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Investitionen

So sollen die DDR-Millionen den Berliner Grillsommer retten

185 Millionen Euro der SED liegen noch auf Schweizer Konten. Berlin-Mitte hat sich für seinen Anteil etwas sehr Spezielles ausgedacht.
Trabbi: Imago | Werner Schulze | Wurst: imago / CHROMORANG

Auch Sozialisten haben Schweizer Konten. Zwar sehen sie den Kapitalismus traditionell eher kritisch, aber wenn es ums Geld geht, vertrauen auch aufrechte Revolutionäre offenbar eher den Schweizern als ihrem eigenen bröckelnden Bankensystem. Zumindest hat die Staatspartei der DDR, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), genau das getan. In den Wirren der Wendezeit haben SED-Politiker sich große Mühe gegeben, so viel Geld wie möglich aus der kollabierenden DDR in die Schweiz zu schaffen. Jetzt soll dieses Geld, insgesamt 185 Millionen Euro, aus den Bergen wieder zurück in den Osten fließen.

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Dort soll es an die neuen Bundesländer und an die Ostbezirke Berlins verteilt werden. Die stellen schon jetzt fleißig Wunschlisten auf, wie sie ihren Anteil gerne investieren würden. Unter anderem plant der Bezirk Berlin-Mitte offenbar, mit dem Geld öffentliche Elektrogrills aufstellen zu lassen, die sich per Münzeinwurf anschmeißen lassen. Das berichtet die Berliner Morgenpost. Ob das im Sinne der SED, oder der immer noch andauernden Bemühungen zur Wiedervereinigung sein soll, ist nicht ganz klar. Zumindest steht fest, dass Geld selten einen so komplizierten Weg gehen musste, um in etwas investiert zu werden, das ein Policy-Vorschlag aus der neuesten Ausgabe der Beef sein könnte.

Seit der Wiedervereinigung bemüht sich Deutschland, die in der Schweiz versteckten DDR-Millionen zurückzubekommen. Seit Jahren führt die Bundesrepublik einen Rechtsstreit gegen mehrere Schweizer Bankhäuser. Die hatten das Geld bis jetzt behalten, weil nicht klar war, ob die Millionen der SED (und damit jetzt der Bundesrepublik) oder der Kommunistischen Partei Österreich gehörten. 2017 gab ein Schweizer Gericht den Deutschen Recht. Jetzt kann ein Teil des Geldes wohl endlich ausgezahlt werden.

Wer wie viel davon für welches Vorhaben bekommt, darüber haben sich die Deutschen – wenig überraschend – seit der Wiedervereinigung schon Gedanken gemacht. Schon 1990 hatten sich BRD und DDR darauf geeinigt, dass das Vermögen der SED in die "wirtschaftliche Umstrukturierung" oder in "investive oder investitionsfördernde Maßnahmen im sozialen und kulturellen Bereich" (vermutlich Elektrogrills) gesteckt werden sollte.

Wie die Berliner Morgenpost berichtet, stehen den Bezirken im Berliner Osten 15 von den 185 Millionen Euro zu. Ein Großteil dieses Geldes wird wohl in Sanierungsarbeiten gesteckt werden. Mal soll ein Kirchturm ausgebessert, mal eine Sportanlage ausgebaut werden. Außerdem gibt es offenbar überall in Berlin Kinderspielplätze, die so extrem marode und baufällig sind, dass sie bereits vor Jahren geschlossen wurden. Mit anderen Worten: Der Ostteil der Stadt soll bunter, neuer und insgesamt weniger baufällig-berlinerisch werden. Nur der Bezirk Mitte will nicht nur renovieren, sondern lieber in ein paar elektrische Grills investieren.

Mit denen soll im Monbijoupark gegen fettigen Qualm und gefährliche Feuer, also gegen alles, was Grillen so archaisch und reizvoll macht, vorgegangen werden. Ganz zivilisiert sollen die Berliner hier ihre Tofuwurst über den Glühstäben rösten und dafür mit Münzen bezahlen wie im Waschsalon. Abgeschaut hat sich der Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), das vermutlich bei den Hamburgern. Dort gibt es die öffentlichen Grillstationen schon, der Preis liegt bei satten 10.000 Euro pro Station. Ein bisschen finanzielle Unterstützung aus der Vergangenheit könnten die Berliner also gut gebrauchen. Das Geld, das Griller in den Münzschlitz werfen, soll übrigens ausschließlich für die Reinigung und den Weiterbetrieb der Stationen benutzt werden. Geld verdienen will der Bezirk mit den Elektrogrills also nicht. Und das hört sich doch fast ein bisschen sozialistisch an.

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