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​Heulsuse der Woche: Mark Medlock vs. JuliensBlog

Mark Medlock beschimpft Telefonsex-Girls und JuliensBlog versteht nicht, dass sein Vergasungsaufruf gegen Lokführer nicht lustig ist.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Mark Medlock

Foto: imago/Susanne Hübner

Der Vorfall: Nachts laufen im Fernsehen auf mehreren Sendern Telefonsex-Werbungen.

Die angemessene Reaktion: Umschalten, eine DVD einlegen, irgendetwas streamen oder einfach schlafen gehen.

Die tatsächliche Reaktion: Bei einer Erotik-Liveshow anrufen und die Frauen beleidigen.

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Ihr kennt das. Man ist noch nicht so richtig müde, zappt durch die Kanäle und wird plötzlich mit nackten Brüsten, lautem Stöhnen und durchs Bild fliegenden Telefonnummern aus seinem Dahindämmern gerissen. Nachts ist die Zeit der Telefonsex-Werbungen und Erotik-Liveshows und das kann nicht einmal Alice Schwarzer ändern. Bei einer dieser Sendungen allerdings passierte nun etwas überaus Interessantes. Statt einem notgeilen Typen mit Penis in der Hand hatte die Erotikdarstellerin plötzlich Mark Medlock am Telefon. Wir erinnern uns (oder auch nicht): Der gewann 2007 bei Deutschland sucht den Superstar und ist trotz akutem Karrieretief nach wie vor der erfolgreichste DSDS-Sieger aller Zeiten.

Mark Medlock also rief nicht an, um sich Ferkeleien ins Ohr stöhnen zu lassen, sondern um seine ganz eigene Art von Dirty Talk loszuwerden. „Kannst du dir keinen richtigen Job suchen, du Fotze? Hier ist Mark Medlock. Mach, dass du dich vom Sender verpisst, du dreckige Hure, Alter!", keifte der Sänger ins Telefon. Warum all die Wut? „Ihr nervt abends, ich will Fernsehen gucken!" Mehrere Minuten lang beleidigte Medlock die beiden Damen vor der Kamera wahlweise wegen ihrer zu kleinen oder zu falschen Brüsten und gäbe es eine Trophäe für den unsympathischsten Sex-Hotline-Anrufer aller Zeiten: Der gebürtige Frankfurter könnte sie umgehend zu seinen Gold- und Platinauszeichnungen in die Vitrine stellen.

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OK, vielleicht, ganz vielleicht, besteht die klitzekleine Chance, dass sich bei dieser Meldung jemand einfach nur einen Spaß erlaubt hat. Am Telefon hätte schließlich nahezu jeder sein können, der ansatzweise in der Lage ist, sehr nasal Hessisch zu sprechen. Sollte es sich bei dem Anrufer aber tatsächlich um Mark Medlock handeln, ist er ein ganz heißer Kandidat für den dieswöchigen Heulsusen-Thron.

Heulsuse #2: JuliensBlog

Der Vorfall: Der YouTuber veröffentlicht ein Video, in dem er ankündigt, die (aktuell nicht mehr) streikenden Lokführer nach Auschwitz fahren und vergasen zu wollen. Wenig überraschend wird er dafür von Öffentlichkeit und Medien stark kritisiert.

Die angemessene Reaktion: Zumindest versuchen zu reflektieren, warum diese Aussage nicht OK ist. Sich womöglich sogar öffentlich für die Aussage entschuldigen.

Die tatsächliche Reaktion: Sich beschweren, dass niemand seinen „schwarzen Humor" versteht.

Wenn ihr Julien Sewering nicht kennt, dann ist das nicht schlimm. Er zählt zwar zu den erfolgreichsten YouTubern Deutschlands, während seine Kollegen aber wahlweise Videospiele kommentieren, Nagellack in die Kamera halten oder vegane Gesichtsmasken anrühren, schreit Julien gerne mal Hassbotschaften in die Welt—die von seinen Zuschauern und Abonnenten dankbar weiterverbreitet werden.

Als die Gewerkschaft der Lokführer diese Woche einmal mehr den Regional-, Personen- und Fernverkehr bestreikte und damit für ordentlich Unmut innerhalb der Bevölkerung sorgte, sah der Videomacher die Zeit gekommen, sich auch mal so richtig über die Bahnmitarbeiter auszulassen. In einem komplett überzogenen Video ging er die Forderungen der streikenden Angestellten durch und zog dabei so richtig vom Leder. Natürlich beschleicht einem beim Gucken der Verdacht, ja, beinahe schon die Hoffnung, dass er diesen absoluten Schwachsinn doch unmöglich ernst meinen kann. Das Problem ist nur: Aussagen wie „Vergasen sollte man diese Mistviecher. Wisst ihr noch, wie die Juden mit Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer alle dahin bringen" sind einfach nicht lustig. Den Shitstorm, der daraufhin über ihn hereinbrach, hat JuliensBlog sich also redlich verdient.

Statt sich allerdings zu entschuldigen, sich in ein anderes Land abzusetzen und unter neuem Namen ein Leben als besserer Mensch zu beginnen oder zumindest ansatzweise zu versuchen, sich selbst zu reflektieren, hat Julien den Weg des Dummen gewählt: Zu behaupten, dass das doch alles nur Spaß sein soll und jeder, der ihn kritisiert, eigentlich der wahre Idiot ist. In einem Telefon-Interview mit DASDING erklärte er: „Es ist mir klar, dass in Deutschland gleich jedem die Scheide juckt, sobald man den Holocaust erwähnt. Da sollte man auch nicht so einen großen Stock im Arsch haben. […] Schwarzer Humor. Da ist Sinn der Sache, dass man sich über Sachen lustig macht, die nicht witzig sind."

Zumindest war Juliens Video unwitzig genug, um zur Anzeige gebracht zu werden. Es bleibt abzuwarten, wie viel Spaß die Polizei bei Themen wie Judenvergasung und Holocaust versteht.

Letzte Woche: Die Gema verlangt Gebühren von einem Senioren-Singkreis und eine Frau darf nicht ins Flugzeug, weil sie einen schlechten Witz gemacht hat.

Der Gewinner: die Gema!