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It's still real to me, damn it!

Warum Stone Cold Steven Austin eine härtere Sau ist als Clint Eastwood und Spongebob zusammen

Während sich das Bobo-Volk längst wieder dem Schnurrbart zugewandt hat, wenden sich richtige Kerle (denen diese Schnurrbärte einst gehörten, mind you!) immer noch mit Grauen von uns Netz-Nerds ab.

Während sich das Bobo-Volk längst wieder dem Schnurrbart zugewandt hat, wenden sich richtige Kerle (denen diese Schnurrbärte einst gehörten, mind you!) immer noch mit Grauen von uns Netz-Nerds ab. Ja, die Ära der alten, ruppigen Arschlöcher scheint endgültig vorbei zu sein: Chuck Norris ist nur noch in totgekauten Witzen tough und wird selbst dort von Spongebob ausgestochen, weil der unter Wasser grillen kann. Da hilft nur ein Rückblick auf die Sackratte Stone Cold Steve Austin, dem eiskalten Schweinehund aus Texas, und seine Underdog-Fehde gegen Milliardär McMahon. Die ruppigen Helden der Neunziger marschierten ja noch in Zeitlupe von Explosionen davor, ohne sich umzudrehen. Alle außer Stone Cold Steve Austin. Wenn der den Weg einer Explosion kreuzte, konntet ihr euch sicher sein, dass er solange ohne Blinzeln in sie hinein gestarrt hätte, bis er erblindet und verbrannt wäre, nur um dem Feuer danach noch einen Stone Cold Stunner (sein Finishing Move, duh) zu verpassen.

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Steve Austin ist einfach die Art von Mann, wegen der Männer wie wir die Straßenseite wechseln; er ist der Typ, bei dem uns aus Angst schon präventiv der Schließmuskel flattert, wenn er nur in unsere ungefähre Richtung marschiert; die Gattung Mannsvieh, mit der wir nicht mal gern befreundet wären, weil wir nie wüssten, wann er sich aus purer Langeweile doch dazu entschließt, uns spontan das Genick zu brechen, ein paar Scheine für die offene Bierrechnung in unsere Augenhöhlen zu stopfen und die Bar auf direktem Weg durch das Fenster zu verlassen.

Und wenn ihr jetzt meint, das wäre alles überhaupt nicht korrekt gegendert, habt ihr natürlich völlig recht, weshalb ich für die Doppel-Xer unter uns der Fairness halber anfügen möchte: Steve Austin ist auch die Art von Mann, die euch Frauen aus Langeweile das Genick brechen würde. Ganz recht. Zur Illustration seines geschlechterneutralen Ansatzes seht ihr hier eine schöne Serie von Stone Cold Stunners, und zwar einen für jedes Mitglied der McMahon-Familie, auch die femininen:

Aber wie man beim letzten Stunner gut sieht, bricht er hier natürlich niemandem wirklich das Genick, was schon ein ziemlicher Downer ist und sein Rocksau-Prädikat ein kleinwenig in Frage stellt. Darum lasst mich noch eins draufsetzen:

Stone Cold Steve Austin ist nicht nur die Kategorie Berserker, die so tut, als würde sie andren das Genick brechen, sondern der wohl einzige Mann, der auch dann noch weiter wrestlet, wenn ihm gerade das eigene Genick gebrochen wurde – und zwar in echt und ohne Scheiß. Unempfindliche hier entlang:

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Wie ihr euch denken könnt, habe ich diese Szene bereits jedem Wrestling-Skeptiker in meinem Facebook-Freundeskreis vorgespielt und immer dieselbe Reaktion bekommen: „Kann doch gar nicht sein, bei Genickbruch stirbt man ja.“ Das ist nur einer von vielen urbanen Medizin-Mythen, wie etwa „Darmdurchbrüche können gar nicht so schlimm sein, dass es einem beim Gewichtheben einfach so 12 Meter Eingeweide aus dem Arschloch drückt.“

Über letzteres will ich an dieser Stelle nicht mehr sagen als: Glaubt mir einfach und youtubt bitte nicht selbst danach (The Horror, The Horror…) – und zwar niemals. Okay? Das müsst ihr mir wirklich versprechen.

Egal. Der Punkt ist, dass auch Genickbrüche nicht immer genau so verlaufen, wie einem der werbeokkupierte Hausverstand weismachen will. Gerade bei Wrestlern, die Nackenmuskeln wie ungarische Salamis haben, bedeutet so eine Verletzung nicht gleich das Ende vom Lied (tatsächlich fallen mir ad hoc mindestens 5 Wrestler ein, die sich im Ring bereits das Genick gebrochen und problemlos überlebt haben). Vermutlich sollte man aber selbst als Wrestler danach für einige Zeit die Pause-Taste drücken und nicht einfach weiterdudeln, als wäre nichts gewesen.

Diese Kombination aus Durchbeißen und Dummheit ist es, die Stone Cold Steve Austin wirklich zum härtesten Hurensohn des Wrestling-Business macht.

