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Restaurant Confessionals

Was ich als Bierbikefahrer für betrunkene Touristen gelernt habe

Die meisten meiner Kunden sind saufende Touristen aus ganz Europa, mit denen man manchmal ziemlich verrückte Dinge erlebt. Und Arschlöcher sind natürlich auch dabei.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. In der neuesten Ausgabe erzählt ein Bierbikefahrer über die Dinge, die er erlebt, wenn er vergnügungshungrige Touristen durch Amsterdam kutschiert.

Ich weiß, dass viele Leute nichts von Bierbikes halten, aber kommt schon, Leute: Es ist eine wunderbare Art, mit Freunden durch die Stadt zu fahren, während man Bier trinkt. Der Fahrer (ich) sorgt dafür, dass alles sicher abläuft. Das ist meine Meinung nach zwei Sommern als Bierbikefahrer.

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Ich finde die negativen Reaktionen kurzsichtig. Ich bin mir des Störfaktors von Bierbikes bewusst, aber die meisten Leute, die sich darüber beschweren, plappern nur die Meinung anderer nach. Bei ihren Beschwerden geht es hauptsächlich um komasaufende Touristen und Lärmbelästigung. Verkehrssicherheit wird fast schon als Nebengedanke erwähnt. Auf dem Bierbike ist es mir schon so oft passiert, dass mir Leute den Mittelfinger gezeigt oder mich als Arschloch bezeichnet haben. Manche sind sogar richtig aggressiv.

Mittlerweile fahren wir nicht mehr am Kanal entlang, es gibt keine Musik mehr auf der Gefährten und wir bieten keine Fahrten mehr nach 22:00 Uhr an. Ich versuche aktiv zu verhindern, dass I sich Touristen auf meinem Bike völlig wegschütten. Aber die Leute, die ein Bierbike mieten, wollen einfach nur Spaß haben. Herumschreien und Grölen gehört eben dazu.

Kommt damit klar.

90 Prozent der Leute, die Bierbikes mieten, feiern einen Junggesellenabschied. Die meisten kommen aus England, aber auch viele aus Frankreich, Schottland, Skandinavien und Spanien. Die Mädchen der britischen Junggesellinnenabschiede sind die lautesten, aber mit ihnen hat man auch am meisten Spaß. Nach englischer Tradition feiern auch ihre Mütter und Tanten mit. Meistens flirten sie mit mir, was für die Braut oft ein bisschen peinlich ist. Mir gefällt's aber.

Und die Briten mögen ihre Trinkspiele. Einmal spielte eine Gruppe „Ich hab noch nie", was dazu führte, dass sie sich ihre intimsten Geschichten erzählten. Ich schaute sie zwar nicht an, aber ich hörte jedes kleinste Detail ihrer Erzählungen. Irgendwann bemerkten sie das. „Ich kann nicht einfach verschwinden und ich verstehe nun mal Englisch", sagte ich zu ihnen. Alle lachten laut los. Mir gefällt der britische Humor, deshalb verstehe ich mich mit den britischen Gruppen immer auf Anhieb.

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Eine Gruppe von Frauen wollte, dass ich sie pedal bitches nenne. Das war mir unangenehm, dann fragten sie mich auch noch, ob ich mich ausziehen könnte.

Ich sorge dafür, dass meine Kunden die Regeln genau kennen. Sie wissen, dass sie mit den Faxen aufhören müssen, wenn sie auf dem Bike sind. Ich erkläre ihnen, dass es sehr nette, hübsche Frauen in Amsterdam gibt, aber dass es ihnen nicht besonders gefällt, wenn man ihnen nachpfeift. Ich mache ihnen auch klar, dass sie mithelfen müssen, wenn es nötig ist. „Wenn ich sage in die Pedale treten, dann habt ihr auch in die Pedale zu treten." Den Briten gefällt das. Eine Gruppe von Frauen wollte, dass ich sie pedal bitches nenne. Das war mir unangenehm, dann fragten sie mich auch noch, ob ich mich ausziehen könnte.

Die Kanäle versuchen wir zu vermeiden, weil die Brücken oft ziemlich steil sind. Wenn wir eine besonders steile Brücke hinunter fahren, werde ich fast taub vom Geschrei der Frauen auf dem Bike.

Während meiner zwei Sommer, die ich als Bierbikefahrer gearbeitet habe, hatte ich nur zwei negative Erlebnisse. Das hatte nichts mit den Bierbikes selbst zu tun, sondern mit den Touristen, die drauf saßen. Einmal musste ich mit einer Gruppe britischer Hooligans herumfahren. Sie waren komplett high. Ich hatte vergessen, das Bierfass auszutauschen und irgendwann ging uns auf der Fahrt der Alkohol aus. Einer der Typen drohte mir mit einem Schlag ins Gesicht, wenn ich das Fass nicht innerhalb von 30 Sekunden austauschte. Der nervigste Typ der Gruppe sprang die ganze Zeit vom Bike runter und wurde dafür fast verhaftet. Man erlebt auch Leute, die kein einziges Bier trinken müssen, um Vollidioten zu sein. Arschlöcher gibt es aber immer—Bierbikes hin oder her.

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Die andere Gruppe bestand aus ein paar Franzosen, die zur Gay Pride gekommen waren. Sie hatten schon viel zu viel Drogen und Alkohol intus, bevor sie überhaupt aufs Bike stiegen.

Sie machten nichts Schlimmes oder so, aber sie hatten einfach keine Lust, zu treten und nahmen ihre Umgebung gar nicht mehr richtig wahr.

Ich sehe mich selbst als eine Art Stadtführer. Ob sie mit mir auf einem Bierbike sitzen oder auf eigene Faust durch das Rotlichtviertel laufen, nervige Touristen bleiben nervige Touristen.

Nach der Tour fragen mich die Leute oft, ob ich mit ihnen noch was trinken gehen möchte. Das habe ich natürlich auch schon gemacht, wenn ich mit der Gruppe Spaß hatte. Man landet dann meistens in Kneipen, in die normale Amsterdamer nie hingehen würden, sondern eben in Touristenbars am Rembrandtplein. Wenn man will, kann man als Fahrer einen richtig guten Abend haben. Ich habe eine Freundin, deshalb habe ich es nie ausgenützt, es hätte aber zahlreiche Gelegenheiten gegeben. Andere Fahrer machen das aber schon. Es ist sogar schon zu einem Wettbewerb unter den Kollegen geworden: Wer kriegt die meisten Frauen rum? Das Ergebnis—Bilder und so weiter—bekommen wir dann alle per WhatsApp zu sehen.

Es ist aber nicht so, dass sie diesen Job deswegen machen würden. Mit den Kunden nach der Fahrt in eine Bar zu gehen, geht völlig in Ordnung, aber als Fahrer muss man immer nüchtern bleiben. Das ist die goldene Regel und an diese halten sich auch alle meine Kollegen.

Ich höre ständig von Leuten, wie furchtbar sie diese Bierbikes finden. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass unsere Kunden an Amsterdam interessiert sind und meistens trinken sie in verantwortungsvollem Rahmen. Klar, es gibt immer weniger nervige Touristen, die über die Strenge schlagen, aber die kommen auch nach Amsterdam, wenn es keine Bierbikes geben würde.

Aufgezeichnet von Felicia Alberding.