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DIE LITERATURAUSGABE 2012

Reviews

Logisch, dass es zur Literaturausgabe keine Platten-Reviews gibt, oder? Hier die besten und beschissensten Bücher des Monats.

KINGDOM COME

ENERGY FLASH

PURE FILTH

THE GRIMSCRIBE’S PUPPETS

Das ist der Typ, von dem mir seit Jahren erzählt wird, er sei „Pynchons Erbe“? Wirklich? Vielleicht hab ich den Teil in

Vineland

verpasst (war ziemlich lang), in dem ein stereotyper Left Coast Boomer Schuldgefühle kriegt, weil er von den schwarzen Kindern im College nicht akzeptiert wird und mit seiner äthiopischen Adoptivtochter durch David Bowies

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Greatest Hits

Verbindung auf­nimmt. Aber dieser Scheiß ist mehr als öde. Es ist, als ob Deutschlandfunk ein Buch wäre, das ich jeden Morgen abdrehen muss, wenn ich das Haus verlasse.

TIMOTHY HUTTON

ZONE ONE

Colson Whitehead

Doubleday

Ein postapokalyptischer Zombies-durchstreifen-Manhattan-Schinken, der versucht, lyrisch und emphatisch zu sein, indem er einen auf „Zombie-Story für Clevere“ macht. Unglücklicherweise kommt dabei eine „Zombie-Story für Kunstlehrer “ raus, soll heißen, du wirst dich bis zum Erbrechen langweilen. World War Z sehr, sehr langsam zu lesen, und in einem sehr, sehr unbequemen Sessel, könnte in etwa denselben Effekt haben.

TITO PICCOLINI

KASHER IN THE RYE

Moshe Kasher

Grand Central Publishing

Die Memoiren eines nervlich zerrütteten Juden, der auf Dope hängengeblieben ist und von einer lustigen Farm zur nächsten hüpft. Dieses Buch zu lesen, war, wie aus dem Fenster zu schauen. Falls dein Fenster sich in New York befindet, zu irgendeiner Zeit, egal wann.

HOT GYNO

TRIBURBIA

Karl Tara Greenfeld

HarperCollins

Die untereinander verknüpften Geschichten erzählen von fünf Familien—Väter, Mütter, Kinder und Kindermädchen—davon, wie sie von der postbohemen Bourgeoisie von Tribeca verbogen, bestochen und in den Wahnsinn getrieben werden, und wie diese Mitglieder der oberen 1 Prozent von Mitgliedern der oberen 0,01  Prozent vertrieben werden. Es liegt eine dunkle Wahrheit in den Geschichten über Erwachsene, die versuchen, endlich wirklich erwachsen zu werden, aber wisst ihr was? Niemand hat gesagt, dass ihr Schriftsteller oder Maler oder Musiker sein und dabei wie ein Investmentbanker leben könnt! Dies ist auch ein Buch darüber, wie die kreative Oberschicht ihre pseudo-bohemen Werte an ihre Kinder weitergibt. Und sich dann wundert, warum ihre Kinder nach dem College wieder zu Hause einziehen und circa ein Jahrzehnt arbeitslos sind.

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GIANCARLO DITRAPANO

THE PATRICK MELROSE NOVELS

Edward St. Aubyn

Picador

Vier Bücher, die ein bisschen so sind, als wenn

Downtown Abbey

heute spielen würde und eher für HBO als für PBS produziert würde. Mit anderen Worten, weniger Krüppel, die plötzlich auf magische Weise neben Lagerfeuern erscheinen, dafür mehr Drogen und Vergewaltigungen und Sex und Selbstmord und Sodomie, was die Englische Upper Class im Grunde eh viel besser repräsentiert.

TANO SMELL

ON THE BRO’D:

A Parody Of Jack Kerouac’s On The Road

Mike Lacher

Adams Media

Man könnte vermuten, in dieser Reimagination von Kerouacs mit berühmtesten Buch über Männerfreundschaft eine ganze Menge Analverkehr zu finden, aber nein. Trotzdem kriegt das Ding es ziemlich gut hin, sich den eigenen Schwanz zu lutschen.

