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Der Traum ist aus. Das war der Sommer 2014.

Was zur Hölle sollen wir denn jetzt bitte machen?
Ryan Bassil
London, GB

Foto von Chris Bethell

Seien wir ehrlich: Du kannst weiterhin versuchen, deine Wohnung in nicht mehr als einem T-Shirt zu verlassen, einen Billigflug auf die Balearen buchen oder den Café del Mar-Mix immer wieder auflegen, den du die letzten Monate schon bis zum Erbrechen gehört hast, aber der Sommer ist einfach vorbei. Der Traum ist aus. Es tut uns wahnsinnig leid. Lass ihn einfach gehen.

Das führt uns aber unweigerlich zu der brennenden Frage: Was sollen wir jetzt mit uns anfangen, wenn der Sommer—kühles Bier in lauen Nächten, kurzlebige Romanzen mit Austauschstudenten und unsere imaginäre Adventureland-Welt, die wir uns zu dieser Jahreszeit immer zurechtphantasieren—verschwunden ist?

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Wir können nicht einfach mit den gleichen Freizeitaktivitäten weitermachen, mit denen wir uns in den letzten Monaten schon die Zeit versüßt haben, da es (A) arschkalt geworden ist und es (B) regnet. Und auch wenn es gerade mal nicht wie aus riesigen Eiskübeln schüttet, scheint wirklich jeder nur Eins zu wollen: im Bett bleiben, Serien schauen, einsam heiße Schokolade trinken und hemmungslos masturbieren, bis der Sommer uns endlich wieder mit seiner wohligen Wärme beglückt.

So soll es aber nicht sein. Der Winter ist toll und hier habt ihr auch ein paar gute Gründe, warum:

Wir können wieder in Clubs gehen

Foto von Jake Lewis

Wir wissen auch, dass so ziemlich alle Clubs das ganze Jahr über geöffnet haben, auch wenn sich dort an den brütend heißen Mitsommernächten nur noch die wirklich Hartgesottenen einfinden, während die meisten anderen Menschen nichts anderes wollen, als in einem Feld zu liegen und Gin Tonics zu trinken. Es macht einfach so viel mehr Sinn, sich eine Winternacht in überteuerten Räumlichkeiten um die Ohren zu schlagen. Es kann durchaus Spaß machen, im Sommer in einen Club zu gehen, aber sich in den Gärten von fremden Leuten zu betrinken und zu versuchen, auf Parkbänken seine Jugend zu rekapitulieren, ist ungemein spaßiger. Im Winter konzentrieren wir uns dann wieder auf das Wesentliche: minutiös geplante Ausflüge in dunkle Räumlichkeiten, bei denen du reichlich in deine Bierflasche schwitzen kannst, während sich deine Gesichtsmuskulatur verselbstständigt und du zur Musik des DJs mitnickst.

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Es gibt im Winter nicht nur einige großangelegte Indoorevents mit fantastischen Line-Ups, sondern es gibt dir gleichzeitig auch dieses Gefühl von Sicherheit, dass die nächsten Monate in drogeninduzierter Vertrautheit an dir vorüberziehen werden. Der Sommer ist die Zeit des Erkundens—von Orten, Menschen und Pillen, die du auf dubiosen Internetseiten gekauft hast. Im Winter bist du aber wieder zurück im familiären Schoß von schlechtem Koks und Bier. Willkommen daheim, geliebte Feinde.

