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Schafft endlich den Klubzwang ab!

Wenn ein ÖVP-Ministerium einen ÖVP-Vorschlag ins Parlament schickt, kann die SPÖ nichts mehr machen. Darf sie nicht—weil sonst kommt das Schreckgespenst Strache an die Macht.

Sitzplan des Nationalrats. Screenshot via.

Die SPÖ wird bei einem Gesetz mitstimmen, das alles andere als sozial ist. Das neue Asylgesetz sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge ihre Familien schwerer aus dem Bürgerkrieg retten können—eigentlich eine Schande für die „Sozialen" von der SPÖ und die „Familienpartei" ÖVP.

Als Reaktion twittern viele Sozialdemokraten, vor allem aus den Reihen der Parteijugend, dass die Faymann-Partei einen Kurswechsel braucht. Aber wieso eigentlich diese Aufregung?

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Immerhin ist bekannt, dass das Koalitionsabkommen besagt, dass SPÖ und ÖVP sich nicht im Weg stehen. Am Anfang der Legislaturperiode hat die Regierung festgelegt, sich gegenseitig im Nationalrat nicht zu überstimmen—sonst gibt's Neuwahlen.

Heißt: Wenn ein ÖVP-Ministerium einen ÖVP-Vorschlag ins Parlament schickt, kann die SPÖ nichts mehr machen. Darf sie nicht—weil sonst kommt das Schreckgespenst Strache an die Macht. Maximal im Entstehungsprozess des Gesetzes—also de facto im Ministerrat—kann noch was geändert werden.

Und selbst, wenn das nicht so wäre—vermutlich würde auch ohne Regierungsabkommen kaum einer aus dem SPÖ-Parlamentsklub wirklich gegen die Asylnovelle aufstehen. Denn es gibt ja den Klubzwang. Sonja Ablinger und Daniela Holzinger können ein Lied davon singen, was passiert, wenn man sich dem Willen der Partei widersetzt—googelt doch einfach mal ihre Namen.

Der „Klubzwang", den es offiziell ja gar nicht gibt, sorgt dafür, dass die Abgeordneten einer Partei abnicken, was die Spitze sagt. Und diese Regelung ist de facto Realität, auch wenn es de jure eigentlich das „freie Mandat" gibt. Heißt, oder besser gesagt hieße: Mandatare dürfen abstimmen, wie sie wollen. In der Praxis passiert das sehr selten—laut Recherchen der österreichischen NZZ kam es nur bei drei von sechs Parteien im Parlament überhaupt vor, am meisten bei den Neos. Bei der SPÖ in der laufenden Periode nie.

Das alles klingt erstmal sehr langweilig, äußert sich aber in der Praxis sehr stark. Durch den Klubzwang der Regierungsparteien werden regelmäßig Vorschläge der Opposition quasi „aus Prinzip" abgeschmettert. Beispielsweise brachten die Neos einen Initiativantrag ein, nach dem Schulen in Österreich mehr Autonomie gegeben werden sollte—abgelehnt. Die Regierung brüstet sich nun allerdings damit, dass genau das kommen soll—das braucht allerdings noch eine Zeit. Wär zwar schon zur Abstimmung gewesen, aber man will bloß verhindern, dass der politische Gegner einen Erfolg hat.

Der Sozialdemokratie an sich schadet das—denn die SPÖ muss nicht nur mit der mutlosen Parteispitze, sondern auch mit der ÖVP immer mitstimmen. So hat in Österreich wirklich eine sozialdemokratische Partei gegen die Einführung der Homo-Ehe gestimmt. Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten wenigstens Bauchweh dabei hatten.

So ist der eigentliche Skandal doch gar nicht, dass die SPÖ für eine Asylrechtsnovelle stimmt, die sie selbst nicht mittragen will. Vielmehr ist das System von Klubzwang und der im Regierungsabkommen vereinbarten „Gusch sein"-Pflicht das Problem. Denn ich trau mich zu wetten—gäbe es das freie Mandat auch in der österreichischen Realität, würden viele Gesetze nicht zustande kommen und notwendige Reformen nötig werden. Diese künstlichen Fesseln abzuwerfen wäre dringend angebracht: Schafft den Klubzwang endlich ab.