Wir haben Flüchtlinge gebeten, ihren Alltag mit Einwegkameras zu dokumentieren

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Wir haben Flüchtlinge gebeten, ihren Alltag mit Einwegkameras zu dokumentieren

Alle Teilnehmer des Projekts erhielten Einwegkameras mit jeweils 27 Fotos und den Auftrag, für den Zeitraum von einer Woche ihren Alltag festzuhalten.

Seit dem Frühjahr 2015 arbeiten wir mit sechs Flüchtlingen zusammen, die zur Zeit in Berliner Asylunterkünften leben. Alle Teilnehmer des Projekts erhielten von uns Einwegkameras mit jeweils 27 Fotos und den Auftrag, für den Zeitraum von einer Woche ihren Alltag festzuhalten.

Einwegkameras erschienen uns dafür das ideale Medium zu sein, da sie kompakt und einfach zu bedienen sind. Dadurch sank unter den Interessierten die Hemmschwelle mitzumachen und jeder der Teilnehmer konnte ohne spezielle Vorgaben seine Eindrücke dokumentieren. Der besondere Reiz für den Fotografen liegt hier in dem Augenblick des Innehaltens, des Abwägens und dem bewussteren Bedienen des Auslösers, bedingt durch die begrenzte Anzahl an Fotos auf der Kamera. Zusätzlich verlieh diese Art der Aufmerksamkeit den Geschichten der einzelnen Teilnehmer eine neue Bedeutung. Nach dem Entwickeln der Filme trafen wir gemeinsam eine Auswahl von Bildern für die Soli-Ausstellungs-Party, die wir Ende Mai im Bootshaus am Spreeacker veranstalteten, wo die Arbeiten erstmals neben denen weiterer Künstler und Musiker präsentiert wurden. Uns lag es am Herzen, verschiedenste Menschen zusammenzuführen, um einen Raum zu schaffen, in dem sich Ur-Berliner, Zugezogene und Geflüchtete zu elektronischer Musik am sonnigen Spreeufer, der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West, begegnen konnten. Darüber hinaus stellten wir die Bilder auch im Rahmen der Berlin Design Night im KAOS (Kreative Arbeitsgemeinschaft Oberschöneweide), sowie auf dem diesjährigen Fusion Festival und am SAGE Beach aus. Dieser ernsten Thematik in einem freudigen und warmherzigen Kontext entgegen zu treten, ist in unseren Augen ein wesentlicher Schritt zur Eingliederung derer, die sich entwurzelt und traumatisiert in dieser Stadt wiederfinden. Wir wollen bewirken, dass mehr Menschen Flüchtlingen auf Augenhöhe begegnen, sie als Individuen wahrnehmen und entsprechend handeln.

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Was uns vorantreibt ist, zu beobachten, wie der Funke in menschlichen Begegnungen überspringt, wenn jemand sich zum Beispiel den Fluchtbericht eines anderen anhört oder seine Bilder anschaut und sich so mit seinem Gegenüber identifizieren kann. Wenn wir uns nicht mehr auf das konzentrieren, was uns trennt, sondern auf das, was uns verbindet, und zwischen Menschen eine Atmosphäre von Vertrauen und gegenseitiger Würdigung entsteht. Dazu gehören für uns auch die Schaffung von Plattformen für Einzelpersonen sowie unabhängige Projekte und Initiativen, die den zwischenmenschlichen Austausch und Empathie fördern.

Obwohl das Flüchtlingsthema seit längerer Zeit in der Gesellschaft und den Medien präsent ist, schien es für uns, bis wir mit dem Projekt begannen, nicht wirklich greifbar. Wir wollten das Ausmaß dieser Situation verstehen und die Geflüchteten unterstützen und fühlten uns gleichzeitig naiv und ohnmächtig. Schließlich kamen wir dann auf die Idee, das Projekt AUGEN-BLICK zu starten.

Der Titel AUGEN-BLICK bezieht sich darauf, dass die Flüchtlinge ihren Alltag selbst dokumentieren, so wie sie ihn erleben. Die Fotos fangen die Normalität des Alltags ein und vermitteln, wie sehr die Fotografen sich wünschen, nicht nur als Opfer wahrgenommen zu werden, sondern als Menschen, die selbst unter extremen Bedingungen Alltagsrituale für sich kreieren und leben, träumen, lachen und lieben. Ungefiltert wollen wir so mit unserem Projekt einen Ein-BLICK in das Leben von Geflüchteten gewähren. Einen BLICK durch ihre AUGEN, in diesem AUGENBLICK.

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_Mehr von Halea und Francis Arbeiten findet ihr hier_

Naheed Mirzad (26), aus Afghanistan - Sie ist die einzige Frau, die an unserem Projekt teilnahm; die meisten anderen, die wir ansprachen, waren eher zurückhaltend. Naheed lebt seit einem knappen Jahr in Berlin und hat auch in Ihrem Heimatland des Öfteren fotografiert.

Saleh, aus Syrien – Leider wissen wir seinen vollen Namen nicht, da er im Rahmen der allmählichen Auflösung des Lagers in der FU-Sporthalle in ein anderes Heim verlegt wurde. Niemand konnte oder wollte uns Auskunft über seinen jetzigen Aufenthaltsort geben.

Huseynaga Gasanov (15), aus Aserbaidschan - Huseynaga kam, als er 11 Jahre alt war, mit seiner Familie nach Berlin. Bald beginnt er bald ein Betriebspraktikum im Theater im Aufbau Haus und zeichnet Bilder, die sozialkritischen Karikaturen ähneln. Er bekam im Übrigen eine zweite Kamera, da seine erste im Wohnheim geklaut wurde. Sie ist verschollen und wer weiß, ob und wo die Bilder von der ersten Kamera auftauchen werden …

Sayed Omruddin Hussaini (20), aus Afghanistan - Er hatte zum ersten Mal eine Kamera in der Hand. Seine Freundin Naheed konnte ihm aber helfen. Die beiden lernten sich in Berlin kennen.

Siwan Suliman (20), aus Syrien - Er lebt seit neun Monaten in einem Kreuzberger Heim und arbeitet in einem Späti. Auf seinen Bildern findet man vorwiegend Grün, da die Parks in Berlin ihn an seine Heimat in einem fruchtbaren Teil Syriens erinnern.

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Zymer Zeqiri (15) aus dem Kosovo - Er wurde nach kurzem Aufenthalt in der in ein Flüchtlingsauffanglager umfunktionierten Sporthalle der Freien Universität in Dahlem wieder abgeschoben. Mit der Begründung, dass er und seine Familie nicht aus Not, sondern wegen mangelnder Zukunftsperspektiven geflohen seien.