INDIAN BUMMER

THREATS

Amelia Gray

FSG

Amelia Grays neuer Roman beginnt als eine Art Detektivgeschichte, in der ein ehemaliger Zahnarzt seine Frau in einem merkwürdigen Unfall verliert und ein Detektiv mit dem wunderbaren Namen Chico versucht, ihm dabei zu helfen, herauszufinden, was wirklich passiert ist. Ohne es zu merken, stolpert er in eine grauenerregende Ermittlung quer durch Gier und Herzschmerz und Wahnsinn, bei der mir die Luft wegblieb. Ich habe mehrmals geweint. Nicht, dass das irgendwas bedeutet. Ich weine ständig.

CRYBABY SMALLS

SKAGBOYS

Irvine Welsh

Norton

Oh, cool, eine Fortsetzung von Trainspotting. Und das nur ein Jahrzehnt nach der (vermutlich ersten)

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Trainspotting

-Fortsetzung. Ich nehme an, das einzige Pferd, das Welsh in letzter Zeit geritten hat, war ein totes.

RIMSHOT

ONLY REVOLUTIONS

Mark Z Danielewski

Klett-Cotta

Meine vorherseherischen Kräfte halten sich in Grenzen, aber hier bin ich mir sicher: Das hier werden eure Enkel in der Schule lesen müssen und es abartig hassen. Ohne, dass es vorher irgendwer anders (von den Übersetzern abgesehen) gelesen hätte. Das Buch erzählt den Roadtrip zweier Jugendlicher durch zwei Jahrhunderte, in je vier Spalten pro Seite, eine davon so eine Art Stream-of-Consciousness-Gebrabbel à la

Ulysses

, eine ein Kalender, außerdem muss man das Buch von beiden Seiten lesen, und es dazu auf den Kopf stellen, damit man am Ende die ganze Geschichte aus beiden Perspektiven bekommt. Der gleiche angestrengte Avantgarde-Mist wie der frenetisch angesagte Erstling von MZD (

Das Haus

), bei dem ich mich auch frage, ob ihn irgendwer wirklich gelesen hat, oder ob die Leute nur die Typo geil fanden.

COSIMA WAGNER

HHhH

Laurent Binet

Grasset&Fasquelle

Ich liebe es, wenn Literatur mich überrascht. Gerade, als ich denke, das wird eine ulkige experimentelle Geschichte über Hhgregg, stellt sich heraus, dass es eine superernste Nazi-Attentat-Fanfiction mit Metakommentaren des Autors ist.

MEGAN BOYLE

KINGDOM COME

J.G. Ballard

Norton

Als ich ein Kind war, habe ich Ballard dafür gehasst, dass er nach seinem 1000 -prozentigen ernsten Zeug aus den 1960ern so etwas wie Humor entwickelte. Als ich älter wurde, legte ich meine kindische Seite (Baskenmütze) ab und begriff, dass der lustige Ballard den Goth-Kid-Ballard um Längen schlägt. Und außerdem um Billiarden gruseliger ist. Dies ist das letzte Buch, das er schrieb, bevor er starb, und es ist sein amüsantestes und zugleich erschreckendstes. RIP, Alter.

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LEROY GUMPTON

THE LAKE

Banana Yoshimoto

Melville House

Von den Leuten, die dieses Buch kaufen, werden drei Prozent Alyce heißen, zehn Prozent werden es im Rahmen eines „Wird oft zusammen gekauft“-Sonderangebotes mit zwei Haruki-Murakami-Büchern auf Amazon bestellen, 15 Prozent werden Banana-Yoshimoto-Fans sein, 25 Prozent werden schon immer mal Banana Yoshimoto gelesen haben wollen, und 47 Prozent werden es aus einem starken mysteriösen Impuls heraus kaufen, den sie später auf die Worte „Banana“ und „Yoshimoto“ zurückführen werden, die unterbewusst Erinnerungen an Jelly Beans mit Bananengeschmack und Yoshi aus Mario in ihnen auslösen.