Wir können uns über Jahreslisten und Award-Shows aufregen

Jedes Jahr—in der Regel gegen Dezember, aber manchmal aus unerfindlichen Gründen schon Mitte November—hauen sämtliche Musikpublikationen ihre Jahreslisten raus. Das bedeutet normalerweise, dass zwei oder drei der Hauptredakteure die Tracks zu einer mehr oder weniger kohärenten Reihenfolge zusammenstellen, die sie sich tatsächlich mal bei iTunes runtergeladen haben. Dann stellen sie das Ergebnis ins Internet, damit dort so viele Menschen wie möglich die Liste dafür kritisieren können, dass sie nur einen Künstler beinhaltet, der schwarz/weiblich/DJ/Gitarrenband/Rapper/europäisch, weiß und männlich ist. Besonders nervig ist dabei, dass das Gerede über Musik ein wahrer Lustkiller ist. Wenn mich jemand darum bitten würde, Radioheads Alben irgendeiner Reihe nach aufzulisten, würde ich mir einfach höflich ein Taxi rufen lassen. Während ich keinen Spaß daran habe, selber Musik in irgendeiner Weise zu sortieren, habe ich durchaus Spaß daran, 40 Jahre alte Männer in Wisconsin zum Heulen zu bringen, indem ich ihnen mitteile, dass das Hören von Sun Kil Moons Benji ungefähr so vergnüglich ist, wie sich selbst mit einer spermaverkrusteten Vliesweste zu erwürgen.

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Du hast endlich wieder die Wochenenden für dich

Foto von Mary Alice

Musikfestivals können einem ganze Sommer stehlen. Du bist ein Wochenende unterwegs, versuchst dich dann die Woche über wieder halbwegs zu erholen und besuchst den kommenden Samstag dann das nächste Festival. Wenn du dann einmal zig Outdoor-Veranstaltungen und Grillabende besucht hast, die deine wohlmeinenden Arbeitskollegen in dem ganzen Trubel auch noch unbedingt abhalten wollen, ist allein der Gedanke an ein entspanntes Sommerwochenende zu einer Farce verkommen. Das ist jetzt nicht per se etwas Schlechtes—die einzigen Lebewesen, die den Sommer gerne in geschlossenen Räumen verbringen, sind Gelsen und Jungfrauen jenseits der 20. Die wenigen sonnigen Monate, die wir haben, sollten mit so vielen Sonnencreme-getränkten Aktivitäten wie möglich gefüllt werden. Jetzt, da es wieder kühler wird, können wir endlich wieder guten Gewissens ein ganzes Wochenende im Bett verbringen, ohne dass wir eine Ausrede dafür finden müssen, nicht mit ein paar flüchtigen Bekannten im Park abzuhängen oder zu dem letzten, verzweifelten Versuch eines Wald-und-Wiesen-„Raves“ unserer Kumpels zu kommen.

#Q4 ist voller Leckereien

Für jeden, der seine Arbeitswoche nicht ausschließlich damit verbringt, grauenvolle Promo-CDs wegzuwerfen und E-Mails von PR-Fritzen zu löschen, die behaupten, „das hotteste Normcore Duo überhaupt“ entdeckt zu haben, bezieht sich Q4 auf Quarter Four. Das ist cooles Business English und steht für die letzten drei Monate des Jahres. Das ist die Jahreszeit, in der die Plattenfirmen versuchen, ihr Geld aus dem Fenster zu werfen und die letzten wirklich großen Alben des Jahres noch pünktlich zum Weihnachtsgeschäft zu veröffentlichen.

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Deses Jahr ist die Liste der Kandidaten besonders abwechslungsreich: Flying Lotus, Eminem, Toro Y Moi, Bush, Cheryl Cole, Slipknot und Hilary Duff werden alle neue Alben veröffentlichen, bevor jemand das erste Türchen seines Adventskalenders geöffnet hat. Diese sind an sich schon ziemlich aufregend, die richtige Überraschung kommt aber erst, wenn sich eins der wirklich großen Labels dazu entscheidet, all die Kohle rauszuhauen, die es das ganze Jahr über gehortet hat, und wie aus heiterem Himmel ein wirklich großes Album veröffentlicht wird. Letztes Jahr war es Beyoncé, dieses Jahr ist es vielleicht Kanye West. Ich persönlich hoffe aber insgeheim auf ein Comeback von Marky Mark. Du hast einfach zu früh aufgehört, Bro. Viel zu früh!

