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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Aldi-Kunden vs. christlicher Studentenring

Ein universitärer Squirting-Workshop und ein ausverkaufter Billig-Grill haben diese Woche einige Gemüter erregt.
Fotos: imago | photothek || imago | Dieter Matthes

Eigentlich wollten der Bielefelder Studierendenausschuss AStA und Aldi Süd der Menschheit eine Freude bereiten: Während der AStA im Rahmen einer Aktionswoche einen Workshop organisierte, in dem Frauen squirten lernen können, verwöhnte Aldi Süd seine Schnäppchen-Jäger mit einem Low-Budget-Gasgrill. Doch nicht jeder wusste die (durchaus erfreulichen) Aktionen zu schätzen.

Heulsuse #1: Christliche Studenten gegen Masturbations-Kurse

Der Vorfall: Seit vergangenem Samstag finden an der Uni Bielefeld die Aktionstage "Gesellschaft macht Geschlecht" statt. Der AStA will Studierenden damit geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung nahebringen, es gibt Audre-Lorde-Lesungen, queere Diskussionsrunden und Vorträge über die gesellschaftliche Konstruktion von Gender. Ein Workshop hat den Ring christlich-demokratischer Studenten, RCDS (der offensichtlich wenig von gendergerechter Sprache hält) aber nun vorab einen echten Höhepunkt der Empörung beschafft: Der Kurs "Möseale Ejakulation – Die Votzen spritzen zurück!" will Frauen Masturbationstechniken beibringen, mit denen sie lernen zu squirten.

Die angemessene Reaktion: Drei Vaterunser für die masturbierenden Seelen beten und prüfen, ob ein Wechsel an eine bayerische Uni möglich ist: Dort werden die Eingangshallen ab Juni schließlich mit Kreuzen behangen, statt mit feministisch-revolutionären Gender-Postern.

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Die tatsächliche Reaktion: Die Mitglieder des RCDS verfielen in kollektive Schnappatmung und brachten einen klischeehaft deutschen Move: Sie benutzen den Gebührenzahler als argumentatives Schutzschild. Weil der Workshop mit Geldern aus dem AStA-Budget bezahlt wird (er kostet den Ausschuss 250 Euro) und dieses schließlich auch durch die Semesterbeiträge nicht-öffentlich masturbierender Studierenden finanziert wird, startete der RCDS Bielefeld einen medialen Rant.


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"Das ist ein schlechter Scherz", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bielefelder RCDS, Philip Schütze, in der Neuen Westfälischen. Es gebe keinen wissenschaftlichen und seriösen Ansatz für den Workshop und darin auch keinen Rahmen für eine ernsthafte Diskussion über Macht- und Geschlechterverhältnisse. Man könne sich auch nicht vorstellen, dass das in einem Raum mit zehn masturbierenden Frauen möglich sei, so der Vizechef des RCDS-Bielefeld.

Tatsächlich haben höchstseriöse, qualitative Feldforschungen bewiesen: Masturbierende Frauen können Geschlechterverhältnisse sehr wohl wissenschaftlich zerlegen – und dabei sogar vollkommen auf die Argumentation unwissender Männer verzichten, die nicht einmal den Unterschied zwischen Vulva und Vagina kennen.

Heulsuse #2: Alle Aldi-Kunden, die keinen Gasgrill ergattert haben

Der Vorfall: Aldi Süd hat die liebste Saison der Deutschen nach dem Karneval eingeläutet und zelebriert seine "Grillosophie"-Aktionswochen mit schlechten Wortwitzen und einem Gasgrill für 199 Euro. Leider gab es wider Erwarten mehr Nachfrage als Grills (Grille? Grillz?) in den Filialen. Die grillwütigen (aber vor allem wütigen) Bewohner der südlichen Seite des Aldi-Äquators verkrafteten diesen Missstand leider nicht besonders gut.

Die angemessene Reaktion: Kind und Kegel in den Volkswagen packen, der anderen Hälfte Deutschlands einen Besuch abstatten und hoffen, dass Aldi Nord ein besseres Grillangebot hat. Unterwegs über die Benzinpreise und die fehlende Sauberkeit norddeutscher Raststätten maulen. Noch während der Rückfahrt ein Foto des im Kofferraum verstauten Aldi-Nord-Billiggrills auf der Facebook-Seite von Aldi Süd posten und seiner Wut mit "NIE WIEDER ALDI SÜD" und ein paar Extra-Satzzeichen Nachdruck verleihen. (Nein, auch das ist nicht wirklich angemessen, ABER ES GEHT SCHLIESSLICH UMS GRILLEN.) Die tatsächliche Reaktion: Wenn es um günstige Gasgrills geht, kennen die Deutschen wirklich keinen Spaß – und pflasterten die Facebook-Seite von Aldi Süd prompt mit wütenden Kommentaren. Ein Auszug:

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"Eine tolle Werbung für einen sehr günstigen Gasgrill, den man am ersten Angebotstag nur leider auch nach Abklappern von 5(!!!) Filialen nicht mehr bekommt. Da frage ich mich? Wozu die großartige Fernsehwerbung wenn (laut Filialleitung) nicht mal eine Handvoll Grills in der Filiale erhältlich ist?", so eine enttäuschte Kundin.

Screenshot Aldi Süd Kommentare Gasgrill Boston pro ausverkauft

Screenshot: Facebook | ALDI Süd

Bei einem anderen Kunden führte der ausverkaufte Gasgrill sogar zu rauen Umgangstönen innerhalb des Freundeskreises: "Habe meinen Bekannten extra blöd gemacht mir solch einen Grill zu kaufen und Ihr habt nur 3 Dinger davon", schrieb er am Mittwoch. Dann erklärt er, warum der Bekannte zum Grillkäufer umfunktioniert wurde: "Ich persönlich gehe jahrelang schon nicht mehr zu Aldi, genau aus solchem Anlass vor Jahren."

Auch andere Kunden und Kundinnen beschwerten sich darüber, dass sie selbst nach fünf bis zehn durchsuchten Filialen nicht auf den begehrten Gasgrill gestoßen seien. Einem Online-Magazin zufolge wolle ein besonders engagierter Grillloser sogar Beschwerde bei der Wettbewerbszentrale einreichen – wegen eines "Lockvogelangebots" durch Aldi Süd. Das nennen wir mal maximale Eskalation.

Und jetzt dürft ihr abstimmen: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*

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