Ein kurzes Gespräch über Anal Cunts "I Intentionally Ran Over Your Dog" als Tinder-Lied
Hey Leute, tolle Neuigkeiten: Ihr könnt euren Tinder-Profilen jetzt ein Lied hinzufügen. Somit habt ihr auch ein neues Feature, auf das ihr die Schuld schieben könnt, wenn ihr mal wieder keine Matches abstaubt. Gleichzeitig sind die Profillieder aber auch die Chance, der Welt zu zeigen, dass ihr eigentlich gar nicht so komisch seid, wie ihr auf euren Fotos vielleicht rüberkommt.Genau aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden, euch ein wenig Schützenhilfe zu leisten und herauszufinden, bei welchem musikalischen Genre die Match-Jagd am erfolgreichsten läuft. So habe ich eine Woche lang jeden Tag ein anderes Profillied ausprobiert und dabei beobachtet, wie viele Frauen bei mir nach rechts wischen und mir dann auch noch ihre Nummer geben, wenn ich den Song anspreche. Den Anfang machte:Das R'n'B-Schmuselied
Tinders neues Musikfeature ist mit Spotify verknüpft. Also loggte ich mich dort ein und suchte für den Wochenanfang direkt mal das sinnlichste Lied, das mir spontan einfiel: "Fuck you All the Time" von R'n'B-Crooner Jeremih."Moment mal", denkt ihr euch jetzt vielleicht, "ist das nicht ein wenig zu direkt und potenziell abturnend?" Damit liegt ihr wohl richtig, denn obwohl ich direkt sechs Matches an Land zog, reagierten davon nur drei auf meinen auf das Lied bezogenen Gesprächseinstieg. Und dann wollten sie mich auch eher besser kennenlernen, weil ich "nicht wie ein totaler Freak aussehe".Am Ende des Tages stand ich trotzdem ohne neue Nummern da.Matches: 6
Konversationen: 3
Nummern: 0Der menschenverachtende Grindcore-Hammer
Grindcore an sich ist ja schon ein schwieriges Thema. Besonders schwierig wird es aber, wenn man auch noch versucht, mit einem Lied romantisch zu wirken, das sich im Grunde perfekt mit "Ein Mann lässt einen Haufen Schlagzeugbecken in einen Rasenmäher fallen" beschreiben lässt. Und trotzdem habe ich es geschafft, vier Matches zu bekommen. Den Frauen, die nach rechts gewischt haben, war mein Profillied wohl entweder egal oder sie alle hassen Hunde.Ich begann das Gespräch dann immer mit der Frage, ob meine Liebe für die Grindcore-Band Anal Cunt der ausschlaggebende Punkt für da Like war. Bei drei der vier Damen kam ich damit nicht wirklich gut an. Bei der anderen jungen Frau entwickelte sich das Gespräch dann in eine unerwartete Richtung: Sie ging nämlich davon aus, dass ich das Thema Analsex auf eine etwas andere Art und Weise ansprechen wollte. Anschließend ließ sie die Psychologin raushängen und analysierte mein gesamtes Leben. So war wohl vor Kurzem meine Beziehung in die Brüche gegangen, meine Freunde hatten mir daraufhin die Tinder-Sache aufgeschwatzt und ich verhielt mich jetzt absichtlich wie ein Arschloch.OK, mit ihrer letzten Annahme lag sie leider richtig. Deshalb trennten sich unsere Wege auch wieder—und zwar ohne Nummernaustausch.Matches: 4
Konversationen: 1
Nummern: 0Der beste Pop-Song der vergangenen 50 Jahre
Nach dem aus dem musikalischen Rahmen fallenden Anal-Cunt-Tag durfte ich wieder zartere Töne anschlagen—nämlich Justin Biebers "Sorry". Dieser Schritt fühlte sich so an, als würde ein Engel kühlende Salbe auf mein wundgescheuertes Tinder-Profil auftragen. Und man sollte doch meinen, dass ich mit diesem Lied besser bei der Frauenwelt ankomme, oder?Tatsache! Ganze sieben Matches und vier Konversationen mit augenscheinlich ECHTEN Frauen konnte ich am Ende des Tages verbuchen. Kein Wunder, bei verführerischen bzw. mysteriösen Einstiegsfragen wie etwa "Bist du auch ein Belieber?" oder "Is it too late now to say sorry?".Nur eine einzige Frau reagierte und ihre Antwort lässt sich ganz gut mit "Verpiss dich!" zusammenfassen. Alles in allem war das jedoch schon gerechtfertigt. Wie ihr euch bestimmt bereits denken könnt, stand ich auch am Ende dieses Tages ohne neue Nummern da. Die Romantik ließ wirklich zu wünschen übrig!Matches: 7
Konversationen: 4
Nummern: 0Der klassische Hardcore-Punk-Smasher
