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Popkultur

Mikroskopisch kleine Gemälde eines Schlosses auf einem einzigen Sandkorn

Die Künstler Vic Muniz und Marcelo Coelho haben winzig kleine Mikrozeichnungen von monumentaler Größe geschaffen. Seht in unserer Doku, wie sie von der Camera Lucida bis zur Ionenfeinstrahlanlage alles einsetzten, um ihre Vision zu verwirklichen.

Nach vier Jahren des Experimentierens und Herumprobierens haben es Künstler Vic Muniz und Künstler und Wissenschaftler Marcelo Coelho endlich geschafft, Zeichnungen zu erschaffen, die gleichzeitig winzig klein und gewaltig groß sind: Sie ätzten prachtvolle Schlösser auf mikroskopische Sandkörner—Sandburgen Bauen mal anders rum.

Mit weniger als einem halben Millimeter Breite erscheinen die Zeichnungen dem bloßen Augen unbedeutend. Muniz aber ist bekannt für seine Werke, die unseren Blickwinkel je nach Kontext verändern. In der Vergangenheit kreierte er 500 Meter lange Zeichnungen, die nur von einem Helikopter aus gesehen werden konnten. Am Boden wirkten diese Zeichnungen nur wie ausgeschaufelte Pfade im Dreck. Vor fünf Jahren dachte Muniz das erste Mal in die andere Richtung: Was wäre, wenn er Zeichnungen anfertigen könnte, die klein wie eine Miniatur, aber gleichzeitig von monumentaler Größe sind?

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The Creators Project hat die Mikro-Sandschlösser dokumentiert, die als Teil einer umfassenden Ausstellung über die Arbeit von Vic Muniz im Tel Aviv Museum of Art zu sehen sind. Wir haben untersucht, wie es die Technologie uns ermöglicht, die Größe von Leinwänden dramatisch schrumpfen oder wachsen zu lassen. Von mikroskopischer Kunst bis hin zu Projekten, die die Ambition haben, den Himmel zu malen (buchstäblich), richten wir den Blick auf Künstler, die sich neue Leinwände schaffen und dabei neue kreative Ansätze erforschen.

Erfahrt weiter unter mehr über den atemberaubenden Prozess hinter den scheinbar kaum erkennbaren Gravuren von Muniz' und Coelhos.

Um diese Ätzungen durchführen zu können, arbeiteten Muniz und Coelho einen höchst technischen Prozess heraus, bei dem sowohl altmodische Technologie als auch innovative visuelle Tools eingesetzt werden. Muniz fertigte zuerst Skizzen von Schlössern mit einer Camera Lucida an, einem Gerät zur optischen Überlagerung aus dem Jahr 1807. Das Gerät projiziert Bilder, die der Betrachter vor sich sieht, auf ein Blatt Papier. Das ermöglichte Muniz, die kleinen Schlösser nachzuzeichnen.

Danach schickte er diese Bilder an Coelho, der vier Jahre lang relativ erfolglos mit verschiedenen mikroskopischen Zeichenprozessen herumspielte. Laserbeschriftung beispielsweise zerstörte die weichen Sandkörner oftmals oder war auf härteren Sandkörnern nicht erkennbar.

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Schlussendlich benutze er eine Ionenfeinstrahlanlage (Focused-Ion-Beam), die normalerweise zur Reparatur von integrierten Schaltkreisen auf Mikrochips verwendet wird. Auf hochempfindliche Stufen eingestellt brachte er die Form eines Schlosses in mikroskopischer Größenordnung hervor. Das Focused-Ion-Beam setzt zwei Bildschirme ein: Der erste umrahmt das Bild und stellt die Elektronen dar, die benötigt werden, um das Korn sichtbar zu machen. Der zweite Bildschirm zeigt die Ionen, die das Korn ätzen. Das Resultat ist ein scharfes Bild von Muniz' Schlössern:

Auf die Frage, warum sie gerade Sandschlösser zeichneten, antwortete Muniz: „Ich setze auf sehr einfache Bilder, die du schon Millionen Mal gesehen hast … Du glaubst, du kennst es. Aber dann musst du es noch mal kennenlernen.“

In dieser Vergrößerungsstufe ist ein einziges Pixel ungefähr 50 Nanometer breit. Ja, Nano. Eine einzige Linie kann irgendwo zwischen 0,4 und 1,0 Mikrometer liegen—nahezu die Auflösungsgrenze von sichtbarem Licht. Deshalb kann das Duo die Zeichnungen auch nicht mit einem optischen Mikroskop abfotografieren. Jedes einzelne Bild benötigt mindestens neun Scans, bevor es ausgedruckt werden kann. Muniz macht daraus 1,20 Meter breite Makro-Fotos.

„Es ist wirklich komisch“, sagt Coelho, „weil du im Grunde auf eine Fläche zeichnest, von der du nicht weißt, was sie eigentlich ist. Du kannst sie nicht festhalten.“ Im Laufe des Experimentierprozesses fragte sich Coelho immer wieder, ob er die Bilder nicht einfach mit Photoshop machen sollte. „Aber dir wird klar, dass das nicht dasselbe wäre. In einer gewissen Weise trägt das fertige Bild auch die Geschichte seines Entstehungsprozesses in sich.“

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Muniz fügte hinzu: „Wenn dir jemand erklärt: Hey, das ist ein Sandkorn, dann bricht in diesem Moment die Realität vor dir zusammen. Und du musst sie neu aufbauen. Du musst Abstand nehmen und überdenken, was das Bild ist und was es bedeutet“. In etwa so, wie es uns mit dem Verständnis der Malerei erging, als die Fotografie erfunden wurde.

„Ich glaube, Fotografie fängt in gewisser Weise gerade einfach noch mal neu an“, so Coelho. „Ich glaube, es entsteht gerade eine völlig neue Art der Fotografie. Ein Hauptgrund dafür ist die Verbindung von Computern und Kameras. Und daraus kann eine neue Art des Storytellings entstehen.“