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Warum Frauen bei TV-Diskussionen kaum präsent sind

Ein tumblr dokumentiert rein männliche Diskussionsrunden und vergibt "Hasselhoffs" für Machismus. Auch in Österreich besteht Nachholbedarf.
Screenshot: ORF

Screenshot VICE Media

Frauen sind in Österreich in der knappen Mehrheit. Trotzdem verdienen sie im Durchschnitt 27 Prozent weniger, stellen 0 Prozent der Landeshauptleute und kommen in politischen Diskussionen kaum vor. Eine Kuriosität, die in westlichen Ländern stark verbreitet ist.

Der tumblr All male panels will auf diesen Umstand aufmerksam machen und erlaubt deshalb Menschen aus aller Welt, Bilder von Diskussionen, Seminaren, Gremien und ähnlichem einzusenden, bei denen wieder mal ganz zufällig keine Frauen zugegen sind. Ob Verhütung oder die Rolle der Frauen in Comics, offenbar waren bei diesen Diskussionen jedes Mal—ausschließlich—Männer die bessere Wahl. Für diese glorreiche Gästeauswahl werden die Posts mit einem Hasselhoff-Sticker ausgezeichnet, der für ultimativen Machismus stehen soll.

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Auch in Österreich tritt das Phänomen auf—und ist nicht immer ganz einfach zu umgehen. Ingrid Thurnher moderiert seit 2008 die ORF-Diskussionssendung Im Zentrum. Laut Vorgabe soll in jeder Sendung mindestens eine Frau mitdiskutieren. Das gestaltet sich manchmal schwieriger, als man erwarten würde, wie Thurnher beschreibt.

Einmal sollen ganze 21 Frauen für eine Sendung abgesagt haben. Kinderbetreuung und Terminnot (8 Mal) und Verweise auf vermeintlich besser qualifizierte männliche Kollegen (11 Mal) waren die am häufigsten genannten Gründe. Eine Frau musste noch den Koffer ihres Mannes packen und konnte deswegen nicht in die Sendung kommen. Thurnher spricht von fehlendem Selbstvertrauen. Doch woher kommt das?

Eine Theorie sieht die Ursache in der Sozialisierung von Buben und Mädchen. Sozialisierung beschreibt das Anerziehen von gesellschaftlichen Normen. Beispielsweise werden Mädchen darauf getrimmt, rosa zu mögen, damit ist die Farbe weiblich kodiert.

Je nach Geschlecht werden Kindern unterschiedliche Tugenden vermittelt. Mädchen sollen bescheiden und freundlich sein. Buben ehrgeizig und selbstbewusst. Auf Frauen lastet in männerdominierten Räumen ein erheblich stärkerer Druck. In einer Diskussion mit sonst ausschließlich Männern müssen sie sich als die Quotenfrau erst beweisen und präsentieren nicht nur sich selbst oder ihren Berufsstand, sondern oft gleich ihr gesamtes Geschlecht.

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Interessant wird es, wenn die Geschlechter umgedreht werden. Bei einer Bankenkonferenz in den USA saßen unerwartet nur Frauen auf dem Podium—alle hochqualifiziert und erfahren. Das Publikum war großteils männlich. Die erste Frage aus der Menge war, warum nur Frauen auf der Bühne wären.

Qualifikation vor Geschlecht ist grundsätzlich eine noble Forderung. Frauen studieren häufiger, schneller und machen eher einen Abschluss als Männer. Trotzdem sind sie kaum in Führungspositionen und gelten somit nicht als Entscheidungsträgerinnen.

Screenshot von VICE Media.

So argumentiert auch Corinna Milborn, Moderatorin der Puls 4-Diskussionssendung Pro & Contra uns gegenüber. In der Show besteht noch viel Nachholbedarf; in den letzten sechs Sendungen waren von 29 Gästen nur 6 Frauen. Das sind nicht einmal 21 Prozent. Zwei Sendungen haben sich sogar einen Hasselhoff-Sticker verdient.

In der Sendung vom 11. Mai hat Susanne Winter kurzfristig ihre Teilnahme an der Diskussion abgesagt. Das lag aber, zumindest laut Winter selbst, nicht etwa an den von Thurnher aufgezählten Gründen—Susanne Winter erklärt uns vielmehr auf Anfrage, dass sie die Diskussionsrunde einfach nicht spannend genug gefunden hat.

Ein Problem mit der Kinderbetreuung sieht Susanne Winter nicht. „Leben wir nicht im Zeitalter der viel gepriesenen Gleichberechtigung und der Diskussionen auf Augenhöhe?", fragt sie. Kinderbetreuung sei außerdem kein Problem für eine liebende Mutter, sondern das Schönste auf der Welt.

Milborn selbst sieht die Sache differenzierter: „Frauen sagen zugunsten ihres Chefs ab—oft, weil diese es einfordern." Außerdem würden Frauen im Fernsehen inhaltlich härter bewertet werden. Wenn sie etwas nicht wüssten, würde eher ein Eindruck von Inkompetenz entstehen als bei Männern. Äußerlich müssten sich Frauen sehr viel mehr Gedanken machen. „Männer tragen im TV immer einfach einen Anzug und werden abgepudert. Frauen brauchen im Schnitt eine Stunde in der Maske, um den Erwartungen des Publikums zu entsprechen."

Es ist die Summe der Barrieren, die die niedrige Frauenquote in TV-Diskussionen bedingen. Wenn wir Mädchen und Buben gleich erziehen und allen beibringen, selbstbewusst aufzutreten und sich durchzusetzen, kommen wir in Zukunft gar nicht mehr in die Situation, auf Biegen und Brechen irgendeine Frau finden zu müssen, die nicht absagt. Wenn irgendwann ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei Spitzenpositionen herrscht, können wir endlich anfangen, ganz klar nach Qualifikation zu entscheiden—und dann auch wirklich, ohne auf das Geschlecht zu achten.