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Popkultur

Wir haben uns das Wikipedia für Nazis angesehen

Die Google-Suche nach „Republik Österreich" kann einen aus Versehen leicht auf eine Naziseite führen.

MediaWiki ist eine großartige Erfindung. Als Gratis-Software für Wiki-Systeme hat sie schon viele tolle Enzyklopädien hervorgebracht, die unser Leben täglich ein bisschen einfacher machen und mit denen man sich endlose Tage der Langeweile vertreiben kann. Die bekannteste Errungenschaft davon ist mit Sicherheit Wikipedia mit seinen mehr als 37 Millionen Artikeln in knapp 300 Sprachen.

Leider hat MediaWiki aber auch dazu geführt, dass es mittlerweile eine Vielzahl pseudowissenschaftlicher Lexika gibt, die zwar seriös ausschauen (sofern man Wikipedia als seriöse Quelle akzeptiert), jedoch mit verschwörungstheoretischen und geschichtsrevisionistischen Artikeln unser Leben—oder zumindest die Informationsgewinnung—verkomplizieren.

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Eine dieser gar nicht so kleinen—aber dafür umso problematischeren—Websites ist Metapedia. In Deutschland wird diese in mindestens 17 Sprachen verfügbare „Enzyklopädie" vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und ist wegen ihrer Indizierung etwa über eine Google-Suche nicht abrufbar. In Österreich hingegen scheint die Seite unter den 5 besten Suchergebnissen auf, wenn man etwa „Holocaust", „BRD", „Republik Österreich", „Juden", oder „Deutsches Reich" googelt. Auch hierzulande wird die Seite allerdings vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes „dem neonazistischen Spektrum" zugeordnet, wie der Standard berichtete.

Auch rechtsradikale Christen verbreiten ihre Propaganda online

Gleich auf der Startseite von Metapedia finden sich Hinweise auf die deutschnationale, antisemitische und rechtsextreme Ideologie der Betreiber. So heißt es etwa in Bezugnahme auf die deutsche Indizierung: „Jugendlichen aus dem österreichischen Teil Deutschlands […] ist es hingegen von offizieller Seite gestattet […] hier zu lesen."

Im Artikel über Juden ließt man etwa nichts von deren Vertreibung und Vernichtung im Zuge der deutschen Rassenideologie. Im Gegenteil. Unter dem Punkt Nationalsozialismus wird erklärt: „Die deutsche Judengesetzgebung betrachtete den Juden fortan als Fremden und Gast, dem vom Staat Rechtssicherheit und Schutz gewährt wird und sie ihr nationales und religiöses Eigenleben frei gestalten ließ."

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Sucht man nach „Republik Österreich", spuckt Google schon als zweiten Vorschlag den Artikel von Metapedia aus—gleich nach dem entsprechenden Wikipedia-Beitrag. Metapedia scheint Österreich aber gar nicht als souveränen Staat anzuerkennen. So heißt es gleich zu Beginn des Artikels: „Die Republik Österreich ist ein deutscher Teilstaat".

In Artikeln über das deutsche Reich, die BRD oder den Holocaust wird unter anderem von der vollständigen Besetzung Deutschlands (und als Teil davon auch Österreichs) seit dem Zweiten Weltrkrieg gesprochen und darauf verwiesen, dass „die Holocaustreligion und der Einfluss der Bilderberger" das politische Wirken in den beiden Ländern beherrschen.

Screenshot via metapedia.org

Metapedia erschien erstmals 2006 auf Schwedisch. Gegründet wurde es vom mehrfach vorbestraften schwedischen Neonazi Anders Lagerström und seinem Kollegen Lennart Berg. 2007 erschien Metapedia dann erstmals auf deutsch und englisch. Die deutschsprachige Version zählt mittlerweile über 55.000 Artikel.

Und Metapedia wächst weiter. Allein seit 1. Februar 2016 wurden 46 neue Beiträge veröffentlicht. Ernst zunehmende Bestrebungen der österreichischen Behörden, die Seite und deren Betreiber zu verfolgen, gibt es nicht. Eine bundesweite Stelle für Jugendschutz wie in Deutschland, fehlt in Österreich.

Manche Artikel sind derartig skurril, dass es schon nach den ersten Zeilen klar ist, auf was für eine Seite man da geraten ist. Dass etwa Hitler allein deshalb gar kein richtiger Diktator gewesen sein kann, weil er den ganzen Tag über lieber gegessen, Tee getrunken und Monologe im Beisein seiner Minister gehalten habe, bringt einen fast schon zum Schmunzeln. Doch dann stößt man wieder auf Artikel, die man zweimal lesen muss, um die Propaganda zu erkennen. Das sind die Artikel, die Metapedia gefährlich machen.

Paul auf Twitter: @gewitterland