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Die Welt 2018

Dieses Bild symbolisiert alles, was in den USA in den letzten Jahren schiefgelaufen ist

Zeit für einen Wutanfall.

Donald Trump hat Kim Kardashian im Oval Office empfangen, und das Foto von ihrem Treffen hat jetzt schon einen Online-Zyklon aus Entrüstung, Wut, Trauer, Flachwitzen und Gekabbel entfesselt. Hier ist der Tweet nochmal:

Obwohl es zahlreiche gute Riffs gab ("Sieht aus wie eine Geiselnahme", "Die Addams Family ist wieder da", "Du bist jetzt Melania"), war es vor allem eine Emotion, die die sozialen Medien dominierte: ein Gefühl der totalen Unwirklichkeit. "Stellt euch vor, auch nur drei Jahre in die Vergangenheit zu reisen und das hier zu erklären", schreibt eine fassungslose Userin auf Twitter. "Du würdest jeden auslachen, der dir das erzählt", schreibt eine andere. Und natürlich haben sie recht: Noch vor drei Jahren hätte sich niemand auch nur vorstellen können, dass sich im Jahr 2018 zwei Reality-TV-Stars im Oval Office treffen würden, der eine als Präsident, die andere als Fürsprecherin für eine "Gefängnisreform".*

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Doch je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr Sinn ergibt dieses Foto. Dass Donald Trump und Kim Kardashian sich im Weißen Haus treffen und dort Politik spielen dürfen, ist im Grunde nichts weiter als die Bestätigung, dass der amerikanische Traum erfolgreich wiedergeboren wurde – nur eben etwas anders, als wir ihn von früher kennen.

Der alte Traum – dass es jeder durch genügend harte Arbeit und ein bisschen Spucke vom Tellerwäscher zum Millionär bringen kann – ist längst tot. Spätestens mit den Occupy-Protesten ist den Amerikanern klar geworden, dass niemand sich mehr Hoffnung auf eine Belohnung seiner harten Arbeit machen muss. Also hat der amerikanische Traum sich angepasst und gewandelt, bis er sich irgendwann in sein eigenes Zerrbild verkehrt hat. Heute träumt der Amerikaner davon, es allein Kraft seines unbändigen Narzisssmus zum Milliardär zu bringen, ohne je einen Strich echter Arbeit zu leisten.

In den ganzen USA gibt es niemanden, der dieses Prinzip besser verkörpern könnte als Kim Kardashian und Donald Trump. Beide haben ihr Imperium auf Luft aufgebaut, auf leicht nach billigem Haarspray riechender Luft: reiche Eltern, wertlose Immobilien-Deals, grelle Reality-Shows, selbstvermarktete Sex-Tapes. Wie besessen haben beide der amerikanischen Öffentlichkeit über Jahre vorgebetet, dass ihr Name gleichbedeutend mit Erfolg sei – Erfolg worin, war völlig egal, Hauptsache Erfolg. Bis Amerika irgendwann gar nicht mehr anders konnte, als es zu glauben. Aus dem Ekel hat sich eine gewisse Faszination entwickelt, und irgendwann hat man dann vergessen, wo sie eigentlich herkam. Dabei haben beide nichts, was sie irgendwie auszeichnet, außer ihrem unbedingten Willen zum Ruhm und ihre absolute, zur Waffe umgewandelten Schamlosigkeit.

Dass die Geschmacks-Eliten Amerikas nie etwas anderes als Gelächter für ihre aufgespritzten Arschbacken und aufgesprühte Orangenhaut übrig hatten, war ihnen schon immer egal, und sie hatten recht damit: Ihre jeweiligen sozialen Netzwerke erlaubten ihnen den Sprung aus dem Reality-TV direkt in die totale Selbstvermarktung. An den Eliten vorbei konnten sie die niedersten Triebe des Publikums bedienen. Instagram wurde die perfekte Plattform für Kim Kardashians Hinterteil, Twitter der ideale Durchlauferhitzer für Donald Trumps menschenverachtendes, populistisches Geseier. Und jetzt sitzen sie im Weißen Haus, jetzt sind sie die Geschmacks-Elite. Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt halten Kardashian für ein Vorbild, Konservative vieler Länder versuchen mittlerweile, Trumps impulsgetriebenen Wahnsinn als entschlossene Politik zu verkaufen. Trump und Kardashian haben es geschafft: Die ganze Welt riecht jetzt nach billigem Haarspray.

*Dass das Gnadengesuch für die 63 Jahre alte Alice Marie Johnson, für das sich Kim Kardashian einsetzt, in irgendeiner Weise die Gefängnispolitik der aktuellen US-Regierung beeinflussen wird, gilt als unwahrscheinlich. Trump hat sich unter anderem wiederholt für noch härtere Strafen für Drogenverbrechen ausgesprochen.

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