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Menschen mit Behinderung

Das ist die wohl bislang widerlichste Anfrage, die die AfD gestellt hat

Die Partei will wissen, wie viele Schwerbehinderte einen Migrationshintergrund haben. Die Anfrage erinnert an die düstersten Kapitel deutscher Geschichte.
Illustration: VICE

Dass die AfD Menschen mit Behinderung nicht so Recht in den Alltag einbeziehen will, wurde schon in ihrem Wahlprogramm deutlich. Dort verkündeten die Rechtspopulisten, "ideologisch motivierte Inklusion" bekämpfen und Förder- und Sonderschulen erhalten zu wollen. Dem setzt die AfD aber jetzt noch eins drauf: In einer kleinen Anfrage will die AfD von der Bundesregierung wissen, ob es einen Zusammenhang zwischen Inzucht und Schwerbehinderung gibt – und ob die gestiegene Zuwanderung etwas damit zu tun hat.

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In ihrem Antrag verweisen die Abgeordneten Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl und Verena Hartmann auf mehr als 7,6 Millionen Menschen (9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung) mit Schwerbehindertenausweis – 67.000 Fälle mehr als im Jahr 2013. Im nächsten Schritt bringen die Abgeordneten ein Video des rbb-Magazins Kontraste sowie Artikel der taz und des Tagesspiegels als Beleg dafür an, dass schwere Behinderungen oftmals eine Folge von Inzucht sind.

Die daraus abgeleiteten Fragen unterstellen dann aber einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg von Behinderungen und Zuwanderung. So will die AfD wissen, wie viele Menschen, die durch Heirat innerhalb der Familie behindert geboren wurden, einen Migrationshintergrund haben. Außerdem: "Wie viele der in der Bundesrepublik lebenden Schwerbehinderten besitzen keine deutsche Staatsbürgerschaft?"

Auf Nachfrage von VICE, was die AfD zu dieser Anfrage konkret geritten hat, antworte die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst: "Laut diversen Medienberichten ist die Verwandtschaftsehe vor allem unter Zuwanderern aus dem arabischen und afrikanischen Raum verbreitet, insbesondere solche unter Cousins und Cousinen ersten Grades." Ziel der Anfrage sei es gewesen, herauszufinden, ob überhaupt Handlungsbedarf bestehe.

Dass Rechte Muslime ursächlich für Behinderungen sehen, ist nicht neu. Der Autor Kai Knut Werner durfte bereits letztes Jahr auf dem rechtspopulistischen und islamophoben Blog Journalistenwatch seine Theorie ausbreiten, wonach Inzucht durch Cousinenheirat von Muslimen befördert werde und zu einer hohen Rate an Behinderungen führe.

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Parallelen zur Euthanasie im Dritten Reich?

"Dieser Antrag strotzt vor Ignoranz und Unkenntnis der Gesellschaft", sagte die stellvertretende Berliner Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Heike Schwarz-Weineck, gegenüber VICE. Die Anfrage suggeriere, dass die meisten Behinderungen durch Inzucht kommen würden. Dabei sei Inzucht nur für einen kleinen Teil der Schwerbehinderungen ursächlich. Den "Handlungsbedarf", den die AfD vermutet, sieht sie also nicht.

In den Sozialen Medien empörten sich Nutzer über die Anfrage der AfD und den suggerierten Zusammenhang zwischen Migration und einem Anstieg der Anzahl der Menschen mit Schwerbehinderung. Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink twitterte:

Viele Nutzer fühlen sich zudem an die Euthanasie-Politik des Dritten Reiches erinnert. Klein-Schmeink fragte: "Wer sieht nicht den Zusammenhang zum Gedankengut vom 'unwerten Leben' der Nazis?" Der Twitter-Account Chronik gegen Rechts fragte zynisch: "Wann kommt der Gesetzesantrag zur Reinhaltung des deutschen Volkskörpers?" Andere User verweisen darauf, dass schon die namentliche Erfassung von Schwerbehinderten zu weit gehe. Im Rahmen der Aktion T4 ermordeten die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1945 mehr als 70.000 Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung.

Zuvor wurden auch diese Menschen in Heil- und Pflegeanstalten an Hand von Meldebögen erfasst und bewertet.

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