Ja, er mag ein Prolet und ein Choleriker sein, aber vor allem ist er auch das Gesicht der Arbeiterklasse, und ihr Bizeps und ihr Arschloch noch dazu. Er ist die Ratte, die das Labyrinth-Spielchen satt hat und sich jetzt einfach durch die Wände frisst, bis sie den verdammten Käse erreicht hat.

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Das hier ist also die Wrestling-Variante vom ewigen Kampf „Arbeiter gegen Boss“, und für McMahon bedeutet das natürlich richtig Ärger. Hier habt ihr eine Zusammenfassung der Fehde, die um die Jahrtausendwende synonym mit dem Begriff Wrestling war, stilecht unterlegt mit klassischem Scheißdreck-Rock:

Dass sich die beiden dabei nicht wirklich hassten, war dem Publikum egal – es reichte schon, dass man hier erstmals zu sehen bekam, wie ein freier Dienstnehmer einen Milliardär blutig drosch und ihm den Finger zeigte. Alles Show? Auch gut, solange der Boss dabei ganz real eins auf die Nuss bekam. Eine typische TV-Konfrontation zwischen den beiden ist auch die folgende – hier dreht McMahon seiner eigenen Sendung einfach den Saft ab, weil er es kann. Stone Cold gefällt das nicht so gut:

Während die Wrestling-Welt zehn Jahre zuvor noch von aalglatten Superhelden à la Hulk Hogan dominiert wurde, war mit Austin nun die Ära der angepissten Arschlöcher angebrochen. Sein Motto: „Fuck Fear. Drink Beer.“ Und: „Arrive. Raise Hell. Leave.“ Er ist sogar so hart, dass man ihm statt Bier auch Milch in die Hände photoshoppen kann, ohne dass er dabei irgendwie lächerlich aussieht:

Das alles kommt noch viel besser, wenn man dazu Stone Colds Einzugsmelodie hört. Und ja, dieses Klirren von zerbrechendem Glas am Anfang verursacht bei mir immer noch mehr Gänsehaut als jeder Blowjob. Erbärmlich? Vielleicht. Herausforderung an die Frauenwelt? Definitiv.

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Natürlich ist altbackener Themesong-Rock nicht jedermanns Geschmack, aber schließlich hat niemand gesagt, dass ihr euch nicht genauso gut zurück ins Plattenbau-Ghetto verpissen könnt, um dort neue Songs übers Arschficken auszutüfteln. Wenn ihr zu „denen“ gehört, habt ihr mit Arbeit wahrscheinlich sowieso nicht viel am Hut und mit der Arbeiterklasse umso weniger (can’t wait for the beef, hehe).

Auch unter den übrigen mag nicht jeder auf die Schiene stehen, die hier bedient wird, und vielleicht hasst ihr Austin – diesen personifizierten Prä-Pubertätstraum vom Parade-Revoluzzer – ja sogar genauso sehr wie Vince „The Man“ McMahon ihn hasst. Einigen ist womöglich auch die ganze Bier-Rebellion einfach viel zu kindisch.

Aber wie schon anfangs gesagt muss man Austin ja nicht mal mögen, um ihn gern zu sehen. McMahon jedenfalls hat die Trendwende Richtung Antiheld begriffen und kurzerhand beschlossen, auf seine persönlichen Vorlieben zu pfeifen, solange sich nur genügend Dollarmillionen aus dem Hass der kleinen Leute auf seine Person und auf das “Establishment”, in dem ironischerweise auch McMahon nicht wirklich willkommen war, scheffeln ließen.

Einerseits hat er in dieser Geschichte so oft auf die Murmel bekommen, dass man ihm ohne zu zögern eine Niederlage attestieren möchte; andererseits war seine epische Fehde gegen die „Klapperschlange aus Texas“ für das Wrestling-Business über Jahre hinweg der Defibrillator, der die komatöse WWE wiederbelebte und langsam auch an den Puls der Zeit zurückbrachte und damit letzten Endes auch dem Mac-Man mehr Geld in den Goldspeicher spielte. Ich würde daher sagen: Das Ergebnis dieses Match ist ein Unentschieden.

Darauf trink ich! Prost noch mal! (Dem eiskalten Steve könnte ich echt den ganzen Tag beim Bechern zusehen.)

Schließlich war die Feindschaft zwischen Boss und Untertan auch ein kleiner Energiedildo in McMahons Eingeweiden, der plötzlich wieder wie ein Vierzigjähriger fluchen und wie ein Zehnjähriger in die Hosen machen konnte. Ja, der ewige Jungbrunnen heißt Widerstand mit Bier in der Hand und kommt aus Austin, Texas. Und das nächste Mal erzähl ich euch vom größten Feind des Jungbrunnens – nämlich dem Tod persönlich, gegen den der Mac-Man sogar schon zweimal in den Ring gestiegen ist. Really? Really. Mahalo!