MEGAN BOYLE

SISTER STOP BREATHING

Chiara Barzini

Calamari Press

Es ist ziemlich scheiße, wenn man eine Autorin vergöttert und dann herausfindet, dass sie in ihrer Zweitsprache schreibt. Wenn ich daran denke, dass Joseph Conrad in seiner dritten Sprache schrieb (nach Polnisch, dann Französisch), krieg ich eine „Oh mein Gott, bin ich ungebildet“-Krise. Chiaras Englisch ist perfekt. Sie macht keine Fehler. Aber da Italiener einen besseren Geschmack haben als Amerikaner, können sie mit ihrer diskriminierenden Wortwahl einen Satz aufladen, der für das durchschnittliche amerikanische Verständnis schon längst rausgefallen wäre. Da wir ja allem irgendeinen Namen geben müssen, als ob das ein verdammtes Gesetz oder so was wäre, werden die Leute Barzinis Sammlung „Flash Fiction“ nennen. Die Bezeichnung hat mir nie gepasst, aber Barzini schreibt großartig, egal wie ihr es nennt. Es ist nur traurig, dass ihr nie so einen sexy italienischen Akzent haben werdet.

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GIANCARLO DITRAPANO

THE GRIMSCRIBE'S PUPPETS

Verschiedene Autoren

Miskatonic River

Ugh, Tribut

alben

sind ganz lustig, weil Bands die Songs in ihrem eigenem Stil covern können, aber wenn verschiedene Autoren ihre Geschichten im Stil eines einzelnen etablierten Autors zu schreiben versuchen, heißt das Fan Fiction, und es gibt schon ein ganzes, beschissenes Internet voll davon. Verschlimmern lässt sich das nur noch, indem man dieses Tribut einem vollkommen überschätzten, sub-Clive-Barker-esken Horrorschriftsteller widmet, der seine Werke bewusst nicht in Druck gehen lässt, um seinen „Mythos“ zu erhalten.

ICH SPRECHE ÜBER THOMAS LIGOTTI

Hypnotisierend … das Bastard-Stiefkind eines Dreiers zwischen Dwight Macdonald, Gay Talese und den

Paris-Review

-Interviews, zu einem Cocktail gemixt von einer modernen Hipster-Barmann-Version von Greil Marcus.

THEODORE STILLSMELLY

PULPHEAD: Essays

John Jeremiah Sullivan

FSG

Der Junge hier wird oft mit David Foster Wallace verglichen, aber das ist ein fauler Vergleich. Alles, was JJS und DFW gemeinsam haben, ist, dass sie lange Essays schreiben und diese komischen Dreifachnamen haben. Das ist das Problem mit Klappentexten. Meistens steht nur Scheiße drin. Zum Beispiel so was wie: „Erstaunlich …das Verbindungsglied zwischen David Sedaris und David Foster Wallace, mit einer Prise Flannery O’Connor und einem Glas Mondschein.“

THEODORE SMELLYFARTS

AGAINST ARCHITECTURE

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Franco La Cecla

PM

Ein novellenlanges Manifest gegen „Starchitekten“ wie Frank Gehry, Renzo Piano und Rem Kohlhaas, deren Egos die Architektur des letzten halben Jahrhunderts ruiniert haben. Und eine präzise, bilderbuchmäßige Abrechnung damit, was an dieser Gattung verkehrt ist, die sich jeder wünschen wird geschrieben zu haben. Vernichtend und unprätentiös genug für Nicht-Architekten, und so unwiderlegbar und treffsicher, dass eine der Zielscheiben (nämlich Piano) dem Autor eine Notiz mit den Worten schrieb: „Ja, du hast’s erfasst, ich bin ein Arschloch.“ Hut ab!