Scheiß drauf! Wenn schon der wohl größte Hit des letzten Jahres nicht zieht, dann musste ich andere Saiten aufziehen und mein wahres Ich zeigen. Ich besann mich auf die Liebe meiner Teenagerjahre: lauter Hardcore-Punk. Und was gibt es in diesem Bereich denn Besseres als die Urväter, die Bad Brains? Mit dieser Taktik wollte ich mit "echten" Frauen matchen, die das Establishment ebenfalls hassen und auf meine "Fuck Authority"-Attitüde stehen.Anfangs schien mein Plan auch noch aufzugehen. So konnte ich mit meinem neuen Tinder-Song direkt sechs Matches ergattern. Leider schien davon niemand jemals von den Bad Brains gehört zu haben. Und nachdem ich die Damen auf peinliche Art und Weise wiederholt darum gebeten hatte, sich das Lied anzuhören, waren sie davon nicht wirklich angetan.Nein, sie alle hassten es sogar.Mein musikalisches Experiment verwandelte sich immer mehr in einen musikalischen Autounfall, bei dem das Auto aus Liebe besteht, die eingedrückte Motorhaube für mein Herz steht und die Reifen wohl meine Hoffnung darstellen. Sie gehören ja zum Auto und kommen plötzlich zum Stillstand oder lösen sich direkt komplett von der Karosserie ab. In anderen Worten: Ich habe wieder keine Nummer abgegriffen.Matches: 6
Konversationen: 2
Nummern: 0Die schnulzige Folk-Ballade
Es war niederschmetternd. Nachdem ich mit meinen Matches eine halbe Woche lang ausschließlich über mein Tinder-Profillied diskutiert hatte, stand ich quasi vor dem Nichts. Die konstante Ablehnung ließ mich sogar ein wenig emotional werden. So emotional, dass ich meinen einzigen Trost in den sanften und beruhigenden Klängen von Ray Lamontagnes Folk-Klassiker "All the Wild Horses" fand.Vielleicht gab es da draußen ja Tinder-Lied-Fanatikerinnen, die der Welt ihren Lieblingssong präsentierten und dann so ignoriert wurden wie ich? Vielleicht könnten auch sie den Schmerz in Rays Stimme fühlen? Vielleicht würde sie mir dann auch ihre Nummer geben?Zu meinem Leidwesen (und dem Leidwesen anderer Flanellhemden tragender sowie schmalziger Gitarrenmusik hörender Männer) sollte sich herausstellen, dass Emotionen oder die beschissene Vorliebe für Lagerfeuerballaden der Frauenwelt vollkommen egal sind. Obwohl ich fünf Matches erzielte, wurden meine Konversationsstarter immer mit Stille quittiert. Gibt es überhaupt eine tragischere Stille?Matches: 5
Konversationen: 0
Nummern: 0Der Trap-Kracher
"Verdammt, der Scheiß ist LIT! Genau mein Ding! TURN UP!"Das haben sich wohl einige junge Damen gedacht, als sie mein Profil durchgegangen sind. Woher ich das weiß? ACHT MATCHES, BABY!Das Lied an sich ist schon ein guter Eisbrecher, denn man muss dem Gegenüber eigentlich nur eine Frage stellen: "Are you in love with the coco?" OK, im Grunde informiert man sich so auch direkt über eine potenzielle Kokain-Sucht, aber es funktioniert. Eine junge Frau ließ mich nämlich unmissverständlich wissen, dass mein Profillied sie unglaublich anmachte. Und so kam ich auch zu meiner ersten Nummer der Woche.Ein Hoch auf O.T.Matches: 8
Konversationen: 5
Nummern: 1Die smoothe Jazz-Nummer
Der Songtitel ["Hinweg von mir, Satan!"] passte perfekt zum Ende meines Experiments, denn er beschreibt nicht nur meine schreckliche Woche, sondern auch so ziemlich jede Erfahrung so ziemlich jeder Frau auf so ziemlich jeder Dating-App überhaupt. Und genauso wie bei Justin Bieber hoffte ich, dass dieses akustisch harmlose Lied potenziellen Matches meine sanfte Seite aufzeigte.Mein Plan ging auf. Den Damen schien wirklich zu gefallen, dass ich Jazz anderen Genres vorzog. Eine war davon sogar so sehr begeistert, dass sie mir ihre Nummer verriet.Matches: 5
Konversationen: 2
Nummern: 1Da habt ihr es! Auf Tinder ziehen ausschließlich zwei traditionelle Schmuse-Untermalungen, nämlich klassischer Jazz und Trap. In Zukunft wird auf meinem Profil ein "Summertime"-"Trap Queen"-Mash-Up erklingen, den ich gerade verzweifelt versuche zu kreieren.Lass dir das Beste von VICE jede Woche per Mail schicken!
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