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Die Oscars: Wer am kommenden Sonntag einen Goldjungen abstauben wird

Wir können uns schon gar nicht mehr erinnern, wann das letzte Mal so viele gute Filme bei den Academy Awards nominiert waren. Trotzdem glauben wir schon zu wissen, wer gewinnt.

Foto von chescasantos101

Es sollte nicht ignoriert werden, dass dieses Jahr bei den Oscars tatsächlich filmische Meisterleistungen gegen einander ins Rennen gehen, im Gegensatz zum peinlichen „Retro-Nostalgie-und-Schwarzweiß-sind-dasselbe-wie-Qualität“-Jahr 2012 mit passenden und auch irgendwie seelenlosen Gewinnern wie Hugo und The Artist. 

2013 war auch irgendwie wenig an Substanz da (zumindest was die Gewinner betrifft). Da half es auch wenig, dass Ben Affleck ganz ernst und bescheiden getan hat, als sein Argo wenig überraschend abgeräumt hat—vielleicht noch auf den Ausläufern der Retro-Welle surfend—, obwohl im Vergleich andere viel eher Best Picture verdient hätten.

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Und dassSilver Linings Playbook der beste Film des Jahres gewesen sein soll,ist schon ein bisschen verwunderlich und sagen wir mal Perlen vor die Edel-Wollsäue. Es ist sicherlich ein süßer Film mit starken Darstellern, aber wäre in den 80ern nicht aus der versumpften 08/15-Rom-Com-Kategorie herausgestochen. Bei Christoph Waltz' Schwermetallmännchen wurde ja auch gestritten, ob er sich ausgerechnet mit seiner Tarantino-Rolle wirklich so verdient um den Preis gemacht hatte.

Foto von chescasantos101

Dieses Jahr wird es im Gegensatz dazu wirklich spannend. Die Oscar-Verleihung am kommenden Sonntag ist ein bisschen wie der Super Bowl des letzten Jahres (beim Football liefen die Jahre genau entgegengesetzt spannend ab).

Dieses Mal hat jeder Favorit unverschämt viele verdiente Mitstreiter. Let's wait and see. Oder let's not wait and see now. Hier unsere Prognosen.

Best Picture: The Wolf of Wall Street

Scorsese scores. Dieses Herzblutprojekt von DiCaprio und dem steinalten Mini-Italiener mit den buschigen Augenbrauen ist die Kür eines den Zuschauer verschlingenden Sittenbildes. Das macht mich nicht zum Rassisten oder zum homophoben Exzess-Fanaten, denn 12 Years a Slave und Dallas Buyers Club sind ganz groß und stehen für sich bombenfest in der Qualitätsbrandung des Filmjahrs. Und ich würde auch Gravity oder Her gerne auf dem sinnbildlichen Stockerl sehen, aber wenn es um Best Picture geht, setze ich mein Geld auf allumfassenden, filmemacherischen Wahnsinn.

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Best Directing: Gravity

Ja, Gravity ist Kitsch und Psychoanalyse. Aber er ist auch die dramaturgisch dichteste Neuauflage der letzten 10 Wiedergeburts-Minuten von 2001 — A Space Odyssey, die es ohne überbordende Spezial- und Sound-Effekte zu sehen gibt. Weil Clooney wurscht, Bullock voller Botox, die Geschichte in 2 Sekunden erzählt und die Kamera großteils CGI ist, muss der Film also einfach den Oscar für beste Regie bekommen. Bestes Attraktionskino wie bei Eisenstein, mit Bummzack, aber in leise.

Best Actor in a Leading Role: Chiwetel Ejiofor

Auch wenn es beeindruckend ist, dass sich jemand auf sein Geburtsgewicht runterhungert, um ein AIDS-Drama anzuheizen, reicht McConaugheys Ultra-Körperlichkeit dieses Mal nicht aus, um die Spitze anzuführen. Für seinen kurzen Auftritt in The Wolf of Wall Street würde ich ihm schon ein, zwei Oscars mit Mayo nachwerfen. Chiwetels Rolle des Solomon in 12 Years a Slave ist einfach eine andere Kategorie von Schauspielern. Wer so delikate Method-Tiefen und ausgestorbene Gefühlsextreme mobilisieren kann, gleichzeitig Stolz und geschickt eingesetztes Overacting suggeriert, bekommt meinen Tipp.