T M PRESS

MYTHOLOGIES

Roland Barthes

Hill and Wang

Oh Mann, was für ein Müll. Klar, Buchdesign hat seit den Pinguin-Ausgaben in den 60ern einen langen, langen, laaaangen, langen Abstieg erlebt, aber sogar für zeitgenössische Standards ist das so richtiger Dreck. Was war der Plan, Elmore-Leonard-Fans dazu zu bringen, sich mit französischer Semiotik zu beschäftigen? Das macht sie nur noch wütender, ihr Helden.

JEAN BAUDRILLARD

TREES

Anonym

Smithsonian Nature Guide

Wisst ihr, was total geil ist? Bäume. Ihr denkt vielleicht: „Oh, Moment, diese Holzdinger mit den Blättern dran?“, aber obwohl das schon ganz gute Grundkenntnisse zeigt, habt ihr noch eine MENGE zu lernen. Um von dem Wissen zu profitieren. In meiner Nachbarschaft gab es mal einen Jungen, der alle wichtigen Bäume identifizieren konnte. Und obwohl er in der Schule jeden Tag gnadenlos gemobbt wurde, hat er seitdem mehr Jungs flachgelegt, als du Zungenblüten von der alpinen Ploidiestufe des gemeinen Löwenzahns pusten kannst.

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THOMAS MORTON

FEAR OF MUSIC

Jonathan Lethem

Continuum / 33 1/3

Als diese kleinen Wichser hier herauskamen, waren sie nicht mehr als mit Asperg’scher Detailgenauigkeit geschriebene Minigeschichten über klassische Alben, was man noch als größere kleine Sünde abtun könnte. Dann verführten sie die Leute dazu, Kurzgeschichten und persönliche Essays zu schreiben, die von diesen Alben „inspiriert“ waren, und was haben wir jetzt am Hals? Einen 140 Seiten langen Erstsemester-Aufsatz über eines der uninteressantesten Alben einer der uninteressantesten Bands aller Zeiten. Was kommt als Nächstes, ein improvisiertes Bret-Easton-Ellis-Tape über Kirsty MacColls

Electric Landlady

? Obwohl, Moment, das wär eigentlich ziemlich geil.

COPYRIGHT 2012 VICE MEDIA

GOD IN PAIN

Slavoj Zizek

Seven Stories

Hey, alter Mann, der gute Part daran, nicht an Gott zu glauben, ist nicht, sein ganzes Leben damit zu verbringen, Bücher über diesen Scheiß zu lesen. Das, und das mit dem Ficken.

ATHEISM

ON THE GROUND:

An Illustrated Anecdotal History of the Sixties Underground Press in the US

Herausgegeben von Sean Steward

PM

OK, es reicht mit den Zeitzeugen. Das funktioniert, wenn du so was wie die New Yorker Punkszene dokumentierst, oder David Lee Roths Leben, das so vollgestopft ist mit großartigen Geschichten, dass du nur alle Beteiligten um ein Aufnahmegerät setzen musst, bis sie fertig sind und du nur noch Stop drückst. Wenn du alle fünf Seiten erklärende Paragrafen einfügen musst, dann gibst du uns im Prinzip nur dein Transkript und sagst: „Hier, macht mal.“

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ERIK SPETTS

TASTEFUL NUDES

Dave Hill

St. Martin’s

Das einzige Buch außer Tasteful Nudes, das ich in letzter Zeit (also in den letzten zehn Jahren) gelesen habe und das man auch unter „komödiantische Essays“ einordnen könnte, war eines dieser schrecklichen Bücher von David Sedaris. Der grobe Vergleich dieser beiden Bücher zeigt: Die Geschichten aus Dave Hills Leben sind lustiger, er hat sie einfach runtergeschrieben und sie sind tatsächlich wahr. Im Gegensatz zu denen von David Sedaris, die das angeblich sein sollten, aber nicht waren, oder wie war das noch mal?

