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Männerrechte

So ging es auf der internationalen Männerrechtskonferenz zu

Von "feministischer Hexenjagd" und Männern, die überzeugt sind, dass sie immer benachteiligt werden.
Graffiti auf der Millennium Bridge in London | Foto: Paul Nichols | Alamy Stock Photo

Sie reisten aus 24 Ländern an, um über das Problem zu reden, das ihnen als eines der wichtigsten erscheint: die Rechte von Männern. Die Altersspanne der Teilnehmer der International Conference on Men's Issues (ICMI) in London reichte von Männern Anfang zwanzig bis zu Rentnern, die meisten von ihnen waren mittleren Alters. Es waren auch einige wenige Frauen dabei, von denen die meisten wie Stars behandelt wurden. Die Regisseurin Cassie Jaye signierte bereitwillig DVDs ihrer Dokumentation The Red Pill. Anhänger der Red-Pill-Theorie glauben, dass Frauen mehr Privilegien als Männer genießen.

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Die "Männerbewegung" besteht aus vielen kleineren Gruppen, denen ähnliche Themen wichtig sind. Die vier wichtigsten Themen sind Sorgerecht, häusliche Gewalt, falsche Anschuldigungen (der Vergewaltigung und sexualisierter Übergriffe) und Beschneidung. Außerdem gibt es noch eine Handvoll Alt-Right-Fans. Eine grundlegende Überzeugung scheinen alle Gruppierungen zu teilen: Sie glauben, dass Männer auf die eine oder andere Weise benachteiligt werden. Einige ICMI-Besucher glauben, dass die Machthabenden dieser Welt so naiv sind, immer das Beste in Frauen zu vermuten und das Schlechteste in Männern. Andere betrachten Feminismus als bösartige Verschwörung, um die "traditionelle Familie" zu zerstören und eine Ära schwacher Männer und sozialistischer staatlicher Kontrolle einzuleiten.

Plakate bei der Konferenz, auf denen Feministinnen zu sehen sind.

Plakate bei der Konferenz | Foto: Robert Jackman

Besteht die Männerrechtsbewegung also automatisch aus Frauenhassern?

Anfang 2018 ordnete die US-amerikanische gemeinnützige Organisation Southern Poverty Law Center (SPLC) zwei Männerrechtsgruppierungen offiziell als Hassgruppen ein. Beide Gruppen gehen von der genetischen Überlegenheit von Männern aus. Die meisten Gruppen oder Websites, die sich für Männerrechte einsetzen, geben ihren Argumenten eine frauenfeindliche Färbung – versteckt oder ganz offen. Männerrechtsaktivisten stellen sich meist als Opfer dar – sie selbst würden systematisch verfolgt werden, während Frauen es leichter hätten – und vielen von ihnen sind offen anti-feministisch.

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Frauenfeindlichkeit ist definitiv eine der zentralen Charakteristika der Bewegung. Trotzdem lässt sich die ICMI nicht allein darauf beschränken. Einigen Rednern gelang es, ihre Anliegen vorzutragen – wie beispielsweise die mangelnde Unterstützung für männliche Opfer sexualisierter Gewalt –, ohne dabei auf frauenfeindliche Rhetorik zurückzugreifen oder Männer allgemein als die Opfer in der Gesellschaft darzustellen. Doch selbst bei diesen Vorträgen dauerte es nicht lange, bis die Zuschauer den Bogen zum Feminismus als Ursprung allen Übels schlugen. Man könnte auch meinen, dass Redner sich wenigstens ein bisschen unwohl fühlen würden, vor Plakaten aufzutreten, die die "verlogenste Feministin des Monats" vorstellten – aber das war anscheinend nicht der Fall.

Ein Tiefpunkt der Veranstaltung war der Auftritt von Oliver Hoffmann, dem Gründer der österreichischen Männerpartei, der seine politische Agenda vorstellte. Er forderte obligatorische Vaterschaftstests bei der Geburt (denn die Männerrechtsbewegung ist geradezu besessen vom Cuckolding) und bekannte sich zu ähnlichen Positionen wie Weiße Nationalisten. Die meisten Zuschauer im Raum schüttelten während seiner Rede den Kopf.

Viele Redner auf der ICMI waren anscheinend durch einschneidende persönliche Erlebnisse zu der Bewegung gestoßen. Natürlich ist es unmöglich zu sagen, ob ihre Geschichten alle wahr sind – oder wenigstens, ob die Männer völlig unschuldig an den Ereignissen waren.

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Ein Redner beispielsweise war in einen Gerichtsfall verwickelt, in dem es um sexualisierte Gewalt gegen Kinder ging, der jedoch fallen gelassen wurde, da die beschuldigende Partei als nicht glaubwürdig eingeschätzt wurde. Ein anderer Mann berichtete von der "feministischen Hexenjagd", die ihn von seiner Position aus der University of Oxford gedrängt habe. Er präsentierte sogar ein seltsames Netzdiagramm, auf dem einzelne Feministinnen, die ihm seinen Angaben nach Unrecht getan hatten, namentlich aufgeführt waren.

Vielleicht ist es diese emotionale Intensität, die Neulinge glauben lässt, dass Männer wirklich das unterdrückte Geschlecht sind – eine Annahme, die im krassen Gegensatz zu allen Fakten zu stehen scheint, beispielsweise im Falle von häuslicher Gewalt: Natürlich gibt es auch Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sei es durch weibliche oder männliche Täter. Doch um zu behaupten, dass Männer insgesamt stärker von häuslicher Gewalt betroffen sind (sei es zahlenmäßig oder weil sie vom System schlechter behandelt werden), muss man die Realität stark verbiegen.

Ob diese verzerrte Wahrnehmung der Realität durch eine starke emotionale Reaktion ausgelöst wird oder aus einem grundsätzlichen Misstrauen gegen Frauen stammt – oder eine Mischung aus beidem ist –, ist schwer zu sagen.


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Die größte Schwäche der Männerrechtsbewegung – abgesehen natürlich von der offensichtlichen Frauenfeindlichkeit, die von so vielen seiner Mitglieder ausgelebt wird – ist die Unfähigkeit, sich in Frauen hineinzuversetzen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden – oder sich gar mit Frauenbewegungen zu verbinden. Somit kann die Männerrechtsbewegung selbst dann, wenn sie echte Probleme wie männliche Opfer sexualisierter Gewalt anspricht, dem Thema nicht gerecht werden.

Natürlich gibt es auch hier einige Ausnahmen. Ein Betroffener von häuslicher Gewalt lobte auf der ICMI die kürzlich initiierten Informationskampagnen, die es Opfern leichter macht, Hilfe zu suchen. Auftritte wie dieser lassen hoffen, dass eine Männerrechtsbewegung auch Gutes bewirken könnte – vorausgesetzt, sie würde von Grund neu aufgebaut werden.

Viel zu oft fielen die Diskussionen auf der Konferenz jedoch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurück. Die Sprache, die von den Teilnehmern verwendet wird, ist oft entmenschlichend und der nächste problematische Zwischenruf lässt nie lange auf sich warten. Ein Sympathisant der "Men Going Their Own Way"-Gruppierung hinterfragte beispielsweise, ob der Redner nicht vielleicht zu voreilig das Verhalten einer bestimmten Frau mit Feminismus begründet habe oder ob es nicht einfach auf die Natur von Frauen zurückzuführen sei.

Es sind Einstellung wie diese, die es so schwer machen, die Männerrechtsbewegung überhaupt ernst zu nehmen – und die am Ende genau jenen schaden wird, die sie eigentlich schützen möchte.

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