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In Meidling soll auf 3700 Quadratmetern ein Dorf für auffällige Obdachlose entstehen

Unumstritten sind die „VinziDörfer" in Österreich nicht.
Foto: VinziWerke

Seit Anfang der Woche ist es fix: Wien bekommt ein „VinziDorf". 38 Einrichtungen der Vinzigemeinschaft gab es bisher in Österreich, mit dem Wiener „VinziDorf" sollen es 39 werden.

Die Vinzigemeinschaft ist die größte ehrenamtliche Laienorganisation der Welt. Mit 50.000 Vereinen und rund einer Million Mitglieder in 148 Ländern, versucht man armen, und in Not geratenen Menschen zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

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In Wien gab es bisher sechs „VinziWerke": Drei Notschlafstellen, eine Anlaufstelle und zwei Sozialmärkte.

Nun soll also noch das VinziDorf, ein dauerhafter Wohnplatz für sogenannte „sleeping roughs"—also Obdachlose, die aufgrund ihres Verhaltens und nicht selten eines Alkoholproblems keinen Platz mehr in anderen Notschlafstellen finden—im Meidlinger Stadtteil Hetzendorf hinzukommen.

Auf einer Fläche von 3700 Quadratmetern sollen 16 Wohnmodule und 8 Wohneinheiten für insgesamt 24 obdachlose Männer entstehen. „Wir wollen dort jene Menschen unterbringen, die nicht in Notschlafstellen gehen oder wegen ihres Verhaltens dort nicht aufgenommen werden. Wir wollen ihnen ein Zuhause geben, in dem sie so leben dürfen, wie sie können und wollen", erklärt der Organisator Wolfgang Pucher.

Wolfgang Pucher kämpft schon seit 2002 für ein VinziDorf in Wien. Nachdem das Projekt nicht zuletzt wegen des Widerstands der Anrainer immer wieder verzögert wurde, ist der Baubescheid nun rechtskräftig. Im Frühling 2016 soll zu bauen begonnen werden; schon nächsten Winter sollen die ersten Gäste einziehen. Pucher ist sich sicher, dass das Projekt Erfolg haben wird und verweist auf den positiven Werdegang des ersten VinziDorfes in Graz, das bereits 1993 gegründet wurde: „Wir haben mit dem VinziDorf Graz Österreichische Sozialgeschichte geschrieben", sagt er. „Seit seiner Entstehung orientieren sich auch andere Hilfseinrichtungen an diesem Modell."

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Organisator Wolfgang Pucher mit Bewohnern im VinziDorf Graz | Foto: VinziWerke

Nach Informationsveranstaltungen steht jetzt auch ein Großteil der Anrainer hinter dem Projekt in Wien, das in unmittelbarer Nähe zu drei Schulen, auf einem Grundstück des Lazaristenordens, gebaut werden soll. „Bei allen Projekten haben wir die gleiche Erfahrung gemacht: Zuerst viele Ängste, dann vollste Zustimmung", heißt es von Seiten der VinziWerke. Eine Anrainerin meint gegenüber VICE: „Zuerst habe ich das schon hinterfragt, weil direkt daneben, Kindergärten, Schulen und Spielplätze sind. Da kann man den Widerstand der Eltern schon verstehen. Aber im Allgemeinen halte ich es für ein gutes Projekt, weil die Obdachlosen von der Straße wegkommen. Das erhöht ja auch die Sicherheit und für die Kinder geht von den Menschen keine Gefahr aus."

Im VinziDorf soll, anders als in den Notschlafstellen Wiens, auch Alkohol getrunken werden dürfen. Dieser Umstand hat auch auf politischer Ebene für Widerstand gesorgt. Gegenüber dem ORF Wien kritisiert der stellvertretende Bezirksvorsteher Meidlings, Wilfried Zankl (SPÖ): „Den Ansatz, dass man [den Obdachlosen] helfen will, dass es ihnen besser geht, dass sie eine Entwicklung machen können, sehe ich nicht in diesem Projekt."

Auch bei der FPÖ Meidling, die bis zu unserer Anfrage von dem Projekt noch nichts gewusst haben will, zeigt man sich skeptisch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da schon irgendjemand die Bezirksvertretung darüber informiert hätte", meint der Bezirksparteiobmann Alexander Pawkowicz. „Die Information über ein VinziDorf in Meidling ist bei mir jedenfalls noch nicht gelandet. Eine solche Einrichtung inmitten eines verbauten Wohngebietes lehne ich aber klar ab, auch wenn ich grundsätzlich jede zivilgesellschaftliche Engagement für wohnungslose Menschen begrüße."

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Organisator Wolfgang Pucher am zukünftigen Gelände des VinziDorfs | Foto: VinziWerke

Neben den Wohnräumen sollen im VinziDorf Wien auch Sanitäranlagen, ein Aufenthaltsraum und eine Küche zur Verfügung stehen. Architekt Alexander Hagner freut sich über den Auftrag: „Es ist einfach sinnstiftend. Aufgrund der Tatsache, dass durch unsere Arbeit weniger Leute auf der Straße schlafen müssen, ist ein Hochgefühl, das durch nichts auf der Welt ersetzbar ist."

Unterstützung erhält das Projekt von den NEOS, sofern auch die Anwohner mit einbezogen werden. Die Meidlinger Bezirksvertreterin Ursula Gressenbauer sagt uns gegenüber: „In Graz funktioniert das Projekt sehr gut, die Initiatoren haben eine breite Sichtweise auf das Thema, sie bieten Arbeitsmöglichkeiten und schaffen eine sinnvolle und menschenwürdige Betreuung. Natürlich muss man aber auch die Bürger und Bürgerinnen einbinden und darf nicht über sie drüber fahren."

Öffentliche Gelder wird es für das Projekt aber vorerst ohnehin keine geben. Deshalb hofft man bei der Vinzigemeinschaft auf Geld– und Baumaterialspenden, sowie großes Interesse für eine ehrenamtliche Mitarbeit. „Meine persönliche Hauptaufgabe ist die Motivation aller Menschen, die mit dem VinziDorf Wien in Zukunft in Berührung kommen werden. Das sind Anrainer und Politiker und auch zukünftige Ehrenamtliche und Spender", sagt Wolfgang Pucher.

Paul auf Twitter: @gewitterland