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Drogen

Die Berliner Polizei lässt Dealer angeblich aus Frust wieder laufen

Drogenfahnder sollen am Sinn ihrer Arbeit zweifeln. Es gebe mittlerweile "eine Leck-mich-am-Arsch-Mentalität" in Berlin.
Symbolfoto: imago | Olaf Wagner

Wenn gestresste Drogenfahnder in der Berliner Gangsterserie 4 Blocks über ihren Job jammern, klingt das nach einem Klischee: "Wir verhaften Leute und dann müssen wir sie freilassen!" Und wenn sie doch mal einen Dealer verhaften? "Dann passiert ganz genau null Komma null gar nichts!", sagt der Serienpolizist. Doch ein aktueller Fall aus Berlin zeigt, dass der TV-Ausraster ziemlich nah an der Realität liegen könnte.

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Die Berliner Zeitung berichtet über einen Polizisten, der am Mittwoch vor einer Woche außerhalb seiner Dienstzeit in Berlin-Wilmersdorf einen Drogendealer beobachtet haben soll. Der Verdächtige habe vor einem Blumenladen einem zitternden Mann etwas in die Hand gedrückt. Alarmierte Bereitschaftspolizisten stellten den mutmaßlichen Dealer nach einer kurzen Verfolgungsjagd und sammelten zwei Tüten auf, die er fallen gelassen hatte. Darin sollen sie 35 Ecstasy-Pillen, 95 portionierte Einheiten Gras und mehrere Portionen Haschisch gefunden haben. Der Mann war polizeibekannt: Beamte hatten ihn schon 2016 in seiner Wohnung besucht und ein Kilo Cannabis gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat ihn deshalb bereits angeklagt. Man kann also nicht behaupten, dass die Beamten hier einen Lausebengel vor sich hatten, den man vorwurfsvoll belehrt und dann nach Hause zu Mutti schickt. Aber genau das soll in diesem Fall passiert sein, nur ohne Einsatz der Mutter.

Die Kripo beantragte keinen Haftbefehl, sondern ließ den Mann gehen. Ein Polizeisprecher sagte der Berliner Zeitung, es habe keinen zwingenden Haftgrund gegeben. Trotz der Tüten voll Drogen und trotz des aktuell laufenden Verfahrens.

Die Zeitung zitiert aber auch einen anonymen Drogenfahnder aus Berlin, der das ganz anders sieht: "Hier lagen Flucht-, Wiederholungs- und Verdunkelungsgefahr vor", sagte er, das seien genügend Gründe, um Untersuchungshaft zu beantragen. Dass die Kripo den Verdächtigen trotzdem laufen ließ, erklärte der anonyme Polizist gegenüber der Zeitung damit, dass die Beamten frustriert seien. Schuld daran sei die Berliner Politik, die Zustände wie im Görlitzer Park und am Kottbusser Tor dulde. An beiden Berliner Drogen-Hotspots wird seit Jahren relativ offen gedealt. Für die Polizisten stelle sich da die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, "zwei bis drei Stunden lang" einen Vorführbefehl zu schreiben, wenn sich doch nichts verändere, sagte der Beamte der Zeitung. Es gebe inzwischen "eine Leck-mich-am-Arsch-Mentalität".

Auch wenn der anonyme Beamte wohl nicht für alle seine Kollegen spricht, geben seine Aussagen doch einen Eindruck von der aktuellen Stimmung innerhalb der Berliner Polizei. 2016 waren Berliner Polizeibeamte im Durchschnitt sieben Wochen pro Jahr krankgemeldet. Ein Grund dafür dürfte die hohe Arbeitsbelastung sein, beklagte die Gewerkschaft der Polizei. Die sei vor allem durch Personalmangel entstanden. Umso frustrierender, wenn manche Polizisten das Gefühl haben, ihre Arbeit würde eh nichts bringen.

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