Viel Musik macht erst im Winter wirklich Sinn

Es gibt viel Musik, die einfach im Sommer besser klingt: „Summertime, „Summer of 69“ und „Long Hot Summer“ zum Beispiel. Und mir wäre auch die Bezeichnung „Winterhit!!!“ für Songs neu, die im Oktober veröffentlicht werden. Es gibt bezüglich Musik und Winter aber tatsächlich etwas, das uns unsere emotionale Palette—und damit auch die Musik, die darauf Platz findet—erweitern lässt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass absolut jeder Ambientsong für die kalte Jahreszeit geschrieben wurde. Explosions in the Sky, Mogwai, The Knife, Grouper: sie alle entfalten erst ihre wahre Wirkung, wenn draußen absolute Dunkelheit herrscht und dir auch drinnen ein stechender Schmerz das linke Bein hochschießt, weil du zu pleite bist, um die Heizkosten zu bezahlen. Im Winter kannst du dich in Traurigkeit einmummeln und all die hoffnungslosen Alben von Morrissey bis hin zu den Red House Painters hören, ohne dich dafür wie ein Arschloch fühlen zu müssen, weil du nur noch bierernst durch die Gegend läufst. Alle anderen sind nämlich schon in tiefste Depressionen verfallen und von der Tatsache sediert, dass der Himmel nun weniger nach einem Establishing Shot aus Spring Breakers und mehr aussieht, als hätte ein Bleistift einmal quer über den Horizont gekotzt.

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Und dann gibt es natürlich noch Sex. Zuerst einmal ist Sex im Winter ungefähr tausendmal besser als Sex im Sommer, da der fiese Schweißgestank auf ein Minimum reduziert wird, der in der Hitze jede Körperöffnung und Pore befällt. Außerdem ist er noch besser weil, hallooho!, Musik hören zum Sex nur im Winter Sinn macht. Fallbeispiel: Letztens habe ich einem Freund von dieser Idee erzählt und er meinte, dass er den Winter mag, weil das die Jahreszeit ist, in der er Liebe macht, während er Massive Attack hört. Das hört sich doch ganz cool an, glaube ich.

Schichten aka das Zwiebelsystem

Frauen sehen im Sommer großartig aus. Sie haben diese ganzen neuen Sachen, mit denen sie arbeiten können, Dinge wie Beine und gebräunte Haut. Das klappt wirklich super bei ihnen. Männer, die sich selber für unglaublich modebewusst halten, weil sie ihre ganzen Klamotten bei COS oder dem APC-Schlussverkauf holen, haben jedes Mal einen mittelschweren Nervenzusammenbruch, wenn die Temperaturen über 22 Grad Celsius steigen. Aus den Schränken werden dann die Hawaiihemden, die weißen T-Shirts mit Ketchupflecken, die dämlichen Shorts und die umgedrehten Kappen gekramt. Es ist fast so, als hätten sie mit sieben Jahren ihren Kleidungsstil für das restliche Leben festgelegt.

Im Oktober ändert sich das aber wieder. Plötzlich dreht sich wieder alles um dicke Herbstwolle und gestärkte Hemdkragen und, ja, plötzlich sehen Männer wieder gut aus. Weißt du warum? Auch wenn du dann wie einer von den Fleet Foxes aussiehst: Schichten sind einfach geil. Das sind gute Neuigkeiten für Männer, und gute Neuigkeiten für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen Männer ficken müssen.

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Weihnachten!

Foto von Jake Lewis

Auch wenn wir generell mehr Geld dafür ausgeben, anderen Menschen Dinge zu schenken, mit denen sie nichts anfangen können, als dass man uns Dinge schenkt, mit denen wir nichts anfangen können, ist Weihnachten immer noch das Highlight des Winters. Das liegt an ein paar Dingen, die da vor allem wären: frei haben. Aber auch Weihnachtsfeiern sind besser als jedes Musikfestival. Du kannst über das Glastonbury sagen, was du willst, aber im Dezember wirst du garantiert jemanden aus der Personalabteilung sehen, der zu D’Angelo twerkt. Nicht minder unterhaltsam ist der Anblick des Praktikanten, der befeuert von überspielter Unsicherheit und einer ordentlichen Ladung Koks bei der Karaoke „The Boys are Back in Town“ schmettert. Viel Glück da draußen, Jungs!

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