt sich ein paar bequeme Stunden an der sunday moring afterhour in der Amboss Rampe.

Am Sonntag sind wir so kapputt, dass wir uns die Schweiz geben, unplugged: Mit Arno Camenisch in der Turnhalle. Und wer noch nicht genug Offspace hatte, geht ins Klingenthal.

Am Montag nehmens wirs locker an der Bass Lounge im Merkker oder am Jam im Parterre.

Dienstags wird es Zeit, etwas nachdenklicher zu werden, und der Realität des anderen Lebens ins Gesicht zu blicken. Millions can walk Podiumsdiskussion im Theater Rigiblick.

Und am Mittwoch platzen wir vor lauter Leute im Kinski. Hungrige gehen in die Vokü im Rümpelturm oder geben sich Wokspezialitäten mit integriertem Bühnengeschehen im Sous Le Pont.