CIANCARLO DITRAPANO

FARTHER AWAY: Essays

Jonathan Franzen

FSG

Autoritär und elegant … so was kommt raus, wenn man Jonathan Franzen, Jonathan Franzens mürrischen Onkel und Jonathan Franzens Selbstwertgefühl in einen Mixer steckt, ihn auf Zerhacken stellt und ein paar Scheiben seltenes exotisches Vogelfleisch dazugibt.

THEODORE DEADLYFARTS

ENERGY FLASH:

A Journey Through Rave Music and Dance Culture

Simon Reynolds

Soft Skull

Hey, ihr Briten, hört endlich auf, scheiß Nerdbücher über Rock ’n’ Roll zu schreiben. Wir wollen lesen, wie Julian Cope zwei Jahre auf Acid verbracht hat und The KLF bei den Brit Awards eine mit Platzpatronen gela­dene Maschinenpistole auf die Menge abfeuerten, keine lächerlich gestelzten Track-für-Track-Beschreibungen von

Screamadelica

. (Wusstet ihr, dass der Andrew-Weatherall-Remix von „American Spring“ „sich um ein exquisites Cembalo-Motiv dreht wie eine Handvoll verschütteter Sternenstaub“?), keine Blockzitate zu MDMA aus dem

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American Journal Of Medicine

. Danke, dass ihr die Rave-Kultur noch langweiliger gemacht habt, als sie es damals schon war (also ziemlich).

HEAVIN HELVIN

SUBLIMAL:

How Your Unconscious Mind Rules Your Behavior

Leonard Mlodinow

Pantheon Books

Ich stehe natürlich voll hinter einem Buch, das mir auf wissenschaftliche Art und Weise klarmacht, wie wahrscheinlich es ist, dass ich mich an die beschissensten Momente meines Lebens einfach nur falsch erinnere. Teil zwei wird dann hoffentlich das Kapitel enthalten: „Ja, ich bin auf jeden Fall die coolste Person überhaupt. Und extrem sportlich.“

HEY SALLY

WRITING IN PICTURES:

Screenwriting Made (Mostly) Painless

Joseph McBride

Vintage

Gibt es irgendeinen Ratgeber, der nicht als Erstes erklärt, dass alle anderen Ratgeber scheiße sind und dieser der einzige ist, der nicht versucht, dir einen Haufen Regeln aufzuzwingen, sondern dir lediglich ein bisschen Anleitung und Inspiration geben will, um deinen eigenen Weg zum Erfolg zu finden? Du kannst genauso gut deine Krawatte in den Müll werfen und sagen: „Mr. Manual ist mein Daddy. Nennt mich Wri.“

JOEY MCINTIRE

THE BIG BOOK OF PUSSY

Dian Hanson

Taschen

Ein Buch voller Muschis. Das wird ein Spaziergang, dachte ich, ich liebe meinen Job. Ich hatte ja ­keine Ahnung. Aus diesem Buch quillt eine Bilderflut von fleischigen, nassen Mösen, von überwucherten, kurz­zeitig die eigene Heterosexualität überdenken lassenden Labialmonstern, von übereinander gestapelten Muschis, von rauchenden, spritzenden, klaffenden und allmächtigen Fotzen heraus, die den männlichen Betrachter eher anregt, eine schützende Fötalstellung einzunehmen, als sich mit prallem Schwanz über einer vermeintlichen Wichsvorlage in Position zu bringen.

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THE WALKMEN

IF I FALTER AT THE GALLOWS

Edward Mullany

Publishing Genius

Oh Mann, die sind gut. Plop. Da fällt ein anderer kleiner Schatz in den Drink. Hier ist eine Wand zum Anschauen. Da ist eine Rolle Toilettenpapier. Da ist der Spiegel. Ja, das ist mein Leben. Moment, ist das das Leben? Warum hast du sie die Eiswürfel aus deinem Glas fingern lassen? Bist du schwul? Du bist schwul, oder? Wessen Bad ist das? Wie bist du hier gelandet? Woher kommst du? Mullanys Gedichte sind kleine Stillleben wie diese kleinen Eiswürfel in meinem Whiskey, den ich gerade trinke. Schau dich weiter um. Du weißt, es wird nie wieder dasselbe sein. Mullany schaukelt am Galgen, denn das ist es, was Männer tun.

