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Reisen

Grüsse aus Kabul

Noch bevor die Taliban den Händlern die Hände abgehackt haben und der Krieg die Hälfte der Ladenfronten weggesprengt hat, war die Chicken Street der Ort, wo sich die Hippie-Trecks versammelt haben, um sich mit afghanischem Gras einzudecken. Wir haben...

Noch bevor die Taliban den Händlern die Hände abgehackt haben und der Krieg die Hälfte der Ladenfronten weggesprengt hat, war die Chicken Street der Ort, wo sich die Hippie-Trecks versammelt haben, um sich mit afghanischem Gras einzudecken. Wir haben genau 15 Minuten dort verbracht.

Ausländer in Kabul orientieren sich an einem Sicherheitssystem. Level eins heißt, dass es OK ist, die Unterkunft zu verlassen. Level zwei heißt, dass man nicht mal durch den Türschlitz spähen darf und Level drei heißt, dass du dich in deinem Konsulat versteckt halten solltest, bis der nächste Flug geht. Wir haben gerade Level zwei. Aber wir haben einen Job zu erledigen.

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Ich und Henry haben die „15-Minuten-Regel" eingeführt. Wenn wir nach draußen gehen, bleiben wir nie länger als 15 Minuten am selben Ort. Wir haben außerdem angefangen, uns wie Einheimische zu kleiden. (Wir haben unsere Outfits auf der Chicken Street gekauft.) Wir haben auch Bärte. Meiner ist rot. Wenn jemand fragt: Ich wurde auf einer Pilgerreise gezeugt.

Gestern waren wir auf der Chicken Street. Kabuls bekanntestem, aber heutzutage auch enttäuschendem, Markt. Als deine Eltern noch Rucksacktouren machten, haben sie nicht die ganze Zeit damit verbracht, mit Skandinaviern anzubandeln oder sich selbst Tattoos zu stechen. Deine Eltern sind durch Kabul gewandert, haben Opiumtee getrunken und ethnische Klamotten genau auf dieser Straße gekauft.

Scheinbar war es eine wilde Szene. Kabul wurde als Paris von Zentralasien angesehen und die Chicken Street als Rive Gauche.

Aber die jüngste Geschichte war nicht sehr gut zu der Chicken Street. Suleman hat uns unsere Outfits verkauft. Er hat uns auch ein paar Geschichten vom Ende des Markts erzählt. Die Russen haben die Hippies abgeschreckt und als die weg waren, hat der Bürgerkrieg ein ganzes Stück des Block mit Raketen abgeschliffen. Dann kamen die Taliban und haben alle Frauen, die auf der Straße gearbeitet haben, eingesperrt, weil sie behaupteten, sie seien Prostituierte. Und allen Händlern, die nicht unterwürfig genug waren, wurden die Hände abgeschnitten. Die Hände wurden als dekorative, fleischige Warnung an Bäume gehängt.

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Die Amerikaner haben bis jetzt noch nichts unternommen, um die Chicken Street zu zerstören, aber wenn man seine Uhr nach dem neuesten, von der Regierung festgesetzten Rückzugsdatum stellt, dann haben sie ja noch bis 2014 Zeit.

15 Minuten später haben wir die Chicken Street wieder verlassen - mit ein paar Mudschaheddin-Postkarten, Kopftüchern und der schlichten Befriedigung, nicht von irgendwelchen Männern, die nur mit ausgeschnittenen Buchstaben schreiben können, in den Kofferraum eines Autos gestopft worden zu sein.

TEXT: CONOR CREIGHTON
FOTOS: HENRY LANGSTON