Best Actress in a Leading Role: Amy Adams

Ich würde ja am liebsten Sandra Bullock sagen, aber auch wenn ihr Botox-Gesicht sehr gut zur emotionalen Erstarrung ihres Charakters in Gravity passt, rechtfertigen die Injektionen mit Gift noch keine Statue in Gold. Amy Adams hingegen war wirklich super und brauchte dafür noch nicht mal einen guten Film um ihre Schauspielleistung drum rum.

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Best Actor in a Supporting Role: Barkhad Abdi

Bei den BAFTA Awards hat in dieser Kategorie Jared Leto abgestaubt — allerdings war dort komischerweise auch Daniel Brühl für Rush als bester Nebendarsteller nominiert, obwohl es in dem Film um NICHTS ANDERES ALS NIKI LAUDA GEHT, also was wissen die schon. Ich sage Abdi, weil er glaubwürdiger spielt als irgendein Hypo-Verantwortlicher. Und weil die Oscars solche Underdog-Erfolgsgeschichten brauchen und es dieses Jahr noch kein Beasts of the Southern Wild 2 gibt.

Best Actress in Supporting Role: Jennifer Lawrence

Natürlich Jennifer, weil ich wie jeder normale Mensch ein Herz für coole Mädels habe und ihr stundenlang beim Tanzen und Saufen zusehen könnte, während sie den luxuriösen Nussholz-Haushalt schmeißt. Ich plädiere jedoch darauf, dass ihr der letztjährige Oscar wieder entzogen und diesen Sonntag einfach neu verliehenwird—„American Hairpiece“ soll schließlich nicht leer ausgehen.

Best Cinematography: The Grandmaster

Wenn es etwas gibt, das Hollywood hasst, dann ist es das Bild, das Europa von ihm hat. Ihrer Eigenwahrnehmung nach ist das von außen homogen gesehene Hollywood nämlich der diversifizierte Diskurs-Hafen des linken, freiheitsliebenden Weltfilms (auch, wenn Ridley Scott mit Black Hawk Down damals einen gewaltigen Rechtsschritt in Richtung Mitspracherecht der Bush-Regierung getan hat). Und weil Selbstbilder nur halten, wenn man sie mit anderen Bildern belegen kann, wird unserer Meinung nach die Bildgewalt von The Grandmaster für den (auch nach nach Ost hin) offenen Anstrich sorgen. Kurz: Hallo Internationalität!

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Best Documentary Feature: The Act of Killing

Joshua Oppenheimer hat uns ja schon einiges zu diesem Film erzählt. Die Prämisse stellt die ganze Definition der Dokumentation auf den Kopf und beschreibt sie gleichzeitig perfekt. 20 Feet from Stardom rührt zu Tränen, aber nicht im Kino, und The Square ist faszinierend, die Frau hinter den Eindrücken der Ägypten-Revolution eine Meisterin und hätte jedes andere Jahr abgeräumt, aber Act of Killing schnappt sich den Realness-Award.

Best Original Screenplay: Her

Wie alles, was durch Spike Jonzes Filter geht, ist auch bei Her die videografische Inszenierung natürlich wieder einer der wichtigsten Aspekte des Films. Aber während sich die Umsetzung stellenweise als emo-hipsterig spießt, ist das aufs Wort runterreduzierte Drehbuchgerüst ein extrem präzises, supergutes Pamphlet gegen die Postmoderne, das einfach nur sagt: „Fickt eure Ironie, verliebt euch gefälligst in Scarlett Johanssons Stimme.“ Und die hört man auch schon beim Lesen. Her mit dem Goldjungen!

Best Adapted Screenplay: Before Midnight

Wenn jemand dialogtechnisch und für Natürlichkeit im Quellmaterial belohnt werden sollte, dann Richard Linklaters dritter Teil der Never-Ending-Bullshiters. Die zwei habe ich gerne, weil sie Menschen geblieben sind, zwar prätentiöse und teils eingebildete Künstler, aber trotzdem Menschen.

Den ebenso nominierten Captain Phillips mochte ich sehr, aber der lebt nicht so sehr vom gesprochenen Wort und der Genialität des Buchs, mehr von der Umsetzung. Damit lehnen wir uns zurück in froher Erwartung auf den Oscar-Abend und hoffen, dass unsere Vorhersagen in Erfüllung gehen—weil Rechthaben immer super ist.

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