GIANCARLO DITRAPANO

MEAT HEART

Melissa Broder

Publishing Genius

Es gibt ungefähr drei Melissa Broders. Da ist die echte Melissa Broder, die sehr beieinander und eine ziemliche Macherin zu sein scheint (eigentlich glaube ich, dass sie Agentin ist). Dann gibt es eine Melissa Broder auf Twitter. Es gibt keine zwei Methoden, zu beschreiben, wie sie dort um sich schlägt. Außerdem gibt es eine dritte Melissa Broder, die gerade

Meat Heart

herausgebracht hat, eine solide Gedichtsammlung, mit der ich vermutlich mehr anfangen könnte, wenn ich nicht ständig Melissa 2 zwischen den Zeilen suchen würde, nicht diese dritte Melissa, von der ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Falls sie sich je entscheiden sollte, etwas von dem, was sie auf dieser beschissenen Website tut, die wir alle jeden einzelnen verdammten Tag anstarren, da mit einzubringen, könnte dabei die härteste Poesie rauskommen, die es je gegeben hat.

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GIANCARLO DITRAPANO

THE UNSEEN

Nanni Balestrini

Verso

PURE FILTH

Peter Sotos und Jamie Grillis

Feral House

Manchmal wünschte ich, Peter würde mal ein Buch über etwas anderes als über extreme Sexualität, Gewalt und schreckliche Sachen schreiben, und sich eines Themas annehmen, das etwas sanfter zur Seele ist. Denn wenn er gut schreibt, ist er einer der Besten da draußen. Lustig, süchtig machend und lakonisch, mit einer unglaublichen Beobachtungsgabe und Auffassungskraft. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass ein unglaublich schönes Buch über Liebe und das Leben tief in seinem kuscheligen und furchterregenden Bärenmenschenherz schlummert. Das Buch hier—über die „Privatvideos“ der Pornolegende Jamie Gillis—ist es auf jeden Fall nicht. Trotzdem ist es eines der bemerkenswertesten, das ihr dieses Jahr zu lesen bekommen werdet.

RYAN GOSLING

IGEL SPENDEN ZUVERSICHT

Simon Höfer

Unsichtbar Verlag

Eine Sammlung der Comics und Zeichnungen von www.vollbartbaby.de—an Katz und Goldt erinnernd, auch latent an den Nichtlustig-Typen, nur ein bisschen antiker in Gestus und Wortwahl. Theoretisch sollte es einem nach der Lektüre besser gehen, aber ich hab immer noch Alpträume, weil ich auf der Seite einen Cartoon gesehen hab, in dem einem der richtige Umgang mit Zähnen eingebläut wird („Ausschlagen, ins Auge drücken, das Auge zunähen, faulen lassen.“), aber es gibt da auch schöne, beruhigende Bilder. Von Bananen zum Beispiel. Bananen sind super.

KARAKA CHANA

Experimentelle Prosa dieser Art verwandelt mich für gewöhnlich in einen Spießer, aber bevor ich selbstgefällig „Da hat wohl wer vergessen, die Satzzeichen zu drucken!“ bellen konnte, bemerkte ich, dass ich schon auf Seite 150 war und gerade meinen Freunden schrieb, dass ich heute Abend doch nicht ausgehe. Eine fiktive Darstellung der italienischen

Autonomia

-Proteste in den ultrabrutalen 70ern, mit Fokus auf die Trani-Gefängnisrevolte von 1980 und das darauffolgende Blutbad, erzählt in der naturgemäß satzzeichenfreien Kaskade eines abgebrühten, aber nostalgischen Saufkumpanen. Das hier wäre die perfekte Lektüre zur Inspiration dieser ganzen Occupy-Kids, wenn die nicht zu beschäftigt damit wären, den Gestank ihrer eigenen Fürze zu genießen.

B.B. KING